Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits- verlaufs, woraus sich denn zugleich die Prognose mit ergeben wird. Zunächst aber bemerken wir, daß die Krank- heit häufig, und insbesondre wo sie bloße Folge rascher kör- perlicher Entwicklung ist, einen sehr gutartigen Charakter zeigt, und bald, vorzüglich nachdem die Menstruation wirk- lich erschienen, und in regelmäßigen Gang gekommen ist, wieder, ohne nachtheilige Folgen verschwindet; Fälle, bey welchen die Bleichsucht als wahre Uebergangsperiode erscheint und ganz den Moliminibus der Menstruation verglichen werden kann, ja oft eines derselben mit ausmacht. Langwie- riger und in ihren Zufällen beschwerlicher pflegt sie dagegen zu seyn, wenn die §. 218. erwähnten entfernten Ursachen der ersten Klasse auf einen schon von Anfang sehr reitzbaren und schwächlichen Körper in höherem Grade einwirkten, die Organe der Assimilation selbst bereits in ihrer Bildung um- geändert, die Gekrösdrüsen angeschwollen, die Verdauung zer- rüttet ist; auch hier freylich wird die Bleichsucht nicht an und für sich gefährlich werden, allein sie macht den Ueber- gang zu andern Cachexien, es entsteht Haut-, Brust- oder Bauchwassersucht, es bilden sich fauligte oder lentescirende Fieber, es entstehen Eiterungen in den Geburtstheilen, scor- butische Blutungen, Gangrän, und durch diese Zufälle stirbt die Kranke. Etwas weniger ungünstig ist meistens der Ver- lauf, wenn die Ursachen zweiter Klasse, und also mehr vom Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufälle sind hier oft mehr acuter Natur, Schwindel, Congestionen, Blutungen, werden hierbey häufiger beobachtet, diese Beschwerden indeß, wenn sie nur durch eine zweckmäßige Lebensweise geleitet werden, gleichen sich nach und nach wieder aus, vorzüglich wenn bereits die Menstruation früher im Gange gewesen ist. Nur wo die Verbildungen der Geschlechtstheile sehr beträcht- lich sind, die Krankheit bereits längere Zeit gedauert hat, scrofulöse Constitution und ungünstige äußere Verhältnisse die Heilung erschweren, wird die Prognose schlimmer, und ähn- liche Zufälle, wie die oben erwähnten, stehen zu besorgen, Daß übrigens auch bey beträchtlichen, aber die Operation
§. 219.
Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits- verlaufs, woraus ſich denn zugleich die Prognoſe mit ergeben wird. Zunaͤchſt aber bemerken wir, daß die Krank- heit haͤufig, und insbeſondre wo ſie bloße Folge raſcher koͤr- perlicher Entwicklung iſt, einen ſehr gutartigen Charakter zeigt, und bald, vorzuͤglich nachdem die Menſtruation wirk- lich erſchienen, und in regelmaͤßigen Gang gekommen iſt, wieder, ohne nachtheilige Folgen verſchwindet; Faͤlle, bey welchen die Bleichſucht als wahre Uebergangsperiode erſcheint und ganz den Moliminibus der Menſtruation verglichen werden kann, ja oft eines derſelben mit ausmacht. Langwie- riger und in ihren Zufaͤllen beſchwerlicher pflegt ſie dagegen zu ſeyn, wenn die §. 218. erwaͤhnten entfernten Urſachen der erſten Klaſſe auf einen ſchon von Anfang ſehr reitzbaren und ſchwaͤchlichen Koͤrper in hoͤherem Grade einwirkten, die Organe der Aſſimilation ſelbſt bereits in ihrer Bildung um- geaͤndert, die Gekroͤsdruͤſen angeſchwollen, die Verdauung zer- ruͤttet iſt; auch hier freylich wird die Bleichſucht nicht an und fuͤr ſich gefaͤhrlich werden, allein ſie macht den Ueber- gang zu andern Cachexien, es entſteht Haut-, Bruſt- oder Bauchwaſſerſucht, es bilden ſich fauligte oder lentescirende Fieber, es entſtehen Eiterungen in den Geburtstheilen, ſcor- butiſche Blutungen, Gangraͤn, und durch dieſe Zufaͤlle ſtirbt die Kranke. Etwas weniger unguͤnſtig iſt meiſtens der Ver- lauf, wenn die Urſachen zweiter Klaſſe, und alſo mehr vom Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufaͤlle ſind hier oft mehr acuter Natur, Schwindel, Congeſtionen, Blutungen, werden hierbey haͤufiger beobachtet, dieſe Beſchwerden indeß, wenn ſie nur durch eine zweckmaͤßige Lebensweiſe geleitet werden, gleichen ſich nach und nach wieder aus, vorzuͤglich wenn bereits die Menſtruation fruͤher im Gange geweſen iſt. Nur wo die Verbildungen der Geſchlechtstheile ſehr betraͤcht- lich ſind, die Krankheit bereits laͤngere Zeit gedauert hat, ſcrofuloͤſe Conſtitution und unguͤnſtige aͤußere Verhaͤltniſſe die Heilung erſchweren, wird die Prognoſe ſchlimmer, und aͤhn- liche Zufaͤlle, wie die oben erwaͤhnten, ſtehen zu beſorgen, Daß uͤbrigens auch bey betraͤchtlichen, aber die Operation
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§. 219.
Wir kommen nun zur Betrachtung des Krankheits-
verlaufs, woraus ſich denn zugleich die Prognoſe mit
ergeben wird. Zunaͤchſt aber bemerken wir, daß die Krank-
heit haͤufig, und insbeſondre wo ſie bloße Folge raſcher koͤr-
perlicher Entwicklung iſt, einen ſehr gutartigen Charakter
zeigt, und bald, vorzuͤglich nachdem die Menſtruation wirk-
lich erſchienen, und in regelmaͤßigen Gang gekommen iſt,
wieder, ohne nachtheilige Folgen verſchwindet; Faͤlle, bey
welchen die Bleichſucht als wahre Uebergangsperiode erſcheint
und ganz den Moliminibus der Menſtruation verglichen
werden kann, ja oft eines derſelben mit ausmacht. Langwie-
riger und in ihren Zufaͤllen beſchwerlicher pflegt ſie dagegen
zu ſeyn, wenn die §. 218. erwaͤhnten entfernten Urſachen
der erſten Klaſſe auf einen ſchon von Anfang ſehr reitzbaren
und ſchwaͤchlichen Koͤrper in hoͤherem Grade einwirkten, die
Organe der Aſſimilation ſelbſt bereits in ihrer Bildung um-
geaͤndert, die Gekroͤsdruͤſen angeſchwollen, die Verdauung zer-
ruͤttet iſt; auch hier freylich wird die Bleichſucht nicht an
und fuͤr ſich gefaͤhrlich werden, allein ſie macht den Ueber-
gang zu andern Cachexien, es entſteht Haut-, Bruſt- oder
Bauchwaſſerſucht, es bilden ſich fauligte oder lentescirende
Fieber, es entſtehen Eiterungen in den Geburtstheilen, ſcor-
butiſche Blutungen, Gangraͤn, und durch dieſe Zufaͤlle ſtirbt
die Kranke. Etwas weniger unguͤnſtig iſt meiſtens der Ver-
lauf, wenn die Urſachen zweiter Klaſſe, und alſo mehr vom
Organ aus, die Krankheit erregten; die Zufaͤlle ſind hier oft
mehr acuter Natur, Schwindel, Congeſtionen, Blutungen,
werden hierbey haͤufiger beobachtet, dieſe Beſchwerden indeß,
wenn ſie nur durch eine zweckmaͤßige Lebensweiſe geleitet
werden, gleichen ſich nach und nach wieder aus, vorzuͤglich
wenn bereits die Menſtruation fruͤher im Gange geweſen iſt.
Nur wo die Verbildungen der Geſchlechtstheile ſehr betraͤcht-
lich ſind, die Krankheit bereits laͤngere Zeit gedauert hat,
ſcrofuloͤſe Conſtitution und unguͤnſtige aͤußere Verhaͤltniſſe die
Heilung erſchweren, wird die Prognoſe ſchlimmer, und aͤhn-
liche Zufaͤlle, wie die oben erwaͤhnten, ſtehen zu beſorgen,
Daß uͤbrigens auch bey betraͤchtlichen, aber die Operation
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/184>, abgerufen am 21.11.2024.
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