Durch diese Ansicht scheint zugleich die acute Natur, die Intensität der wahren Entzündung verständlich zu werden, in- dem es deutlich ist, daß gerade dieses Beschränken, dieses Concentriren, welches der Entzündung natürlich ist, die Hef- tigkeit der Zufälle und die so leicht daran sich anknüpfende Erscheinung wahrer innerer Zerstörung, entweder durch orga- nische Zurückbildung in einen körperlichen flüßigen Urstoff (Eiterung), oder durch unorganische fäulnißartige Auflösung (Brand) bedingen muß, weßhalb wir auch Zertheilung, Ei- terung und Brand als die drei eigentlich der Natur der Ent- zündung allein rein angehörenden Ausgänge betrachten, Aus- schwitzungen aber, sie mögen nun von plastischer Lymphe ge- bildet, die Verhärtung oder den Skirrhus, oder äußere Ver- wachsungen, oder als seröse Flüßigkeit die Wasseranhäufung bedingen, schon als weniger rein der Entzündung angehörig, und mehr als Uebergänge zu bloßer falschgerichteter Bildungsthä- tägkeit sich darstellend ansehen können. Es ergiebt sich fer- ner, daß die sogenannte chronische Entzündung das eigent- liche Mittelglied zwischen acuter Entzündung und abnormer Produktivität sey, und wenn es oft schon schwer oder un- möglich ist, in der Natur den Gränzpunkt, wo acute Ent- zündung aufhört und chronische Entzündung beginnt, anzuge- ben, so wird denn endlich ein solcher fester Punkt zwischen chronischer Entzündung und reiner Degeneration um so mehr vermißt werden, je gewöhnlicher das Eine anfängt, wenn das Andere noch nicht aufgehört hat.
So weit denn also das Glaubensbekenntniß des Ver- fassers über die Entzündung im Allgemeinen, worauf im Fol- genden öfters wird verwiesen werden müssen, und welches hier gleich bey der zuerst abgehandelten Entzündungskrankheit niedergelegt ist, damit dem Leser die Entscheidung, ob er diese Ansicht zur Seinigen machen könne, oder ob nicht, und ob er dem zu Folge Modifikationen auch der weitern Darstellun- gen sich zu machen nöthig habe, erleichtert werde.
§. 329.
Durch dieſe Anſicht ſcheint zugleich die acute Natur, die Intenſitaͤt der wahren Entzuͤndung verſtaͤndlich zu werden, in- dem es deutlich iſt, daß gerade dieſes Beſchraͤnken, dieſes Concentriren, welches der Entzuͤndung natuͤrlich iſt, die Hef- tigkeit der Zufaͤlle und die ſo leicht daran ſich anknuͤpfende Erſcheinung wahrer innerer Zerſtoͤrung, entweder durch orga- niſche Zuruͤckbildung in einen koͤrperlichen fluͤßigen Urſtoff (Eiterung), oder durch unorganiſche faͤulnißartige Aufloͤſung (Brand) bedingen muß, weßhalb wir auch Zertheilung, Ei- terung und Brand als die drei eigentlich der Natur der Ent- zuͤndung allein rein angehoͤrenden Ausgaͤnge betrachten, Aus- ſchwitzungen aber, ſie moͤgen nun von plaſtiſcher Lymphe ge- bildet, die Verhaͤrtung oder den Skirrhus, oder aͤußere Ver- wachſungen, oder als ſeroͤſe Fluͤßigkeit die Waſſeranhaͤufung bedingen, ſchon als weniger rein der Entzuͤndung angehoͤrig, und mehr als Uebergaͤnge zu bloßer falſchgerichteter Bildungsthaͤ- taͤgkeit ſich darſtellend anſehen koͤnnen. Es ergiebt ſich fer- ner, daß die ſogenannte chroniſche Entzuͤndung das eigent- liche Mittelglied zwiſchen acuter Entzuͤndung und abnormer Produktivitaͤt ſey, und wenn es oft ſchon ſchwer oder un- moͤglich iſt, in der Natur den Graͤnzpunkt, wo acute Ent- zuͤndung aufhoͤrt und chroniſche Entzuͤndung beginnt, anzuge- ben, ſo wird denn endlich ein ſolcher feſter Punkt zwiſchen chroniſcher Entzuͤndung und reiner Degeneration um ſo mehr vermißt werden, je gewoͤhnlicher das Eine anfaͤngt, wenn das Andere noch nicht aufgehoͤrt hat.
So weit denn alſo das Glaubensbekenntniß des Ver- faſſers uͤber die Entzuͤndung im Allgemeinen, worauf im Fol- genden oͤfters wird verwieſen werden muͤſſen, und welches hier gleich bey der zuerſt abgehandelten Entzuͤndungskrankheit niedergelegt iſt, damit dem Leſer die Entſcheidung, ob er dieſe Anſicht zur Seinigen machen koͤnne, oder ob nicht, und ob er dem zu Folge Modifikationen auch der weitern Darſtellun- gen ſich zu machen noͤthig habe, erleichtert werde.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><pbfacs="#f0276"n="256"/><divn="10"><head>§. 329.</head><lb/><p>Durch dieſe Anſicht ſcheint zugleich die acute Natur, die<lb/>
Intenſitaͤt der wahren Entzuͤndung verſtaͤndlich zu werden, in-<lb/>
dem es deutlich iſt, daß gerade dieſes Beſchraͤnken, dieſes<lb/>
Concentriren, welches der Entzuͤndung natuͤrlich iſt, die Hef-<lb/>
tigkeit der Zufaͤlle und die ſo leicht daran ſich anknuͤpfende<lb/>
Erſcheinung wahrer innerer Zerſtoͤrung, entweder durch orga-<lb/>
niſche Zuruͤckbildung in einen koͤrperlichen fluͤßigen Urſtoff<lb/>
(Eiterung), oder durch unorganiſche faͤulnißartige Aufloͤſung<lb/>
(Brand) bedingen muß, weßhalb wir auch Zertheilung, Ei-<lb/>
terung und Brand als die drei eigentlich der Natur der Ent-<lb/>
zuͤndung allein <hirendition="#g">rein</hi> angehoͤrenden Ausgaͤnge betrachten, Aus-<lb/>ſchwitzungen aber, ſie moͤgen nun von plaſtiſcher Lymphe ge-<lb/>
bildet, die Verhaͤrtung oder den Skirrhus, oder aͤußere Ver-<lb/>
wachſungen, oder als ſeroͤſe Fluͤßigkeit die Waſſeranhaͤufung<lb/>
bedingen, ſchon als weniger rein der Entzuͤndung angehoͤrig, und<lb/>
mehr als Uebergaͤnge zu bloßer falſchgerichteter Bildungsthaͤ-<lb/>
taͤgkeit ſich darſtellend anſehen koͤnnen. Es ergiebt ſich fer-<lb/>
ner, daß die ſogenannte chroniſche Entzuͤndung das eigent-<lb/>
liche Mittelglied zwiſchen acuter Entzuͤndung und abnormer<lb/>
Produktivitaͤt ſey, und wenn es oft ſchon ſchwer oder un-<lb/>
moͤglich iſt, in der Natur den Graͤnzpunkt, wo acute Ent-<lb/>
zuͤndung aufhoͤrt und chroniſche Entzuͤndung beginnt, anzuge-<lb/>
ben, ſo wird denn endlich ein ſolcher feſter Punkt zwiſchen<lb/>
chroniſcher Entzuͤndung und reiner Degeneration um ſo mehr<lb/>
vermißt werden, je gewoͤhnlicher das Eine anfaͤngt, wenn<lb/>
das Andere noch nicht aufgehoͤrt hat.</p><lb/><p>So weit denn alſo das Glaubensbekenntniß des Ver-<lb/>
faſſers uͤber die Entzuͤndung im Allgemeinen, worauf im Fol-<lb/>
genden oͤfters wird verwieſen werden muͤſſen, und welches<lb/>
hier gleich bey der zuerſt abgehandelten Entzuͤndungskrankheit<lb/>
niedergelegt iſt, damit dem Leſer die Entſcheidung, ob er dieſe<lb/>
Anſicht zur Seinigen machen koͤnne, oder ob nicht, und ob<lb/>
er dem zu Folge Modifikationen auch der weitern Darſtellun-<lb/>
gen ſich zu machen noͤthig habe, erleichtert werde.</p></div><lb/></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[256/0276]
§. 329.
Durch dieſe Anſicht ſcheint zugleich die acute Natur, die
Intenſitaͤt der wahren Entzuͤndung verſtaͤndlich zu werden, in-
dem es deutlich iſt, daß gerade dieſes Beſchraͤnken, dieſes
Concentriren, welches der Entzuͤndung natuͤrlich iſt, die Hef-
tigkeit der Zufaͤlle und die ſo leicht daran ſich anknuͤpfende
Erſcheinung wahrer innerer Zerſtoͤrung, entweder durch orga-
niſche Zuruͤckbildung in einen koͤrperlichen fluͤßigen Urſtoff
(Eiterung), oder durch unorganiſche faͤulnißartige Aufloͤſung
(Brand) bedingen muß, weßhalb wir auch Zertheilung, Ei-
terung und Brand als die drei eigentlich der Natur der Ent-
zuͤndung allein rein angehoͤrenden Ausgaͤnge betrachten, Aus-
ſchwitzungen aber, ſie moͤgen nun von plaſtiſcher Lymphe ge-
bildet, die Verhaͤrtung oder den Skirrhus, oder aͤußere Ver-
wachſungen, oder als ſeroͤſe Fluͤßigkeit die Waſſeranhaͤufung
bedingen, ſchon als weniger rein der Entzuͤndung angehoͤrig, und
mehr als Uebergaͤnge zu bloßer falſchgerichteter Bildungsthaͤ-
taͤgkeit ſich darſtellend anſehen koͤnnen. Es ergiebt ſich fer-
ner, daß die ſogenannte chroniſche Entzuͤndung das eigent-
liche Mittelglied zwiſchen acuter Entzuͤndung und abnormer
Produktivitaͤt ſey, und wenn es oft ſchon ſchwer oder un-
moͤglich iſt, in der Natur den Graͤnzpunkt, wo acute Ent-
zuͤndung aufhoͤrt und chroniſche Entzuͤndung beginnt, anzuge-
ben, ſo wird denn endlich ein ſolcher feſter Punkt zwiſchen
chroniſcher Entzuͤndung und reiner Degeneration um ſo mehr
vermißt werden, je gewoͤhnlicher das Eine anfaͤngt, wenn
das Andere noch nicht aufgehoͤrt hat.
So weit denn alſo das Glaubensbekenntniß des Ver-
faſſers uͤber die Entzuͤndung im Allgemeinen, worauf im Fol-
genden oͤfters wird verwieſen werden muͤſſen, und welches
hier gleich bey der zuerſt abgehandelten Entzuͤndungskrankheit
niedergelegt iſt, damit dem Leſer die Entſcheidung, ob er dieſe
Anſicht zur Seinigen machen koͤnne, oder ob nicht, und ob
er dem zu Folge Modifikationen auch der weitern Darſtellun-
gen ſich zu machen noͤthig habe, erleichtert werde.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/276>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.