Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Krankheitszustände der einzelnen weiblichen
Geschlechtsorgane.
§. 326.

Wir dürfen es als ein Gesetz für die Lebenserscheinung
menschlicher Organisation betrachten, daß je vollkommner eine
gewisse Seite derselben der vegetativen Sphäre angehört, sie
um so mehr der Einwirkung äußerer Natur, folglich auch
den schädlichen Einflüßen der Außenwelt unterworfen, um so
mehr zu Krankheiten geneigt sey; und zwar dieses in demselben
Grade als die Thätigkeit, die Wichtigkeit dieses Organs ge-
steigert ist. Daher z. B. die so vielfachen und so häufigen
Krankheiten der Verdauungswerkzeuge, welche mehr als alle
andere Systeme denselben ausgesetzt sind, daher aber auch
im weiblichen Geschlecht, wo die Geschlechtsfunktion, wie
schon früher bemerkt wurde, allerdings tiefer in das gesammte
Leben eingreift als im männlichen, das öftere Vorkommen
der Krankheiten der Geschlechtsorgane, unter welchen Orga-
nen sodann wieder keines häufiger und auf so verschiedenar-
tige Weise afficirt wird als der Uterus, eben weil er, wenn
auch nicht die Wurzel (denn diese liegt in den Ovarien),
doch den eigentlichen Heerd geschlechtlicher Produktivität ent-
hält. -- Unter den Abnormitäten nun, welche der Uterus
und zum Theil auch die übrigen Geschlechtsorgane darbieten,
hat man, in sofern der nicht schwangere Zustand berücksichtigt
wird, vorzüglich zweierley Klassen, nämlich Abnormitäten
ihres Bildungslebens
und Abnormitäten ihres räum-
lichen Verhältnisses zu andern Organen, d. i. ihrer Lage
zu unterscheiden. -- Zu den erstern gehören theils die Er-
scheinungen abnorm aufgeregter Gefäßthätigkeit, als Ent-
zündungen, Blutungen, abnorme Sekretionen
, und
die Folgen der abnorm aufgeregten Gefäßthätigkeit: Eite-
rungen, Geschwülste, Auswüchse, Wasseranhäu-
fungen, Verhärtungen, Krebsgeschwüre
; zu den
letztern gehören die Senkungen (namentlich in Bruchge-
schwülste), und die vorzüglich auf den Uterus, zum Theil
auch auf die Vagina sich beschränkenden Vorfälle, Vor-

II. Krankheitszuſtaͤnde der einzelnen weiblichen
Geſchlechtsorgane.
§. 326.

Wir duͤrfen es als ein Geſetz fuͤr die Lebenserſcheinung
menſchlicher Organiſation betrachten, daß je vollkommner eine
gewiſſe Seite derſelben der vegetativen Sphaͤre angehoͤrt, ſie
um ſo mehr der Einwirkung aͤußerer Natur, folglich auch
den ſchaͤdlichen Einfluͤßen der Außenwelt unterworfen, um ſo
mehr zu Krankheiten geneigt ſey; und zwar dieſes in demſelben
Grade als die Thaͤtigkeit, die Wichtigkeit dieſes Organs ge-
ſteigert iſt. Daher z. B. die ſo vielfachen und ſo haͤufigen
Krankheiten der Verdauungswerkzeuge, welche mehr als alle
andere Syſteme denſelben ausgeſetzt ſind, daher aber auch
im weiblichen Geſchlecht, wo die Geſchlechtsfunktion, wie
ſchon fruͤher bemerkt wurde, allerdings tiefer in das geſammte
Leben eingreift als im maͤnnlichen, das oͤftere Vorkommen
der Krankheiten der Geſchlechtsorgane, unter welchen Orga-
nen ſodann wieder keines haͤufiger und auf ſo verſchiedenar-
tige Weiſe afficirt wird als der Uterus, eben weil er, wenn
auch nicht die Wurzel (denn dieſe liegt in den Ovarien),
doch den eigentlichen Heerd geſchlechtlicher Produktivitaͤt ent-
haͤlt. — Unter den Abnormitaͤten nun, welche der Uterus
und zum Theil auch die uͤbrigen Geſchlechtsorgane darbieten,
hat man, in ſofern der nicht ſchwangere Zuſtand beruͤckſichtigt
wird, vorzuͤglich zweierley Klaſſen, naͤmlich Abnormitaͤten
ihres Bildungslebens
und Abnormitaͤten ihres raͤum-
lichen Verhaͤltniſſes zu andern Organen, d. i. ihrer Lage
zu unterſcheiden. — Zu den erſtern gehoͤren theils die Er-
ſcheinungen abnorm aufgeregter Gefaͤßthaͤtigkeit, als Ent-
zuͤndungen, Blutungen, abnorme Sekretionen
, und
die Folgen der abnorm aufgeregten Gefaͤßthaͤtigkeit: Eite-
rungen, Geſchwuͤlſte, Auswuͤchſe, Waſſeranhaͤu-
fungen, Verhaͤrtungen, Krebsgeſchwuͤre
; zu den
letztern gehoͤren die Senkungen (namentlich in Bruchge-
ſchwuͤlſte), und die vorzuͤglich auf den Uterus, zum Theil
auch auf die Vagina ſich beſchraͤnkenden Vorfaͤlle, Vor-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0273" n="253"/>
                <div n="6">
                  <head><hi rendition="#aq">II.</hi> Krankheitszu&#x017F;ta&#x0364;nde der einzelnen weiblichen<lb/>
Ge&#x017F;chlechtsorgane.</head><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 326.</head><lb/>
                    <p>Wir du&#x0364;rfen es als ein Ge&#x017F;etz fu&#x0364;r die Lebenser&#x017F;cheinung<lb/>
men&#x017F;chlicher Organi&#x017F;ation betrachten, daß je vollkommner eine<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e Seite der&#x017F;elben der vegetativen Spha&#x0364;re angeho&#x0364;rt, &#x017F;ie<lb/>
um &#x017F;o mehr der Einwirkung a&#x0364;ußerer Natur, folglich auch<lb/>
den &#x017F;cha&#x0364;dlichen Einflu&#x0364;ßen der Außenwelt unterworfen, um &#x017F;o<lb/>
mehr zu Krankheiten geneigt &#x017F;ey; und zwar die&#x017F;es in dem&#x017F;elben<lb/>
Grade als die Tha&#x0364;tigkeit, die Wichtigkeit die&#x017F;es Organs ge-<lb/>
&#x017F;teigert i&#x017F;t. Daher z. B. die &#x017F;o vielfachen und &#x017F;o ha&#x0364;ufigen<lb/>
Krankheiten der Verdauungswerkzeuge, welche mehr als alle<lb/>
andere Sy&#x017F;teme den&#x017F;elben ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind, daher aber auch<lb/>
im weiblichen Ge&#x017F;chlecht, wo die Ge&#x017F;chlechtsfunktion, wie<lb/>
&#x017F;chon fru&#x0364;her bemerkt wurde, allerdings tiefer in das ge&#x017F;ammte<lb/>
Leben eingreift als im ma&#x0364;nnlichen, das o&#x0364;ftere Vorkommen<lb/>
der Krankheiten der Ge&#x017F;chlechtsorgane, unter welchen Orga-<lb/>
nen &#x017F;odann wieder keines ha&#x0364;ufiger und auf &#x017F;o ver&#x017F;chiedenar-<lb/>
tige Wei&#x017F;e afficirt wird als der Uterus, eben weil er, wenn<lb/>
auch nicht die Wurzel (denn die&#x017F;e liegt in den Ovarien),<lb/>
doch den eigentlichen Heerd ge&#x017F;chlechtlicher Produktivita&#x0364;t ent-<lb/>
ha&#x0364;lt. &#x2014; Unter den Abnormita&#x0364;ten nun, welche der Uterus<lb/>
und zum Theil auch die u&#x0364;brigen Ge&#x017F;chlechtsorgane darbieten,<lb/>
hat man, in &#x017F;ofern der nicht &#x017F;chwangere Zu&#x017F;tand beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigt<lb/>
wird, vorzu&#x0364;glich zweierley Kla&#x017F;&#x017F;en, na&#x0364;mlich <hi rendition="#g">Abnormita&#x0364;ten<lb/>
ihres Bildungslebens</hi> und <hi rendition="#g">Abnormita&#x0364;ten</hi> ihres ra&#x0364;um-<lb/>
lichen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;es zu andern Organen, d. i. <hi rendition="#g">ihrer Lage</hi><lb/>
zu unter&#x017F;cheiden. &#x2014; Zu den er&#x017F;tern geho&#x0364;ren theils die Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen abnorm aufgeregter Gefa&#x0364;ßtha&#x0364;tigkeit, als <hi rendition="#g">Ent-<lb/>
zu&#x0364;ndungen, Blutungen, abnorme Sekretionen</hi>, und<lb/>
die <hi rendition="#g">Folgen</hi> der abnorm aufgeregten Gefa&#x0364;ßtha&#x0364;tigkeit: <hi rendition="#g">Eite-<lb/>
rungen, Ge&#x017F;chwu&#x0364;l&#x017F;te, Auswu&#x0364;ch&#x017F;e, Wa&#x017F;&#x017F;eranha&#x0364;u-<lb/>
fungen, Verha&#x0364;rtungen, Krebsge&#x017F;chwu&#x0364;re</hi>; zu den<lb/>
letztern geho&#x0364;ren die <hi rendition="#g">Senkungen</hi> (namentlich in Bruchge-<lb/>
&#x017F;chwu&#x0364;l&#x017F;te), und die vorzu&#x0364;glich auf den Uterus, zum Theil<lb/>
auch auf die Vagina &#x017F;ich be&#x017F;chra&#x0364;nkenden <hi rendition="#g">Vorfa&#x0364;lle, Vor-<lb/></hi></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0273] II. Krankheitszuſtaͤnde der einzelnen weiblichen Geſchlechtsorgane. §. 326. Wir duͤrfen es als ein Geſetz fuͤr die Lebenserſcheinung menſchlicher Organiſation betrachten, daß je vollkommner eine gewiſſe Seite derſelben der vegetativen Sphaͤre angehoͤrt, ſie um ſo mehr der Einwirkung aͤußerer Natur, folglich auch den ſchaͤdlichen Einfluͤßen der Außenwelt unterworfen, um ſo mehr zu Krankheiten geneigt ſey; und zwar dieſes in demſelben Grade als die Thaͤtigkeit, die Wichtigkeit dieſes Organs ge- ſteigert iſt. Daher z. B. die ſo vielfachen und ſo haͤufigen Krankheiten der Verdauungswerkzeuge, welche mehr als alle andere Syſteme denſelben ausgeſetzt ſind, daher aber auch im weiblichen Geſchlecht, wo die Geſchlechtsfunktion, wie ſchon fruͤher bemerkt wurde, allerdings tiefer in das geſammte Leben eingreift als im maͤnnlichen, das oͤftere Vorkommen der Krankheiten der Geſchlechtsorgane, unter welchen Orga- nen ſodann wieder keines haͤufiger und auf ſo verſchiedenar- tige Weiſe afficirt wird als der Uterus, eben weil er, wenn auch nicht die Wurzel (denn dieſe liegt in den Ovarien), doch den eigentlichen Heerd geſchlechtlicher Produktivitaͤt ent- haͤlt. — Unter den Abnormitaͤten nun, welche der Uterus und zum Theil auch die uͤbrigen Geſchlechtsorgane darbieten, hat man, in ſofern der nicht ſchwangere Zuſtand beruͤckſichtigt wird, vorzuͤglich zweierley Klaſſen, naͤmlich Abnormitaͤten ihres Bildungslebens und Abnormitaͤten ihres raͤum- lichen Verhaͤltniſſes zu andern Organen, d. i. ihrer Lage zu unterſcheiden. — Zu den erſtern gehoͤren theils die Er- ſcheinungen abnorm aufgeregter Gefaͤßthaͤtigkeit, als Ent- zuͤndungen, Blutungen, abnorme Sekretionen, und die Folgen der abnorm aufgeregten Gefaͤßthaͤtigkeit: Eite- rungen, Geſchwuͤlſte, Auswuͤchſe, Waſſeranhaͤu- fungen, Verhaͤrtungen, Krebsgeſchwuͤre; zu den letztern gehoͤren die Senkungen (namentlich in Bruchge- ſchwuͤlſte), und die vorzuͤglich auf den Uterus, zum Theil auch auf die Vagina ſich beſchraͤnkenden Vorfaͤlle, Vor-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/273
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/273>, abgerufen am 22.11.2024.