dieses den Begriff des neuerlich so vielfach besprochenen thie- rischen Magnetismus, des Mesmerismus oder Lebensmagne- tismus; wirkt hingegen die Kraft der Vernunft des Arztes mit Freyheit auf die geistige Thätigkeit der Kranken gerichtet, auf die Verbesserung körperlicher Zustände, so nennen wir dieß die psychische Behandlung.
§. 272.
Was den thierischen Magnetismus betrifft, so wird wohl jetzt nicht leicht mehr irgend ein unpartheyischer Mann, welcher die verschiedenen Schriften *) über diesen Gegenstand verglichen, oder selbst einige Beobachtungen hierüber zu sammeln Gelegen- heit hatte, in Abrede stehen, daß die durch magnetische Ma- nipulation (deren ausführliche Beschreibung man ebenfalls in den unten angeführten Schriften nachsehen möge) hervor- gerufenen Zustände, nicht nur keineswegs etwa immer Täu- schung seyen, sondern höchst merkwürdige, oft den eben er- wähnten von selbst entstandenen ungewöhnlichen Phänomenen krankhaft aufgeregten Nervenlebens ähnliche Erscheinungen ab- geben. Es bestehen aber bekanntlich die an und in dem magnetisirten Individuum wahrzunehmenden Veränderungen zunächst im Gefühl vermehrter Wärme, wohlthätiger allgemei- ner Anfregung und nachfolgender Abspannung, endlich in ruhigem Schlaf, welcher dann oft in Schlafwachen, Ver- setzung der Sinne, Verzückung u. s. w. übergeht, immer aber erst wieder durch gewöhnlichen Schlaf in das Wachen zurück- geführt wird, und dadurch beweißt, daß (wie dieß nament- lich von H. Kieser dargestellt wurde) alle jene ungewöhn- lichen Erregungen des Nervenlebens der Nachtseite des
*)
Heilkraft des thierischen Organismus nach eigenen Erfahrungen v. D.Arnold Wienholt. 3 Thle. Versuch einer Darstellung des animalischen Magnetismus als Heil- mittel von C. A. F. Kluge. Berlin 1811. Ferner mehrere Zeitschriften, das ältere Archiv f. d. thier. Magne- tismus von Nordhoff, d. neuere von Kieser, Wolfarts Asklepiäon, ferner Brandis über psychische Heilmittel und Magne- tismus, 1818. und das neuere, besonders in Mesmers Geist be- arbeitete Werk über den Magnetismus von Ennemoser.
dieſes den Begriff des neuerlich ſo vielfach beſprochenen thie- riſchen Magnetismus, des Mesmerismus oder Lebensmagne- tismus; wirkt hingegen die Kraft der Vernunft des Arztes mit Freyheit auf die geiſtige Thaͤtigkeit der Kranken gerichtet, auf die Verbeſſerung koͤrperlicher Zuſtaͤnde, ſo nennen wir dieß die pſychiſche Behandlung.
§. 272.
Was den thieriſchen Magnetismus betrifft, ſo wird wohl jetzt nicht leicht mehr irgend ein unpartheyiſcher Mann, welcher die verſchiedenen Schriften *) uͤber dieſen Gegenſtand verglichen, oder ſelbſt einige Beobachtungen hieruͤber zu ſammeln Gelegen- heit hatte, in Abrede ſtehen, daß die durch magnetiſche Ma- nipulation (deren ausfuͤhrliche Beſchreibung man ebenfalls in den unten angefuͤhrten Schriften nachſehen moͤge) hervor- gerufenen Zuſtaͤnde, nicht nur keineswegs etwa immer Taͤu- ſchung ſeyen, ſondern hoͤchſt merkwuͤrdige, oft den eben er- waͤhnten von ſelbſt entſtandenen ungewoͤhnlichen Phaͤnomenen krankhaft aufgeregten Nervenlebens aͤhnliche Erſcheinungen ab- geben. Es beſtehen aber bekanntlich die an und in dem magnetiſirten Individuum wahrzunehmenden Veraͤnderungen zunaͤchſt im Gefuͤhl vermehrter Waͤrme, wohlthaͤtiger allgemei- ner Anfregung und nachfolgender Abſpannung, endlich in ruhigem Schlaf, welcher dann oft in Schlafwachen, Ver- ſetzung der Sinne, Verzuͤckung u. ſ. w. uͤbergeht, immer aber erſt wieder durch gewoͤhnlichen Schlaf in das Wachen zuruͤck- gefuͤhrt wird, und dadurch beweißt, daß (wie dieß nament- lich von H. Kieſer dargeſtellt wurde) alle jene ungewoͤhn- lichen Erregungen des Nervenlebens der Nachtſeite des
*)
Heilkraft des thieriſchen Organismus nach eigenen Erfahrungen v. D.Arnold Wienholt. 3 Thle. Verſuch einer Darſtellung des animaliſchen Magnetismus als Heil- mittel von C. A. F. Kluge. Berlin 1811. Ferner mehrere Zeitſchriften, das aͤltere Archiv f. d. thier. Magne- tismus von Nordhoff, d. neuere von Kieſer, Wolfarts Aſklepiaͤon, ferner Brandis uͤber pſychiſche Heilmittel und Magne- tismus, 1818. und das neuere, beſonders in Meſmers Geiſt be- arbeitete Werk uͤber den Magnetismus von Ennemoſer.
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dieſes den Begriff des neuerlich ſo vielfach beſprochenen thie-
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tismus; wirkt hingegen die Kraft der Vernunft des Arztes
mit Freyheit auf die geiſtige Thaͤtigkeit der Kranken gerichtet,
auf die Verbeſſerung koͤrperlicher Zuſtaͤnde, ſo nennen wir
dieß die pſychiſche Behandlung.
§. 272.
Was den thieriſchen Magnetismus betrifft, ſo wird wohl
jetzt nicht leicht mehr irgend ein unpartheyiſcher Mann, welcher
die verſchiedenen Schriften *) uͤber dieſen Gegenſtand verglichen,
oder ſelbſt einige Beobachtungen hieruͤber zu ſammeln Gelegen-
heit hatte, in Abrede ſtehen, daß die durch magnetiſche Ma-
nipulation (deren ausfuͤhrliche Beſchreibung man ebenfalls
in den unten angefuͤhrten Schriften nachſehen moͤge) hervor-
gerufenen Zuſtaͤnde, nicht nur keineswegs etwa immer Taͤu-
ſchung ſeyen, ſondern hoͤchſt merkwuͤrdige, oft den eben er-
waͤhnten von ſelbſt entſtandenen ungewoͤhnlichen Phaͤnomenen
krankhaft aufgeregten Nervenlebens aͤhnliche Erſcheinungen ab-
geben. Es beſtehen aber bekanntlich die an und in dem
magnetiſirten Individuum wahrzunehmenden Veraͤnderungen
zunaͤchſt im Gefuͤhl vermehrter Waͤrme, wohlthaͤtiger allgemei-
ner Anfregung und nachfolgender Abſpannung, endlich in
ruhigem Schlaf, welcher dann oft in Schlafwachen, Ver-
ſetzung der Sinne, Verzuͤckung u. ſ. w. uͤbergeht, immer aber
erſt wieder durch gewoͤhnlichen Schlaf in das Wachen zuruͤck-
gefuͤhrt wird, und dadurch beweißt, daß (wie dieß nament-
lich von H. Kieſer dargeſtellt wurde) alle jene ungewoͤhn-
lichen Erregungen des Nervenlebens der Nachtſeite des
*) Heilkraft des thieriſchen Organismus nach eigenen Erfahrungen v.
D. Arnold Wienholt. 3 Thle.
Verſuch einer Darſtellung des animaliſchen Magnetismus als Heil-
mittel von C. A. F. Kluge. Berlin 1811.
Ferner mehrere Zeitſchriften, das aͤltere Archiv f. d. thier. Magne-
tismus von Nordhoff, d. neuere von Kieſer, Wolfarts
Aſklepiaͤon, ferner Brandis uͤber pſychiſche Heilmittel und Magne-
tismus, 1818. und das neuere, beſonders in Meſmers Geiſt be-
arbeitete Werk uͤber den Magnetismus von Ennemoſer.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/231>, abgerufen am 16.02.2025.
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