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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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§. 145.

Verlauf und Prognose ist bey diesen Krankheits-
zuständen eben nach den verschiedenen urfächlichen Verhält-
nissen verschieden. Bey einer in Folge ursprünglicher Bil-
dungsrichtung früher erscheinenden Menstruation, kann unter
günstigen Umständen, wie schon erwähnt, die Gesundheit wohl
eben so ungestört bleiben, als bey Nationen, denen diese frühe
Pubertätsentwicklung natürlich ist; öfterer indeß wird wenig-
stens Hemmung des völligen Wachsthums, und schwächliche
Gesundheit die Folge desselben seyn, wobey denn die Prog-
nose um so günstiger gestellt werden darf, je weniger zeitig
die Menstruation erscheint, je schwächer dieselbe sich zeigt, je
kräftiger die ursprüngliche Körperconstitution ist, und je mehr
die äußern Lebensverhältnisse allgemeine körperliche Gesundheit
begünstigen. Weit nachtheiliger hingegen muß ein Blutfluß
dieser Art werden, durch die zweite der erwähnten Ursachen
erregt, theils weil schon jene Unterleibskrankheiten Gefahr
drohen, theils weil ein oft wiederholter Blutfluß, für dessen
Erscheinung die allgemeine Körperbildung nicht sattsame Nö-
thigung enthält, die individuelle Reproduktion vollends unter-
graben muß. Wirklich sah man denn auch in Fällen dieser
Art die Kinder mit jeder wiederkehrenden Periode mehr ab-
zehren und ermatten, ja endlich sterben; und es wird die
Prognose hierbey theils zwar wieder nach den oben erwähnten
Momenten, theils aber insbesondre nach dem Grade der Hef-
tigkeit oder Heilbarkeit der primären Krankheit sich richten.
Am allerzerstörendsten jedoch wirkt namentlich die dritte Ur-
sache, indem hier recht eigentlich die Geschlechtsfunktion, als
die individueller Reproduktion entgegengesetzte, gewaltsam her-
vorgerufen wird, welches, verbunden mit einer oft schon an
sich schwächlichen und reitzbaren Constitution, den Körper in
kurzer Zeit völlig zerrüttet, so daß hierbey, nur wo das Le-
bensalter etwas weiter vorgerückt war, wo die Constitution
ursprünglich besser ist, und die genaueste Anordnung der Le-
bensweise vom Arzte vorgeschrieben und durchgesetzt werden
kann, auch der Krankheitszustand selbst noch nicht allzulange
angehalten hat, günstigere Hoffnungen gefaßt werden dürfen.


§. 145.

Verlauf und Prognoſe iſt bey dieſen Krankheits-
zuſtaͤnden eben nach den verſchiedenen urfaͤchlichen Verhaͤlt-
niſſen verſchieden. Bey einer in Folge urſpruͤnglicher Bil-
dungsrichtung fruͤher erſcheinenden Menſtruation, kann unter
guͤnſtigen Umſtaͤnden, wie ſchon erwaͤhnt, die Geſundheit wohl
eben ſo ungeſtoͤrt bleiben, als bey Nationen, denen dieſe fruͤhe
Pubertaͤtsentwicklung natuͤrlich iſt; oͤfterer indeß wird wenig-
ſtens Hemmung des voͤlligen Wachsthums, und ſchwaͤchliche
Geſundheit die Folge deſſelben ſeyn, wobey denn die Prog-
noſe um ſo guͤnſtiger geſtellt werden darf, je weniger zeitig
die Menſtruation erſcheint, je ſchwaͤcher dieſelbe ſich zeigt, je
kraͤftiger die urſpruͤngliche Koͤrperconſtitution iſt, und je mehr
die aͤußern Lebensverhaͤltniſſe allgemeine koͤrperliche Geſundheit
beguͤnſtigen. Weit nachtheiliger hingegen muß ein Blutfluß
dieſer Art werden, durch die zweite der erwaͤhnten Urſachen
erregt, theils weil ſchon jene Unterleibskrankheiten Gefahr
drohen, theils weil ein oft wiederholter Blutfluß, fuͤr deſſen
Erſcheinung die allgemeine Koͤrperbildung nicht ſattſame Noͤ-
thigung enthaͤlt, die individuelle Reproduktion vollends unter-
graben muß. Wirklich ſah man denn auch in Faͤllen dieſer
Art die Kinder mit jeder wiederkehrenden Periode mehr ab-
zehren und ermatten, ja endlich ſterben; und es wird die
Prognoſe hierbey theils zwar wieder nach den oben erwaͤhnten
Momenten, theils aber insbeſondre nach dem Grade der Hef-
tigkeit oder Heilbarkeit der primaͤren Krankheit ſich richten.
Am allerzerſtoͤrendſten jedoch wirkt namentlich die dritte Ur-
ſache, indem hier recht eigentlich die Geſchlechtsfunktion, als
die individueller Reproduktion entgegengeſetzte, gewaltſam her-
vorgerufen wird, welches, verbunden mit einer oft ſchon an
ſich ſchwaͤchlichen und reitzbaren Conſtitution, den Koͤrper in
kurzer Zeit voͤllig zerruͤttet, ſo daß hierbey, nur wo das Le-
bensalter etwas weiter vorgeruͤckt war, wo die Conſtitution
urſpruͤnglich beſſer iſt, und die genaueſte Anordnung der Le-
bensweiſe vom Arzte vorgeſchrieben und durchgeſetzt werden
kann, auch der Krankheitszuſtand ſelbſt noch nicht allzulange
angehalten hat, guͤnſtigere Hoffnungen gefaßt werden duͤrfen.


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[109/0129] §. 145. Verlauf und Prognoſe iſt bey dieſen Krankheits- zuſtaͤnden eben nach den verſchiedenen urfaͤchlichen Verhaͤlt- niſſen verſchieden. Bey einer in Folge urſpruͤnglicher Bil- dungsrichtung fruͤher erſcheinenden Menſtruation, kann unter guͤnſtigen Umſtaͤnden, wie ſchon erwaͤhnt, die Geſundheit wohl eben ſo ungeſtoͤrt bleiben, als bey Nationen, denen dieſe fruͤhe Pubertaͤtsentwicklung natuͤrlich iſt; oͤfterer indeß wird wenig- ſtens Hemmung des voͤlligen Wachsthums, und ſchwaͤchliche Geſundheit die Folge deſſelben ſeyn, wobey denn die Prog- noſe um ſo guͤnſtiger geſtellt werden darf, je weniger zeitig die Menſtruation erſcheint, je ſchwaͤcher dieſelbe ſich zeigt, je kraͤftiger die urſpruͤngliche Koͤrperconſtitution iſt, und je mehr die aͤußern Lebensverhaͤltniſſe allgemeine koͤrperliche Geſundheit beguͤnſtigen. Weit nachtheiliger hingegen muß ein Blutfluß dieſer Art werden, durch die zweite der erwaͤhnten Urſachen erregt, theils weil ſchon jene Unterleibskrankheiten Gefahr drohen, theils weil ein oft wiederholter Blutfluß, fuͤr deſſen Erſcheinung die allgemeine Koͤrperbildung nicht ſattſame Noͤ- thigung enthaͤlt, die individuelle Reproduktion vollends unter- graben muß. Wirklich ſah man denn auch in Faͤllen dieſer Art die Kinder mit jeder wiederkehrenden Periode mehr ab- zehren und ermatten, ja endlich ſterben; und es wird die Prognoſe hierbey theils zwar wieder nach den oben erwaͤhnten Momenten, theils aber insbeſondre nach dem Grade der Hef- tigkeit oder Heilbarkeit der primaͤren Krankheit ſich richten. Am allerzerſtoͤrendſten jedoch wirkt namentlich die dritte Ur- ſache, indem hier recht eigentlich die Geſchlechtsfunktion, als die individueller Reproduktion entgegengeſetzte, gewaltſam her- vorgerufen wird, welches, verbunden mit einer oft ſchon an ſich ſchwaͤchlichen und reitzbaren Conſtitution, den Koͤrper in kurzer Zeit voͤllig zerruͤttet, ſo daß hierbey, nur wo das Le- bensalter etwas weiter vorgeruͤckt war, wo die Conſtitution urſpruͤnglich beſſer iſt, und die genaueſte Anordnung der Le- bensweiſe vom Arzte vorgeſchrieben und durchgeſetzt werden kann, auch der Krankheitszuſtand ſelbſt noch nicht allzulange angehalten hat, guͤnſtigere Hoffnungen gefaßt werden duͤrfen.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/129>, abgerufen am 21.11.2024.