unverzüglich nach demselben; und dieser bezwang durch seine Geschicklichkeit die Krankheit so weit, daß Demetrie so viel Kräfte hatte, am Christfeste zu Astra- chan die Hauptkirche zu besuchen. Weil er nun befand, daß er täglich stärker wurde: so entschloß er sich, Astrachan zu verlassen und sich in seine Länder zu be- geben; dazu er auch des Zars Erlaubniß erhielte.
Januar 1723
Er trat seine Reise an im Januar 1723. Sie war sehr beschwerlich: nicht allein wegen der großen Weite; sondern auch wegen des Rückfalls seiner Krankheit. Jedoch langte er endlich im März bey ziemlich guter Gesundheit daselbst an. Hier brachte er seine Zeit zu, so oft es ihm seine Gesundheit erlau- bete, mit den gewöhnlichen Ergetzlichkeiten des Landes, mit Einrichtung seiner häuslichen Geschäffte, und mit Erbauung einer Kirche, die dem heiligen Demetrie gewidmet wurde. Zuletzt am 15 (26) August fand sich bey ihm ein schleichendes Fieber ein; und sein Harnfluß nahm dergestalt überhand, daß er am ein und 1723zwanzigsten desselben Monats (am ersten Sept.) starb, in einem Alter von neun und vierzig Jahren, sieben Monaten und fünf Tagen.
Er hat mit seiner ersten Gemalinn sechs Söhne und zwo Töchter, mit der zweyten Gemalinn aber nur eine Tochter erzeuget. Eine von seinen Töchtern und zween Söhne verstarben bey seinen Lebzeiten. Er hinterließ also zwo Töch- ter, Maria und Smaragda; und vier Söhne, Matthäus, Constantin, Serban und Antiochus, die noch allesammt im Leben sind. Der letzte ist gegenwärtig gevollmächtigter Gesandter der Zarinn bey dem Könige Georg, und hat die latei- nische Handschrift von der osmanischen Geschichte seines Vaters mit sich nach England gebracht, daraus die englische Uebersetzung derselben ist verfertiget worden.
Demetrie war ein Herr von mittelmäßiger Länge, mehr rahn als fett. Er hatte eine angenehme Gesichtsbildung, und redete allezeit mit besonderer Freund- lichkeit, Gelindigkeit und Vorsichtigkeit. Seine Gewohnheit war, daß er des Morgens um fünf Uhr aufstund, und eine Pfeife Tabak bey einem Schälchen Kaffee 8 nach türkischer Weise rauchte. Hierauf wendete er sich zu seinem Stu- dieren, bis zur Mittagsmalzeit, die er allezeit um zwölf Uhr hielte. Er speisete ordentlich nur ein Gericht; und sein geliebtes Essen war junge Hühner mit Saurampfer. Bey der Malzeit trank er allezeit Wasser unter dem Weine. Die Trunkenheit war sein Todfeind; denn wann er nur einmal zu viel getrunken hatte: so war er hernach vierzehen Tage lang übel auf. Nach der Malzeit legte er sich ein wenig schlafen; und die übrige Zeit des Tages brachte er mit Stu- dieren zu, bis um sieben Uhr des Abends. Alsdann besuchte er die Seinigen, [Spaltenumbruch]
8 auf türkisch, Kähwe.
speisete
Leben des Fuͤrſten
unverzuͤglich nach demſelben; und dieſer bezwang durch ſeine Geſchicklichkeit die Krankheit ſo weit, daß Demetrie ſo viel Kraͤfte hatte, am Chriſtfeſte zu Aſtra- chan die Hauptkirche zu beſuchen. Weil er nun befand, daß er taͤglich ſtaͤrker wurde: ſo entſchloß er ſich, Aſtrachan zu verlaſſen und ſich in ſeine Laͤnder zu be- geben; dazu er auch des Zars Erlaubniß erhielte.
Januar 1723
Er trat ſeine Reiſe an im Januar 1723. Sie war ſehr beſchwerlich: nicht allein wegen der großen Weite; ſondern auch wegen des Ruͤckfalls ſeiner Krankheit. Jedoch langte er endlich im Maͤrz bey ziemlich guter Geſundheit daſelbſt an. Hier brachte er ſeine Zeit zu, ſo oft es ihm ſeine Geſundheit erlau- bete, mit den gewoͤhnlichen Ergetzlichkeiten des Landes, mit Einrichtung ſeiner haͤuslichen Geſchaͤffte, und mit Erbauung einer Kirche, die dem heiligen Demetrie gewidmet wurde. Zuletzt am 15 (26) Auguſt fand ſich bey ihm ein ſchleichendes Fieber ein; und ſein Harnfluß nahm dergeſtalt uͤberhand, daß er am ein und 1723zwanzigſten deſſelben Monats (am erſten Sept.) ſtarb, in einem Alter von neun und vierzig Jahren, ſieben Monaten und fuͤnf Tagen.
Er hat mit ſeiner erſten Gemalinn ſechs Soͤhne und zwo Toͤchter, mit der zweyten Gemalinn aber nur eine Tochter erzeuget. Eine von ſeinen Toͤchtern und zween Soͤhne verſtarben bey ſeinen Lebzeiten. Er hinterließ alſo zwo Toͤch- ter, Maria und Smaragda; und vier Soͤhne, Matthaͤus, Conſtantin, Serban und Antiochus, die noch alleſammt im Leben ſind. Der letzte iſt gegenwaͤrtig gevollmaͤchtigter Geſandter der Zarinn bey dem Koͤnige Georg, und hat die latei- niſche Handſchrift von der osmaniſchen Geſchichte ſeines Vaters mit ſich nach England gebracht, daraus die engliſche Ueberſetzung derſelben iſt verfertiget worden.
Demetrie war ein Herr von mittelmaͤßiger Laͤnge, mehr rahn als fett. Er hatte eine angenehme Geſichtsbildung, und redete allezeit mit beſonderer Freund- lichkeit, Gelindigkeit und Vorſichtigkeit. Seine Gewohnheit war, daß er des Morgens um fuͤnf Uhr aufſtund, und eine Pfeife Tabak bey einem Schaͤlchen Kaffee 8 nach tuͤrkiſcher Weiſe rauchte. Hierauf wendete er ſich zu ſeinem Stu- dieren, bis zur Mittagsmalzeit, die er allezeit um zwoͤlf Uhr hielte. Er ſpeiſete ordentlich nur ein Gericht; und ſein geliebtes Eſſen war junge Huͤhner mit Saurampfer. Bey der Malzeit trank er allezeit Waſſer unter dem Weine. Die Trunkenheit war ſein Todfeind; denn wann er nur einmal zu viel getrunken hatte: ſo war er hernach vierzehen Tage lang uͤbel auf. Nach der Malzeit legte er ſich ein wenig ſchlafen; und die uͤbrige Zeit des Tages brachte er mit Stu- dieren zu, bis um ſieben Uhr des Abends. Alsdann beſuchte er die Seinigen, [Spaltenumbruch]
8 auf tuͤrkiſch, Kaͤhwe.
ſpeiſete
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Leben des Fuͤrſten
unverzuͤglich nach demſelben; und dieſer bezwang durch ſeine Geſchicklichkeit
die Krankheit ſo weit, daß Demetrie ſo viel Kraͤfte hatte, am Chriſtfeſte zu Aſtra-
chan die Hauptkirche zu beſuchen. Weil er nun befand, daß er taͤglich ſtaͤrker
wurde: ſo entſchloß er ſich, Aſtrachan zu verlaſſen und ſich in ſeine Laͤnder zu be-
geben; dazu er auch des Zars Erlaubniß erhielte.
Er trat ſeine Reiſe an im Januar 1723. Sie war ſehr beſchwerlich:
nicht allein wegen der großen Weite; ſondern auch wegen des Ruͤckfalls ſeiner
Krankheit. Jedoch langte er endlich im Maͤrz bey ziemlich guter Geſundheit
daſelbſt an. Hier brachte er ſeine Zeit zu, ſo oft es ihm ſeine Geſundheit erlau-
bete, mit den gewoͤhnlichen Ergetzlichkeiten des Landes, mit Einrichtung ſeiner
haͤuslichen Geſchaͤffte, und mit Erbauung einer Kirche, die dem heiligen Demetrie
gewidmet wurde. Zuletzt am 15 (26) Auguſt fand ſich bey ihm ein ſchleichendes
Fieber ein; und ſein Harnfluß nahm dergeſtalt uͤberhand, daß er am ein und
zwanzigſten deſſelben Monats (am erſten Sept.) ſtarb, in einem Alter von neun
und vierzig Jahren, ſieben Monaten und fuͤnf Tagen.
1723
Er hat mit ſeiner erſten Gemalinn ſechs Soͤhne und zwo Toͤchter, mit der
zweyten Gemalinn aber nur eine Tochter erzeuget. Eine von ſeinen Toͤchtern
und zween Soͤhne verſtarben bey ſeinen Lebzeiten. Er hinterließ alſo zwo Toͤch-
ter, Maria und Smaragda; und vier Soͤhne, Matthaͤus, Conſtantin, Serban
und Antiochus, die noch alleſammt im Leben ſind. Der letzte iſt gegenwaͤrtig
gevollmaͤchtigter Geſandter der Zarinn bey dem Koͤnige Georg, und hat die latei-
niſche Handſchrift von der osmaniſchen Geſchichte ſeines Vaters mit ſich nach
England gebracht, daraus die engliſche Ueberſetzung derſelben iſt verfertiget worden.
Demetrie war ein Herr von mittelmaͤßiger Laͤnge, mehr rahn als fett. Er
hatte eine angenehme Geſichtsbildung, und redete allezeit mit beſonderer Freund-
lichkeit, Gelindigkeit und Vorſichtigkeit. Seine Gewohnheit war, daß er des
Morgens um fuͤnf Uhr aufſtund, und eine Pfeife Tabak bey einem Schaͤlchen
Kaffee
⁸
nach tuͤrkiſcher Weiſe rauchte. Hierauf wendete er ſich zu ſeinem Stu-
dieren, bis zur Mittagsmalzeit, die er allezeit um zwoͤlf Uhr hielte. Er ſpeiſete
ordentlich nur ein Gericht; und ſein geliebtes Eſſen war junge Huͤhner mit
Saurampfer. Bey der Malzeit trank er allezeit Waſſer unter dem Weine.
Die Trunkenheit war ſein Todfeind; denn wann er nur einmal zu viel getrunken
hatte: ſo war er hernach vierzehen Tage lang uͤbel auf. Nach der Malzeit legte
er ſich ein wenig ſchlafen; und die uͤbrige Zeit des Tages brachte er mit Stu-
dieren zu, bis um ſieben Uhr des Abends. Alsdann beſuchte er die Seinigen,
ſpeiſete
⁸ auf tuͤrkiſch, Kaͤhwe.
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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/968>, abgerufen am 21.11.2024.
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