Die Eintheilung der Gynäkologie wird sich aus einer Erwägung der verschiedenen Lebenszustände des weiblichen Körpers leicht ergeben, und vollkommen wissenschaftlich d. i. streng logisch seyn können, was bisher in der gesonderten Be- handlung ihrer Theile nirgends möglich war. -- Sie zerfällt aber zuvörderst in einen allgemeinen und speciellen Theil, von welchen der ersterea) den besondern Bau des weiblichen Körpers und seine allgemeinern Lebensverhältnisse b) den gemeinsamen Charakter seiner Krankheiten c) die allge- meinen Grundsätze der Behandlung dieser Krankheiten und der weiblichen Natur im Allgemeinen umfassen muß. -- Die spe- cielle Gynäkologie hingegen betrachtet den weiblichen Kör- per als begriffen in seinen besondern Verrichtungen und zwar er- stens den Verlauf seiner Lebenserscheinungen im gesunden und kranken Zustande blos an und für sich, ohne Rücksicht auf die Zustände erhöhter Geschlechtsthätigkeit bey Schwangerschaft, Ge- burt u. s. w., indem der ganze Kreis des weiblichen Lebens al- lerdings beschlossen werden kann, ohne daß diese Zustände ein- traten. Es würden aber drei Perioden in diesem Leben zu un- terscheiden seyn: a) die der Entwicklung, oder der Kindheit b) die der Geschlechtsreife und c) die des Absterbens der Ge- schlechtsfunktion oder des Alters.
§. 10.
Zweitens aber wird es Gegenstand der Gynäkologie, das weibliche Leben in dem ihm eigenthümlichsten Zustande er- höhter Geschlechtsthätigkeit, d. i. in dem Verhältnisse zu einem Erzeugten, und zwar gleichfalls im normalen und abnormen Gange zu betrachten. Es gehört folglich hierher die Geschichte der Schwangerschaft, Geburt und des Wochenbetts; dreier Pe- rioden des weiblichen Lebens, welche auf das Bestimmteste jenen allgemeinen Lebenskreis wiederholen, und einen nicht minder be- schlossenen Ring darstellen, in welchem die Schwangerschaft der allgemeinen Körperentwicklung, die Geburt der Geschlechtsreife, so wie das Wochenbett und die Stillungsperiode, als Uebergang und
§. 9.
Die Eintheilung der Gynaͤkologie wird ſich aus einer Erwaͤgung der verſchiedenen Lebenszuſtaͤnde des weiblichen Koͤrpers leicht ergeben, und vollkommen wiſſenſchaftlich d. i. ſtreng logiſch ſeyn koͤnnen, was bisher in der geſonderten Be- handlung ihrer Theile nirgends moͤglich war. — Sie zerfaͤllt aber zuvoͤrderſt in einen allgemeinen und ſpeciellen Theil, von welchen der erſterea) den beſondern Bau des weiblichen Koͤrpers und ſeine allgemeinern Lebensverhaͤltniſſe b) den gemeinſamen Charakter ſeiner Krankheiten c) die allge- meinen Grundſaͤtze der Behandlung dieſer Krankheiten und der weiblichen Natur im Allgemeinen umfaſſen muß. — Die ſpe- cielle Gynaͤkologie hingegen betrachtet den weiblichen Koͤr- per als begriffen in ſeinen beſondern Verrichtungen und zwar er- ſtens den Verlauf ſeiner Lebenserſcheinungen im geſunden und kranken Zuſtande blos an und fuͤr ſich, ohne Ruͤckſicht auf die Zuſtaͤnde erhoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit bey Schwangerſchaft, Ge- burt u. ſ. w., indem der ganze Kreis des weiblichen Lebens al- lerdings beſchloſſen werden kann, ohne daß dieſe Zuſtaͤnde ein- traten. Es wuͤrden aber drei Perioden in dieſem Leben zu un- terſcheiden ſeyn: a) die der Entwicklung, oder der Kindheit b) die der Geſchlechtsreife und c) die des Abſterbens der Ge- ſchlechtsfunktion oder des Alters.
§. 10.
Zweitens aber wird es Gegenſtand der Gynaͤkologie, das weibliche Leben in dem ihm eigenthuͤmlichſten Zuſtande er- hoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit, d. i. in dem Verhaͤltniſſe zu einem Erzeugten, und zwar gleichfalls im normalen und abnormen Gange zu betrachten. Es gehoͤrt folglich hierher die Geſchichte der Schwangerſchaft, Geburt und des Wochenbetts; dreier Pe- rioden des weiblichen Lebens, welche auf das Beſtimmteſte jenen allgemeinen Lebenskreis wiederholen, und einen nicht minder be- ſchloſſenen Ring darſtellen, in welchem die Schwangerſchaft der allgemeinen Koͤrperentwicklung, die Geburt der Geſchlechtsreife, ſo wie das Wochenbett und die Stillungsperiode, als Uebergang und
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§. 9.
Die Eintheilung der Gynaͤkologie wird ſich aus
einer Erwaͤgung der verſchiedenen Lebenszuſtaͤnde des weiblichen
Koͤrpers leicht ergeben, und vollkommen wiſſenſchaftlich d. i.
ſtreng logiſch ſeyn koͤnnen, was bisher in der geſonderten Be-
handlung ihrer Theile nirgends moͤglich war. — Sie zerfaͤllt
aber zuvoͤrderſt in einen allgemeinen und ſpeciellen
Theil, von welchen der erſtere a) den beſondern Bau des
weiblichen Koͤrpers und ſeine allgemeinern Lebensverhaͤltniſſe
b) den gemeinſamen Charakter ſeiner Krankheiten c) die allge-
meinen Grundſaͤtze der Behandlung dieſer Krankheiten und der
weiblichen Natur im Allgemeinen umfaſſen muß. — Die ſpe-
cielle Gynaͤkologie hingegen betrachtet den weiblichen Koͤr-
per als begriffen in ſeinen beſondern Verrichtungen und zwar er-
ſtens den Verlauf ſeiner Lebenserſcheinungen im geſunden und
kranken Zuſtande blos an und fuͤr ſich, ohne Ruͤckſicht auf die
Zuſtaͤnde erhoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit bey Schwangerſchaft, Ge-
burt u. ſ. w., indem der ganze Kreis des weiblichen Lebens al-
lerdings beſchloſſen werden kann, ohne daß dieſe Zuſtaͤnde ein-
traten. Es wuͤrden aber drei Perioden in dieſem Leben zu un-
terſcheiden ſeyn: a) die der Entwicklung, oder der Kindheit
b) die der Geſchlechtsreife und c) die des Abſterbens der Ge-
ſchlechtsfunktion oder des Alters.
§. 10.
Zweitens aber wird es Gegenſtand der Gynaͤkologie,
das weibliche Leben in dem ihm eigenthuͤmlichſten Zuſtande er-
hoͤhter Geſchlechtsthaͤtigkeit, d. i. in dem Verhaͤltniſſe zu einem
Erzeugten, und zwar gleichfalls im normalen und abnormen
Gange zu betrachten. Es gehoͤrt folglich hierher die Geſchichte
der Schwangerſchaft, Geburt und des Wochenbetts; dreier Pe-
rioden des weiblichen Lebens, welche auf das Beſtimmteſte jenen
allgemeinen Lebenskreis wiederholen, und einen nicht minder be-
ſchloſſenen Ring darſtellen, in welchem die Schwangerſchaft der
allgemeinen Koͤrperentwicklung, die Geburt der Geſchlechtsreife,
ſo wie das Wochenbett und die Stillungsperiode, als Uebergang und
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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