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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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durch Mißverhältniß beiderseitiger Geschlechtstheile *), durch
Abneigung zweier Gatten, oder durch männliche Impotenz
verhindert wird, indem unter solchen Umständen wohl die
Ehe, aber nicht das Weib unfruchtbar seyn kann, über
welche Verhältnisse die nähere Erörterung in die gerichtliche
Medicin gehört **).

§. 288.

Die Unfruchtbarkeit des Weibes ist nun aber eigentlich
nicht an und für sich als Krankheit zu betrachten,
sondern kann vielmehr nur die Folge allgemeiner oder
örtlicher Krankheitszustände
seyn, welche jedoch, da
ihnen diese für das weibliche Leben so einflußreiche Wirkung
gemeinsam ist, unter diesem Gesichtspunkt besonders zusam-
mengestellt zu werden verdienen. Es gehören aber hierher:
1) allgemeine sehr phlegmatische oder mehr männliche Con-
stitution, oft durch mangelnde Menstruation und sehr schwa-
chen oder gänzlich fehlenden Geschlechtstrieb noch näher
charakterisirt. 2) Ursprüngliche bedeutende Bildungsfehler der
Geschlechtstheile, als Mangel der Ovarien, der Gebärmutter,
bedeutende Verwachsungen der Vagina oder des Muttermun-
des (obwohl wir schon früher bemerkt haben, daß diese Ver-
wachsungen allein doch wohl die Conception nicht immer un-
möglich machen [s. Anmerk. zu §. 139.], wohin auch ein von
H. Osiander ***) erzählter, und ein noch wichtigerer von

*) Einen Fall dieser Art s. in Stark's neuem Archiv f. Geburts-
hülfe. I. Bd. IV. St. S. 376.
**) S. darüber den 7. Abschnitt in dem kurzgefaßten System der ge-
richtlichen Arzneywissenschaft von J. D. Metzger. Vierte, von
Gruner besorgte Auflage. 1814.
***) Dessen neue Denkwürdigkeiten. I. Thl. 1s Hft. S. 259. Eine
Person hatte vor 8 Jahren zum zweiten Male geboren, und war
4 Jahre nachher von venerischer Krätze, weißem Fluß und Augen-
entzündung durch Quecksilber gründlich kurirt worden, dann wohl
gewesen, nun schwanger geworden, hatte auch in der Schwanger-
schaft nichts krankhaftes empfunden, und demohnerachtet fand man
die Vagina über zwei Zoll lang verwachsen. Hätte hier nicht ver-
muthet werden sollen, daß die Verwachsung während der Syphilis
I. Theil. 15

durch Mißverhaͤltniß beiderſeitiger Geſchlechtstheile *), durch
Abneigung zweier Gatten, oder durch maͤnnliche Impotenz
verhindert wird, indem unter ſolchen Umſtaͤnden wohl die
Ehe, aber nicht das Weib unfruchtbar ſeyn kann, uͤber
welche Verhaͤltniſſe die naͤhere Eroͤrterung in die gerichtliche
Medicin gehoͤrt **).

§. 288.

Die Unfruchtbarkeit des Weibes iſt nun aber eigentlich
nicht an und fuͤr ſich als Krankheit zu betrachten,
ſondern kann vielmehr nur die Folge allgemeiner oder
oͤrtlicher Krankheitszuſtaͤnde
ſeyn, welche jedoch, da
ihnen dieſe fuͤr das weibliche Leben ſo einflußreiche Wirkung
gemeinſam iſt, unter dieſem Geſichtspunkt beſonders zuſam-
mengeſtellt zu werden verdienen. Es gehoͤren aber hierher:
1) allgemeine ſehr phlegmatiſche oder mehr maͤnnliche Con-
ſtitution, oft durch mangelnde Menſtruation und ſehr ſchwa-
chen oder gaͤnzlich fehlenden Geſchlechtstrieb noch naͤher
charakteriſirt. 2) Urſpruͤngliche bedeutende Bildungsfehler der
Geſchlechtstheile, als Mangel der Ovarien, der Gebaͤrmutter,
bedeutende Verwachſungen der Vagina oder des Muttermun-
des (obwohl wir ſchon fruͤher bemerkt haben, daß dieſe Ver-
wachſungen allein doch wohl die Conception nicht immer un-
moͤglich machen [ſ. Anmerk. zu §. 139.], wohin auch ein von
H. Oſiander ***) erzaͤhlter, und ein noch wichtigerer von

*) Einen Fall dieſer Art ſ. in Stark’s neuem Archiv f. Geburts-
huͤlfe. I. Bd. IV. St. S. 376.
**) S. daruͤber den 7. Abſchnitt in dem kurzgefaßten Syſtem der ge-
richtlichen Arzneywiſſenſchaft von J. D. Metzger. Vierte, von
Gruner beſorgte Auflage. 1814.
***) Deſſen neue Denkwuͤrdigkeiten. I. Thl. 1s Hft. S. 259. Eine
Perſon hatte vor 8 Jahren zum zweiten Male geboren, und war
4 Jahre nachher von veneriſcher Kraͤtze, weißem Fluß und Augen-
entzuͤndung durch Queckſilber gruͤndlich kurirt worden, dann wohl
geweſen, nun ſchwanger geworden, hatte auch in der Schwanger-
ſchaft nichts krankhaftes empfunden, und demohnerachtet fand man
die Vagina uͤber zwei Zoll lang verwachſen. Haͤtte hier nicht ver-
muthet werden ſollen, daß die Verwachſung waͤhrend der Syphilis
I. Theil. 15
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[225/0245] durch Mißverhaͤltniß beiderſeitiger Geſchlechtstheile *), durch Abneigung zweier Gatten, oder durch maͤnnliche Impotenz verhindert wird, indem unter ſolchen Umſtaͤnden wohl die Ehe, aber nicht das Weib unfruchtbar ſeyn kann, uͤber welche Verhaͤltniſſe die naͤhere Eroͤrterung in die gerichtliche Medicin gehoͤrt **). §. 288. Die Unfruchtbarkeit des Weibes iſt nun aber eigentlich nicht an und fuͤr ſich als Krankheit zu betrachten, ſondern kann vielmehr nur die Folge allgemeiner oder oͤrtlicher Krankheitszuſtaͤnde ſeyn, welche jedoch, da ihnen dieſe fuͤr das weibliche Leben ſo einflußreiche Wirkung gemeinſam iſt, unter dieſem Geſichtspunkt beſonders zuſam- mengeſtellt zu werden verdienen. Es gehoͤren aber hierher: 1) allgemeine ſehr phlegmatiſche oder mehr maͤnnliche Con- ſtitution, oft durch mangelnde Menſtruation und ſehr ſchwa- chen oder gaͤnzlich fehlenden Geſchlechtstrieb noch naͤher charakteriſirt. 2) Urſpruͤngliche bedeutende Bildungsfehler der Geſchlechtstheile, als Mangel der Ovarien, der Gebaͤrmutter, bedeutende Verwachſungen der Vagina oder des Muttermun- des (obwohl wir ſchon fruͤher bemerkt haben, daß dieſe Ver- wachſungen allein doch wohl die Conception nicht immer un- moͤglich machen [ſ. Anmerk. zu §. 139.], wohin auch ein von H. Oſiander ***) erzaͤhlter, und ein noch wichtigerer von *) Einen Fall dieſer Art ſ. in Stark’s neuem Archiv f. Geburts- huͤlfe. I. Bd. IV. St. S. 376. **) S. daruͤber den 7. Abſchnitt in dem kurzgefaßten Syſtem der ge- richtlichen Arzneywiſſenſchaft von J. D. Metzger. Vierte, von Gruner beſorgte Auflage. 1814. ***) Deſſen neue Denkwuͤrdigkeiten. I. Thl. 1s Hft. S. 259. Eine Perſon hatte vor 8 Jahren zum zweiten Male geboren, und war 4 Jahre nachher von veneriſcher Kraͤtze, weißem Fluß und Augen- entzuͤndung durch Queckſilber gruͤndlich kurirt worden, dann wohl geweſen, nun ſchwanger geworden, hatte auch in der Schwanger- ſchaft nichts krankhaftes empfunden, und demohnerachtet fand man die Vagina uͤber zwei Zoll lang verwachſen. Haͤtte hier nicht ver- muthet werden ſollen, daß die Verwachſung waͤhrend der Syphilis I. Theil. 15

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/245>, abgerufen am 24.11.2024.