auch wohl eines erfahrenen Geistlichen, sehr viel ausrichten. Außerdem sind mehrere andere entgegengesetzte, vorzüglich de- primirende Gemüthsbewegungen als Heilmittel zu Hülfe zu nehmen; hierher gehört namentlich in dem ersten Grade der Krankheit Erregung der Furcht vor den traurigen Ausgängen derselben, auch späterhin Schreck durch Drohungen.
§. 285.
In Rücksicht auf den Körper verlangt die Krankheit zunächst Entfernung fortwährend einwirkender localer Ursachen. Tragen die Personen Pessarien, so sind diese entweder ganz herauszunehmen (indem, wie oben bemerkt wurde, bey Ge- bärmuttervorfällen oft die Nymphomanie von selbst verschwand), oder, wenigstens wenn sie anderer Ursachen wegen nicht ganz entbehrt werden können, sind sie durch minder reitzende Un- terstützungsmittel, z. B. durch einen eingelegten Schwamm, zu ersetzen. Eben so müssen Wurmcomplicationen gehoben, Ausschlagskrankheiten, jedoch mit Vorsicht, geheilt werden. Scharfer weißer Fluß macht besonders häufige Reinigung der Genitalien durch kaltes Auswaschen mit bittern Decokten noth- wendig, obwohl Schleimflüße selbst, gleich andern vielleicht ein- tretenden Blutflüßen, hierbey nicht zu schnell unterdrückt werden dürfen. -- Wäre übrigens Entziehung des naturgemäßen oder gewohnten Geschlechtsgenußes Krankheitsursache, und hat das Uebel noch keinen höhern Grad erreicht, wie nament- lich gleich nach entwickelter Pubertät, so muß allerdings, wenn es sonstige Umstände erlauben, baldige Verheirathung empfohlen werden, indem dann oft die Veränderungen der Geburtstheile durch Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett das Uebel am gründlichsten heben können, dahingegen bey weiter vorgerückter Krankheit, auch die natürliche Befriedi- gung der Geschlechtslust nur die Krankheit erhöhen würde.
§. 286.
Ferner muß in Hinsicht der entzündlichen Natur der Krankheit außer dem oben erwähnten antiphlogistischen Regi- men vorzüglich auch eine antiphlogistische ärztliche Behand-
auch wohl eines erfahrenen Geiſtlichen, ſehr viel ausrichten. Außerdem ſind mehrere andere entgegengeſetzte, vorzuͤglich de- primirende Gemuͤthsbewegungen als Heilmittel zu Huͤlfe zu nehmen; hierher gehoͤrt namentlich in dem erſten Grade der Krankheit Erregung der Furcht vor den traurigen Ausgaͤngen derſelben, auch ſpaͤterhin Schreck durch Drohungen.
§. 285.
In Ruͤckſicht auf den Koͤrper verlangt die Krankheit zunaͤchſt Entfernung fortwaͤhrend einwirkender localer Urſachen. Tragen die Perſonen Peſſarien, ſo ſind dieſe entweder ganz herauszunehmen (indem, wie oben bemerkt wurde, bey Ge- baͤrmuttervorfaͤllen oft die Nymphomanie von ſelbſt verſchwand), oder, wenigſtens wenn ſie anderer Urſachen wegen nicht ganz entbehrt werden koͤnnen, ſind ſie durch minder reitzende Un- terſtuͤtzungsmittel, z. B. durch einen eingelegten Schwamm, zu erſetzen. Eben ſo muͤſſen Wurmcomplicationen gehoben, Ausſchlagskrankheiten, jedoch mit Vorſicht, geheilt werden. Scharfer weißer Fluß macht beſonders haͤufige Reinigung der Genitalien durch kaltes Auswaſchen mit bittern Decokten noth- wendig, obwohl Schleimfluͤße ſelbſt, gleich andern vielleicht ein- tretenden Blutfluͤßen, hierbey nicht zu ſchnell unterdruͤckt werden duͤrfen. — Waͤre uͤbrigens Entziehung des naturgemaͤßen oder gewohnten Geſchlechtsgenußes Krankheitsurſache, und hat das Uebel noch keinen hoͤhern Grad erreicht, wie nament- lich gleich nach entwickelter Pubertaͤt, ſo muß allerdings, wenn es ſonſtige Umſtaͤnde erlauben, baldige Verheirathung empfohlen werden, indem dann oft die Veraͤnderungen der Geburtstheile durch Schwangerſchaft, Geburt und Wochenbett das Uebel am gruͤndlichſten heben koͤnnen, dahingegen bey weiter vorgeruͤckter Krankheit, auch die natuͤrliche Befriedi- gung der Geſchlechtsluſt nur die Krankheit erhoͤhen wuͤrde.
§. 286.
Ferner muß in Hinſicht der entzuͤndlichen Natur der Krankheit außer dem oben erwaͤhnten antiphlogiſtiſchen Regi- men vorzuͤglich auch eine antiphlogiſtiſche aͤrztliche Behand-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><p><pbfacs="#f0243"n="223"/>
auch wohl eines erfahrenen Geiſtlichen, ſehr viel ausrichten.<lb/>
Außerdem ſind mehrere andere entgegengeſetzte, vorzuͤglich de-<lb/>
primirende Gemuͤthsbewegungen als Heilmittel zu Huͤlfe zu<lb/>
nehmen; hierher gehoͤrt namentlich in dem erſten Grade der<lb/>
Krankheit Erregung der Furcht vor den traurigen Ausgaͤngen<lb/>
derſelben, auch ſpaͤterhin Schreck durch Drohungen.</p></div><lb/><divn="8"><head>§. 285.</head><lb/><p>In Ruͤckſicht auf den Koͤrper verlangt die Krankheit<lb/>
zunaͤchſt Entfernung fortwaͤhrend einwirkender localer Urſachen.<lb/>
Tragen die Perſonen Peſſarien, ſo ſind dieſe entweder ganz<lb/>
herauszunehmen (indem, wie oben bemerkt wurde, bey Ge-<lb/>
baͤrmuttervorfaͤllen oft die Nymphomanie von ſelbſt verſchwand),<lb/>
oder, wenigſtens wenn ſie anderer Urſachen wegen nicht ganz<lb/>
entbehrt werden koͤnnen, ſind ſie durch minder reitzende Un-<lb/>
terſtuͤtzungsmittel, z. B. durch einen eingelegten Schwamm,<lb/>
zu erſetzen. Eben ſo muͤſſen Wurmcomplicationen gehoben,<lb/>
Ausſchlagskrankheiten, jedoch mit Vorſicht, geheilt werden.<lb/>
Scharfer weißer Fluß macht beſonders haͤufige Reinigung der<lb/>
Genitalien durch kaltes Auswaſchen mit bittern Decokten noth-<lb/>
wendig, obwohl Schleimfluͤße ſelbſt, gleich andern vielleicht ein-<lb/>
tretenden Blutfluͤßen, hierbey nicht zu ſchnell unterdruͤckt werden<lb/>
duͤrfen. — Waͤre uͤbrigens Entziehung des naturgemaͤßen<lb/>
oder gewohnten Geſchlechtsgenußes Krankheitsurſache, und<lb/>
hat das Uebel noch keinen hoͤhern Grad erreicht, wie nament-<lb/>
lich gleich nach entwickelter Pubertaͤt, ſo muß allerdings,<lb/>
wenn es ſonſtige Umſtaͤnde erlauben, baldige Verheirathung<lb/>
empfohlen werden, indem dann oft die Veraͤnderungen der<lb/>
Geburtstheile durch Schwangerſchaft, Geburt und Wochenbett<lb/>
das Uebel am gruͤndlichſten heben koͤnnen, dahingegen bey<lb/>
weiter vorgeruͤckter Krankheit, auch die natuͤrliche Befriedi-<lb/>
gung der Geſchlechtsluſt nur die Krankheit erhoͤhen wuͤrde.</p></div><lb/><divn="8"><head>§. 286.</head><lb/><p>Ferner muß in Hinſicht der entzuͤndlichen Natur der<lb/>
Krankheit außer dem oben erwaͤhnten antiphlogiſtiſchen Regi-<lb/>
men vorzuͤglich auch eine antiphlogiſtiſche aͤrztliche Behand-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[223/0243]
auch wohl eines erfahrenen Geiſtlichen, ſehr viel ausrichten.
Außerdem ſind mehrere andere entgegengeſetzte, vorzuͤglich de-
primirende Gemuͤthsbewegungen als Heilmittel zu Huͤlfe zu
nehmen; hierher gehoͤrt namentlich in dem erſten Grade der
Krankheit Erregung der Furcht vor den traurigen Ausgaͤngen
derſelben, auch ſpaͤterhin Schreck durch Drohungen.
§. 285.
In Ruͤckſicht auf den Koͤrper verlangt die Krankheit
zunaͤchſt Entfernung fortwaͤhrend einwirkender localer Urſachen.
Tragen die Perſonen Peſſarien, ſo ſind dieſe entweder ganz
herauszunehmen (indem, wie oben bemerkt wurde, bey Ge-
baͤrmuttervorfaͤllen oft die Nymphomanie von ſelbſt verſchwand),
oder, wenigſtens wenn ſie anderer Urſachen wegen nicht ganz
entbehrt werden koͤnnen, ſind ſie durch minder reitzende Un-
terſtuͤtzungsmittel, z. B. durch einen eingelegten Schwamm,
zu erſetzen. Eben ſo muͤſſen Wurmcomplicationen gehoben,
Ausſchlagskrankheiten, jedoch mit Vorſicht, geheilt werden.
Scharfer weißer Fluß macht beſonders haͤufige Reinigung der
Genitalien durch kaltes Auswaſchen mit bittern Decokten noth-
wendig, obwohl Schleimfluͤße ſelbſt, gleich andern vielleicht ein-
tretenden Blutfluͤßen, hierbey nicht zu ſchnell unterdruͤckt werden
duͤrfen. — Waͤre uͤbrigens Entziehung des naturgemaͤßen
oder gewohnten Geſchlechtsgenußes Krankheitsurſache, und
hat das Uebel noch keinen hoͤhern Grad erreicht, wie nament-
lich gleich nach entwickelter Pubertaͤt, ſo muß allerdings,
wenn es ſonſtige Umſtaͤnde erlauben, baldige Verheirathung
empfohlen werden, indem dann oft die Veraͤnderungen der
Geburtstheile durch Schwangerſchaft, Geburt und Wochenbett
das Uebel am gruͤndlichſten heben koͤnnen, dahingegen bey
weiter vorgeruͤckter Krankheit, auch die natuͤrliche Befriedi-
gung der Geſchlechtsluſt nur die Krankheit erhoͤhen wuͤrde.
§. 286.
Ferner muß in Hinſicht der entzuͤndlichen Natur der
Krankheit außer dem oben erwaͤhnten antiphlogiſtiſchen Regi-
men vorzuͤglich auch eine antiphlogiſtiſche aͤrztliche Behand-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/243>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.