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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Demetrie Kantemirs

Weil Demetrie den Zar zu Lande nach Derbend begleiten mußte: so schickte
er seine Fregate mit seinem Reisezeuge und seinen Bedienten voraus, ihn daselbst
zu erwarten. Zum Unglücke aber wurde das Schiff durch einen Sturm auf eine
Sandbank getrieben; da dann, außer dem Volke, alles verloren ging. Unter
andern Sachen verlor der Fürst seinen Schreibkasten nebst seinen Papieren, und
sonderlich eine geschriebene Geschichte von dem falschen Propheten Muhämmed an
bis auf Osman, den ersten türkischen Sultan; ein Werk, das den Verfasser
große Mühe gekostet hat, und eines bessern Schicksals werth gewesen wäre.

Die Unbäßlichkeit des Fürsten nahm täglich zu, und weder er selbst noch die
Aerzte konnten die Ursache derselben ausfinden. Indessen setzte er doch seine Reise
nach Derbend fort, und besahe zu einer Zeit, da er Erleichterung spürete, die be-
rühmte Mauer auf dem Gebirge Kaukasus 6; davon der Professor Bayer im
ersten Bande der Verhandlungen der Akademie zu Petersburg 7 eine umständliche
Nachricht ertheilet hat.

Auf seiner Rückreise von Derbend befand es sich, daß Demetries Krankheit
ein Harnfluß war, der ihn so sehr schwächte, daß er nicht zu Pferde steigen konnte.
Weil er nun selbst glaubte, daß sein Tod nahe sey: so machte er seinen letzten
Willen, überlieferte ihn in die Hände des Zars, und setzte denselben zum Voll-
zieher davon und zum Vormunde seiner Kinder ein. Seine drey ältesten Söhne
waren bey ihm; seine Gemalinn aber, Tochter und sein jüngster Sohn waren
zu Astrachan geblieben. Als der Zar nach dieser Stadt reisete: so ließ er den
Arzt der Kaiserinn, Polikala, zurück, um für ihn Sorge zu tragen.

Demetrie kam im August nach Astrachan, dergestalt abgezehret, daß seine
Freunde ihn kaum kenneten. Im Anfange des Decembers befand er sich in sol-
cher Gefahr, daß er es für nöthig hielte, zu beichten und das Abendmal zu em-
pfangen, und alle Augenblicke den Tod erwartete. Der Admiral Apraxin, Graf
Tolstoi und Fürst Georg Trubezkoi eileten, ihren letzten Abschied von ihm zu neh-
men. Seine Gemalinn, Kinder und Hausbedienten stunden mit threnenden Au-
gen um ihn herum; er aber tröstete dieselben mit einer ungemeinen Standhaf-
tigkeit, empfahl sie den gedachten dreyen Bedienten, und ermahnete sie zu gegen-
seitiger Liebe und fester Vereinigung nach seinem Tode.

In dieser äußersten Noth erinnerte man sich, daß ein Arzt bey dem Krieges-
heere, Englert, noch nicht war zu Rathe gezogen worden. Man schickte also
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6 auf türkisch, Kaf Dagi.
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7 auf der 425 Seite u. f.

unver-
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Demetrie Kantemirs

Weil Demetrie den Zar zu Lande nach Derbend begleiten mußte: ſo ſchickte
er ſeine Fregate mit ſeinem Reiſezeuge und ſeinen Bedienten voraus, ihn daſelbſt
zu erwarten. Zum Ungluͤcke aber wurde das Schiff durch einen Sturm auf eine
Sandbank getrieben; da dann, außer dem Volke, alles verloren ging. Unter
andern Sachen verlor der Fuͤrſt ſeinen Schreibkaſten nebſt ſeinen Papieren, und
ſonderlich eine geſchriebene Geſchichte von dem falſchen Propheten Muhaͤmmed an
bis auf Osman, den erſten tuͤrkiſchen Sultan; ein Werk, das den Verfaſſer
große Muͤhe gekoſtet hat, und eines beſſern Schickſals werth geweſen waͤre.

Die Unbaͤßlichkeit des Fuͤrſten nahm taͤglich zu, und weder er ſelbſt noch die
Aerzte konnten die Urſache derſelben ausfinden. Indeſſen ſetzte er doch ſeine Reiſe
nach Derbend fort, und beſahe zu einer Zeit, da er Erleichterung ſpuͤrete, die be-
ruͤhmte Mauer auf dem Gebirge Kaukaſus 6; davon der Profeſſor Bayer im
erſten Bande der Verhandlungen der Akademie zu Petersburg 7 eine umſtaͤndliche
Nachricht ertheilet hat.

Auf ſeiner Ruͤckreiſe von Derbend befand es ſich, daß Demetries Krankheit
ein Harnfluß war, der ihn ſo ſehr ſchwaͤchte, daß er nicht zu Pferde ſteigen konnte.
Weil er nun ſelbſt glaubte, daß ſein Tod nahe ſey: ſo machte er ſeinen letzten
Willen, uͤberlieferte ihn in die Haͤnde des Zars, und ſetzte denſelben zum Voll-
zieher davon und zum Vormunde ſeiner Kinder ein. Seine drey aͤlteſten Soͤhne
waren bey ihm; ſeine Gemalinn aber, Tochter und ſein juͤngſter Sohn waren
zu Aſtrachan geblieben. Als der Zar nach dieſer Stadt reiſete: ſo ließ er den
Arzt der Kaiſerinn, Polikala, zuruͤck, um fuͤr ihn Sorge zu tragen.

Demetrie kam im Auguſt nach Aſtrachan, dergeſtalt abgezehret, daß ſeine
Freunde ihn kaum kenneten. Im Anfange des Decembers befand er ſich in ſol-
cher Gefahr, daß er es fuͤr noͤthig hielte, zu beichten und das Abendmal zu em-
pfangen, und alle Augenblicke den Tod erwartete. Der Admiral Apraxin, Graf
Tolſtoi und Fuͤrſt Georg Trubezkoi eileten, ihren letzten Abſchied von ihm zu neh-
men. Seine Gemalinn, Kinder und Hausbedienten ſtunden mit threnenden Au-
gen um ihn herum; er aber troͤſtete dieſelben mit einer ungemeinen Standhaf-
tigkeit, empfahl ſie den gedachten dreyen Bedienten, und ermahnete ſie zu gegen-
ſeitiger Liebe und feſter Vereinigung nach ſeinem Tode.

In dieſer aͤußerſten Noth erinnerte man ſich, daß ein Arzt bey dem Krieges-
heere, Englert, noch nicht war zu Rathe gezogen worden. Man ſchickte alſo
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7 auf der 425 Seite u. f.

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[849/0967] Demetrie Kantemirs Weil Demetrie den Zar zu Lande nach Derbend begleiten mußte: ſo ſchickte er ſeine Fregate mit ſeinem Reiſezeuge und ſeinen Bedienten voraus, ihn daſelbſt zu erwarten. Zum Ungluͤcke aber wurde das Schiff durch einen Sturm auf eine Sandbank getrieben; da dann, außer dem Volke, alles verloren ging. Unter andern Sachen verlor der Fuͤrſt ſeinen Schreibkaſten nebſt ſeinen Papieren, und ſonderlich eine geſchriebene Geſchichte von dem falſchen Propheten Muhaͤmmed an bis auf Osman, den erſten tuͤrkiſchen Sultan; ein Werk, das den Verfaſſer große Muͤhe gekoſtet hat, und eines beſſern Schickſals werth geweſen waͤre. Die Unbaͤßlichkeit des Fuͤrſten nahm taͤglich zu, und weder er ſelbſt noch die Aerzte konnten die Urſache derſelben ausfinden. Indeſſen ſetzte er doch ſeine Reiſe nach Derbend fort, und beſahe zu einer Zeit, da er Erleichterung ſpuͤrete, die be- ruͤhmte Mauer auf dem Gebirge Kaukaſus ⁶ ; davon der Profeſſor Bayer im erſten Bande der Verhandlungen der Akademie zu Petersburg ⁷ eine umſtaͤndliche Nachricht ertheilet hat. Auf ſeiner Ruͤckreiſe von Derbend befand es ſich, daß Demetries Krankheit ein Harnfluß war, der ihn ſo ſehr ſchwaͤchte, daß er nicht zu Pferde ſteigen konnte. Weil er nun ſelbſt glaubte, daß ſein Tod nahe ſey: ſo machte er ſeinen letzten Willen, uͤberlieferte ihn in die Haͤnde des Zars, und ſetzte denſelben zum Voll- zieher davon und zum Vormunde ſeiner Kinder ein. Seine drey aͤlteſten Soͤhne waren bey ihm; ſeine Gemalinn aber, Tochter und ſein juͤngſter Sohn waren zu Aſtrachan geblieben. Als der Zar nach dieſer Stadt reiſete: ſo ließ er den Arzt der Kaiſerinn, Polikala, zuruͤck, um fuͤr ihn Sorge zu tragen. Demetrie kam im Auguſt nach Aſtrachan, dergeſtalt abgezehret, daß ſeine Freunde ihn kaum kenneten. Im Anfange des Decembers befand er ſich in ſol- cher Gefahr, daß er es fuͤr noͤthig hielte, zu beichten und das Abendmal zu em- pfangen, und alle Augenblicke den Tod erwartete. Der Admiral Apraxin, Graf Tolſtoi und Fuͤrſt Georg Trubezkoi eileten, ihren letzten Abſchied von ihm zu neh- men. Seine Gemalinn, Kinder und Hausbedienten ſtunden mit threnenden Au- gen um ihn herum; er aber troͤſtete dieſelben mit einer ungemeinen Standhaf- tigkeit, empfahl ſie den gedachten dreyen Bedienten, und ermahnete ſie zu gegen- ſeitiger Liebe und feſter Vereinigung nach ſeinem Tode. In dieſer aͤußerſten Noth erinnerte man ſich, daß ein Arzt bey dem Krieges- heere, Englert, noch nicht war zu Rathe gezogen worden. Man ſchickte alſo unver- ⁶ auf tuͤrkiſch, Kaf Dagi. ⁷ auf der 425 Seite u. f. 5 P

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 849. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/967>, abgerufen am 24.11.2024.