Als dieser Monarch mit seinem Heere gegen die moldauische Grenze anrückte: so hielte es der osmanische Hof für rathsam, Demetrie zum Fürsten dieses Lan- des zu bestellen. Denn der damalige Regierer desselben, Nikolaus Maurocor- datus, war zwar ein gelehrter Mann und stund bey dem türkischen Hofe in großem Ansehen: er war aber keine tüchtige Person in Kriegeszeiten; weil er weder Herzhaftigkeit noch Erfahrung in Kriegessachen hatte. Demetrie wurde diese Würde anzunehmen genöthiget, sowol durch den Weßir, als durch das Zureden des Chans der Tatarn, der dem Hofe beygebracht hatte: er sey der einzige unter den Christen, der geschickt sey, bey dieser Gelegenheit wichtige Dienste zu leisten. Daher fehlete es so weit, daß Demetrie dem Sultane und den türkischen Bedienten die gewöhnlichen Geschenke gegeben hätte: daß ihm der Hof vielmehr zwanzig Beutel 4 zur Bestreitung der aufzuwendenden Kosten reichen ließe.
1710
Kaum war derselbe zu Jassij, der Hauptstadt in Moldau, angelanget: so erhielte er Befehl vom Hofe, eine Brücke über die Donau zu bauen, um das türkische Heer darüber zu führen; und dabey wurde des Weßirs wegen von ihm begehret, demselben das Geld zu überschicken, das ihm und den andern Bedienten wegen seiner Gelangung zum Fürstenthume gebühre. Durch diesen letztern Befehl wurde Demetrie aufs höchste aufgebracht; so daß er von demsel- ben Augenblicke an den Entschluß fassete, sich an dem Weßire zu rächen, und die gegenwärtige Gelegenheit zu ergreifen, sein Land von dem türkischen Joche zu befreyen.
Zu gutem Glücke schickte gerade um diese Zeit Peter der Große einen grie- chischen Arzt zu demselben, mit Namen Polikala, und ließ ihm sehr vortheilhafte Bedingungen anbieten. Da nun die Sache den einem christlichen Fürsten zu leistenden Dienst und die Wohlfahrt seines eigenen Volkes betraf: so kam sein Vergleich mit diesem Monarchen gar bald zur Richtigkeit, nach dem 1, Moldau wieder in seine alten Grenzen hergestellet und unter dem Schutze von Rußland stehen; 2, der Fürst nebst seinem Volke ihrer zarischen Majestät, so bald das russische Heer in Moldau eingerücket seyn würde, die Treue schweren; 3, der Fürst zu gleicher Zeit seine Völker zu des Zars seinen fügen, und mit vereinigten Kräften gegen die Türken fechten; 4, der Fürst sowol, als dessen Nachfolger, die unumschränkte Herrschaft in Moldau unter dem Schutze der russischen Monarchen auf immer besitzen; 5, keine andere Person eher zu dem [Spaltenumbruch]
4 Dieses sind, nach sächsischem Gelde, [Spaltenumbruch] 9230 Thaler, 18 Groschen, 5 Pfen- ninge.
[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
Fürsten-
Leben des Fuͤrſten
Als dieſer Monarch mit ſeinem Heere gegen die moldauiſche Grenze anruͤckte: ſo hielte es der osmaniſche Hof fuͤr rathſam, Demetrie zum Fuͤrſten dieſes Lan- des zu beſtellen. Denn der damalige Regierer deſſelben, Nikolaus Maurocor- datus, war zwar ein gelehrter Mann und ſtund bey dem tuͤrkiſchen Hofe in großem Anſehen: er war aber keine tuͤchtige Perſon in Kriegeszeiten; weil er weder Herzhaftigkeit noch Erfahrung in Kriegesſachen hatte. Demetrie wurde dieſe Wuͤrde anzunehmen genoͤthiget, ſowol durch den Weßir, als durch das Zureden des Chans der Tatarn, der dem Hofe beygebracht hatte: er ſey der einzige unter den Chriſten, der geſchickt ſey, bey dieſer Gelegenheit wichtige Dienſte zu leiſten. Daher fehlete es ſo weit, daß Demetrie dem Sultane und den tuͤrkiſchen Bedienten die gewoͤhnlichen Geſchenke gegeben haͤtte: daß ihm der Hof vielmehr zwanzig Beutel 4 zur Beſtreitung der aufzuwendenden Koſten reichen ließe.
1710
Kaum war derſelbe zu Jaſſij, der Hauptſtadt in Moldau, angelanget: ſo erhielte er Befehl vom Hofe, eine Bruͤcke uͤber die Donau zu bauen, um das tuͤrkiſche Heer daruͤber zu fuͤhren; und dabey wurde des Weßirs wegen von ihm begehret, demſelben das Geld zu uͤberſchicken, das ihm und den andern Bedienten wegen ſeiner Gelangung zum Fuͤrſtenthume gebuͤhre. Durch dieſen letztern Befehl wurde Demetrie aufs hoͤchſte aufgebracht; ſo daß er von demſel- ben Augenblicke an den Entſchluß faſſete, ſich an dem Weßire zu raͤchen, und die gegenwaͤrtige Gelegenheit zu ergreifen, ſein Land von dem tuͤrkiſchen Joche zu befreyen.
Zu gutem Gluͤcke ſchickte gerade um dieſe Zeit Peter der Große einen grie- chiſchen Arzt zu demſelben, mit Namen Polikala, und ließ ihm ſehr vortheilhafte Bedingungen anbieten. Da nun die Sache den einem chriſtlichen Fuͤrſten zu leiſtenden Dienſt und die Wohlfahrt ſeines eigenen Volkes betraf: ſo kam ſein Vergleich mit dieſem Monarchen gar bald zur Richtigkeit, nach dem 1, Moldau wieder in ſeine alten Grenzen hergeſtellet und unter dem Schutze von Rußland ſtehen; 2, der Fuͤrſt nebſt ſeinem Volke ihrer zariſchen Majeſtaͤt, ſo bald das ruſſiſche Heer in Moldau eingeruͤcket ſeyn wuͤrde, die Treue ſchweren; 3, der Fuͤrſt zu gleicher Zeit ſeine Voͤlker zu des Zars ſeinen fuͤgen, und mit vereinigten Kraͤften gegen die Tuͤrken fechten; 4, der Fuͤrſt ſowol, als deſſen Nachfolger, die unumſchraͤnkte Herrſchaft in Moldau unter dem Schutze der ruſſiſchen Monarchen auf immer beſitzen; 5, keine andere Perſon eher zu dem [Spaltenumbruch]
<TEI><text><back><divn="1"><p><pbfacs="#f0962"n="844"/><fwplace="top"type="header">Leben des Fuͤrſten</fw><lb/>
Als dieſer Monarch mit ſeinem Heere gegen die moldauiſche Grenze anruͤckte:<lb/>ſo hielte es der osmaniſche Hof fuͤr rathſam, Demetrie zum Fuͤrſten dieſes Lan-<lb/>
des zu beſtellen. Denn der damalige Regierer deſſelben, Nikolaus Maurocor-<lb/>
datus, war zwar ein gelehrter Mann und ſtund bey dem tuͤrkiſchen Hofe in<lb/>
großem Anſehen: er war aber keine tuͤchtige Perſon in Kriegeszeiten; weil er<lb/>
weder Herzhaftigkeit noch Erfahrung in Kriegesſachen hatte. Demetrie wurde<lb/>
dieſe Wuͤrde anzunehmen genoͤthiget, ſowol durch den Weßir, als durch das<lb/>
Zureden des Chans der Tatarn, der dem Hofe beygebracht hatte: er ſey der<lb/>
einzige unter den Chriſten, der geſchickt ſey, bey dieſer Gelegenheit wichtige<lb/>
Dienſte zu leiſten. Daher fehlete es ſo weit, daß Demetrie dem Sultane und<lb/>
den tuͤrkiſchen Bedienten die gewoͤhnlichen Geſchenke gegeben haͤtte: daß ihm<lb/>
der Hof vielmehr zwanzig Beutel <noteplace="end"n="4"/> zur Beſtreitung der aufzuwendenden Koſten<lb/>
reichen ließe.</p><lb/><noteplace="left">1710</note><p>Kaum war derſelbe zu Jaſſij, der Hauptſtadt in Moldau, angelanget: ſo<lb/>
erhielte er Befehl vom Hofe, eine Bruͤcke uͤber die Donau zu bauen, um das<lb/>
tuͤrkiſche Heer daruͤber zu fuͤhren; und dabey wurde des Weßirs wegen von<lb/>
ihm begehret, demſelben das Geld zu uͤberſchicken, das ihm und den andern<lb/>
Bedienten wegen ſeiner Gelangung zum Fuͤrſtenthume gebuͤhre. Durch dieſen<lb/>
letztern Befehl wurde Demetrie aufs hoͤchſte aufgebracht; ſo daß er von demſel-<lb/>
ben Augenblicke an den Entſchluß faſſete, ſich an dem Weßire zu raͤchen, und<lb/>
die gegenwaͤrtige Gelegenheit zu ergreifen, ſein Land von dem tuͤrkiſchen Joche<lb/>
zu befreyen.</p><lb/><p>Zu gutem Gluͤcke ſchickte gerade um dieſe Zeit Peter der Große einen grie-<lb/>
chiſchen Arzt zu demſelben, mit Namen Polikala, und ließ ihm ſehr vortheilhafte<lb/>
Bedingungen anbieten. Da nun die Sache den einem chriſtlichen Fuͤrſten<lb/>
zu leiſtenden Dienſt und die Wohlfahrt ſeines eigenen Volkes betraf: ſo kam<lb/>ſein Vergleich mit dieſem Monarchen gar bald zur Richtigkeit, nach dem<lb/>
1, Moldau wieder in ſeine alten Grenzen hergeſtellet und unter dem Schutze<lb/>
von Rußland ſtehen; 2, der Fuͤrſt nebſt ſeinem Volke ihrer zariſchen Majeſtaͤt,<lb/>ſo bald das ruſſiſche Heer in Moldau eingeruͤcket ſeyn wuͤrde, die Treue ſchweren;<lb/>
3, der Fuͤrſt zu gleicher Zeit ſeine Voͤlker zu des Zars ſeinen fuͤgen, und mit<lb/>
vereinigten Kraͤften gegen die Tuͤrken fechten; 4, der Fuͤrſt ſowol, als deſſen<lb/>
Nachfolger, die unumſchraͤnkte Herrſchaft in Moldau unter dem Schutze der<lb/>
ruſſiſchen Monarchen auf immer beſitzen; 5, keine andere Perſon eher zu dem<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Fuͤrſten-</fw><lb/><cbn="1"/><lb/><noteplace="end"n="4"> Dieſes ſind, nach ſaͤchſiſchem Gelde,<lb/><cbn="2"/><lb/>
9230 Thaler, 18 Groſchen, 5 <formulanotation="TeX">\frac{7}{13}</formula> Pfen-<lb/>
ninge.</note><lb/><hirendition="#right"><gapreason="illegible"unit="chars"quantity="1"/></hi><lb/></p></div></back></text></TEI>
[844/0962]
Leben des Fuͤrſten
Als dieſer Monarch mit ſeinem Heere gegen die moldauiſche Grenze anruͤckte:
ſo hielte es der osmaniſche Hof fuͤr rathſam, Demetrie zum Fuͤrſten dieſes Lan-
des zu beſtellen. Denn der damalige Regierer deſſelben, Nikolaus Maurocor-
datus, war zwar ein gelehrter Mann und ſtund bey dem tuͤrkiſchen Hofe in
großem Anſehen: er war aber keine tuͤchtige Perſon in Kriegeszeiten; weil er
weder Herzhaftigkeit noch Erfahrung in Kriegesſachen hatte. Demetrie wurde
dieſe Wuͤrde anzunehmen genoͤthiget, ſowol durch den Weßir, als durch das
Zureden des Chans der Tatarn, der dem Hofe beygebracht hatte: er ſey der
einzige unter den Chriſten, der geſchickt ſey, bey dieſer Gelegenheit wichtige
Dienſte zu leiſten. Daher fehlete es ſo weit, daß Demetrie dem Sultane und
den tuͤrkiſchen Bedienten die gewoͤhnlichen Geſchenke gegeben haͤtte: daß ihm
der Hof vielmehr zwanzig Beutel
⁴
zur Beſtreitung der aufzuwendenden Koſten
reichen ließe.
Kaum war derſelbe zu Jaſſij, der Hauptſtadt in Moldau, angelanget: ſo
erhielte er Befehl vom Hofe, eine Bruͤcke uͤber die Donau zu bauen, um das
tuͤrkiſche Heer daruͤber zu fuͤhren; und dabey wurde des Weßirs wegen von
ihm begehret, demſelben das Geld zu uͤberſchicken, das ihm und den andern
Bedienten wegen ſeiner Gelangung zum Fuͤrſtenthume gebuͤhre. Durch dieſen
letztern Befehl wurde Demetrie aufs hoͤchſte aufgebracht; ſo daß er von demſel-
ben Augenblicke an den Entſchluß faſſete, ſich an dem Weßire zu raͤchen, und
die gegenwaͤrtige Gelegenheit zu ergreifen, ſein Land von dem tuͤrkiſchen Joche
zu befreyen.
Zu gutem Gluͤcke ſchickte gerade um dieſe Zeit Peter der Große einen grie-
chiſchen Arzt zu demſelben, mit Namen Polikala, und ließ ihm ſehr vortheilhafte
Bedingungen anbieten. Da nun die Sache den einem chriſtlichen Fuͤrſten
zu leiſtenden Dienſt und die Wohlfahrt ſeines eigenen Volkes betraf: ſo kam
ſein Vergleich mit dieſem Monarchen gar bald zur Richtigkeit, nach dem
1, Moldau wieder in ſeine alten Grenzen hergeſtellet und unter dem Schutze
von Rußland ſtehen; 2, der Fuͤrſt nebſt ſeinem Volke ihrer zariſchen Majeſtaͤt,
ſo bald das ruſſiſche Heer in Moldau eingeruͤcket ſeyn wuͤrde, die Treue ſchweren;
3, der Fuͤrſt zu gleicher Zeit ſeine Voͤlker zu des Zars ſeinen fuͤgen, und mit
vereinigten Kraͤften gegen die Tuͤrken fechten; 4, der Fuͤrſt ſowol, als deſſen
Nachfolger, die unumſchraͤnkte Herrſchaft in Moldau unter dem Schutze der
ruſſiſchen Monarchen auf immer beſitzen; 5, keine andere Perſon eher zu dem
Fuͤrſten-
⁴ Dieſes ſind, nach ſaͤchſiſchem Gelde,
9230 Thaler, 18 Groſchen, 5 [FORMEL] Pfen-
ninge.
_
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 844. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/962>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.