Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

stärker einwirkenden Mittel völlig zurück, und es bleibt nun
die Hauptindication, diese Bestrebungen der Natur zu unter-
stützen. Bey erleichternden Schweißen giebt man deshalb
gelind diaphoretische Mittel, z. B. Liquor Mind. mit dem
Fliederblumenaufgusse; bey sich wieder zeigender Menstruation
befördert man dieselbe durch Dampfbäder, Fußbäder, Me-
lissenthee, Friktionen der Schenkel u. s. w. -- stärkere Harn-
absonderung unterstützt man durch verdünnende Getränke und
läßt die obige antiphlogistische Diät dabey fortführen. --
Geschieht indeß die Zertheilung unvollständig, so daß inner-
licher Schmerz, Abendfieber, Durst, belegte Zunge zurück-
bleiben, so kann man dann mit Nutzen auch stärkere ablei-
tende Mittel zu Hülfe nehmen, unter welchen ganz vorzüg-
lich die Sinapismen auf die Waden, bey torpidern Subjekten
auf die Regio hypogastrica selbst, empfohlen werden müssen.
Vesikatorien und flüchtig reizende Einreibungen sind hier we-
niger passend, erstere wegen ihrer reizenden Einwirkung auf
Nieren und Geschlechtssystem, letztere wegen des damit ver-
bundenen mechanischen Reizes; dagegen ist hier die fortge-
setzte Anwendung des Calomels, verbunden mit reizmindern-
den Mitteln, z. B. kleinen Dosen Opium, Extract. Hyo-
scyami
oder Cicutae, Infusum Valerianae und ähnlichen
Mitteln ganz zweckmäßig. Geht (was indeß selten der Fall
ist) die Entzündung in Eiterung über, so muß durch erwei-
chende Umschläge, schleimige Injektionen und Dampfbäder
die Entleerung des Abscesses durch die Vagina befördert und
sodann für Erhaltung gutartigen Eiters und allgemeinere kräf-
tige Reproduktion durch mehr nährende Diät, China u. s. w.
gesorgt werden.

§. 346.

Am wenigsten vermag die heilende Kunst, wo bey an-
fänglicher Vernachlässigung oder ganz irriger erregender Be-
handlung, oder auch typhöser, epidemisch herrschender Con-
stitution die Entzündung zur Gangrän sich neigt, dem gemäß
auch der Fiebercharakter sich ändert und die sogenannten ner-
vösen Symptome bereits eingetreten sind. Es wird dann

ſtaͤrker einwirkenden Mittel voͤllig zuruͤck, und es bleibt nun
die Hauptindication, dieſe Beſtrebungen der Natur zu unter-
ſtuͤtzen. Bey erleichternden Schweißen giebt man deshalb
gelind diaphoretiſche Mittel, z. B. Liquor Mind. mit dem
Fliederblumenaufguſſe; bey ſich wieder zeigender Menſtruation
befoͤrdert man dieſelbe durch Dampfbaͤder, Fußbaͤder, Me-
liſſenthee, Friktionen der Schenkel u. ſ. w. — ſtaͤrkere Harn-
abſonderung unterſtuͤtzt man durch verduͤnnende Getraͤnke und
laͤßt die obige antiphlogiſtiſche Diaͤt dabey fortfuͤhren. —
Geſchieht indeß die Zertheilung unvollſtaͤndig, ſo daß inner-
licher Schmerz, Abendfieber, Durſt, belegte Zunge zuruͤck-
bleiben, ſo kann man dann mit Nutzen auch ſtaͤrkere ablei-
tende Mittel zu Huͤlfe nehmen, unter welchen ganz vorzuͤg-
lich die Sinapismen auf die Waden, bey torpidern Subjekten
auf die Regio hypogastrica ſelbſt, empfohlen werden muͤſſen.
Veſikatorien und fluͤchtig reizende Einreibungen ſind hier we-
niger paſſend, erſtere wegen ihrer reizenden Einwirkung auf
Nieren und Geſchlechtsſyſtem, letztere wegen des damit ver-
bundenen mechaniſchen Reizes; dagegen iſt hier die fortge-
ſetzte Anwendung des Calomels, verbunden mit reizmindern-
den Mitteln, z. B. kleinen Doſen Opium, Extract. Hyo-
scyami
oder Cicutae, Infusum Valerianae und aͤhnlichen
Mitteln ganz zweckmaͤßig. Geht (was indeß ſelten der Fall
iſt) die Entzuͤndung in Eiterung uͤber, ſo muß durch erwei-
chende Umſchlaͤge, ſchleimige Injektionen und Dampfbaͤder
die Entleerung des Abſceſſes durch die Vagina befoͤrdert und
ſodann fuͤr Erhaltung gutartigen Eiters und allgemeinere kraͤf-
tige Reproduktion durch mehr naͤhrende Diaͤt, China u. ſ. w.
geſorgt werden.

§. 346.

Am wenigſten vermag die heilende Kunſt, wo bey an-
faͤnglicher Vernachlaͤſſigung oder ganz irriger erregender Be-
handlung, oder auch typhoͤſer, epidemiſch herrſchender Con-
ſtitution die Entzuͤndung zur Gangraͤn ſich neigt, dem gemaͤß
auch der Fiebercharakter ſich aͤndert und die ſogenannten ner-
voͤſen Symptome bereits eingetreten ſind. Es wird dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <p><pb facs="#f0289" n="269"/>
&#x017F;ta&#x0364;rker einwirkenden Mittel vo&#x0364;llig zuru&#x0364;ck, und es bleibt nun<lb/>
die Hauptindication, die&#x017F;e Be&#x017F;trebungen der Natur zu unter-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;tzen. Bey erleichternden Schweißen giebt man deshalb<lb/>
gelind diaphoreti&#x017F;che Mittel, z. B. <hi rendition="#aq">Liquor Mind.</hi> mit dem<lb/>
Fliederblumenaufgu&#x017F;&#x017F;e; bey &#x017F;ich wieder zeigender Men&#x017F;truation<lb/>
befo&#x0364;rdert man die&#x017F;elbe durch Dampfba&#x0364;der, Fußba&#x0364;der, Me-<lb/>
li&#x017F;&#x017F;enthee, Friktionen der Schenkel u. &#x017F;. w. &#x2014; &#x017F;ta&#x0364;rkere Harn-<lb/>
ab&#x017F;onderung unter&#x017F;tu&#x0364;tzt man durch verdu&#x0364;nnende Getra&#x0364;nke und<lb/>
la&#x0364;ßt die obige antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Dia&#x0364;t dabey fortfu&#x0364;hren. &#x2014;<lb/>
Ge&#x017F;chieht indeß die Zertheilung unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndig, &#x017F;o daß inner-<lb/>
licher Schmerz, Abendfieber, Dur&#x017F;t, belegte Zunge zuru&#x0364;ck-<lb/>
bleiben, &#x017F;o kann man dann mit Nutzen auch &#x017F;ta&#x0364;rkere ablei-<lb/>
tende Mittel zu Hu&#x0364;lfe nehmen, unter welchen ganz vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich die Sinapismen auf die Waden, bey torpidern Subjekten<lb/>
auf die <hi rendition="#aq">Regio hypogastrica</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, empfohlen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ve&#x017F;ikatorien und flu&#x0364;chtig reizende Einreibungen &#x017F;ind hier we-<lb/>
niger pa&#x017F;&#x017F;end, er&#x017F;tere wegen ihrer reizenden Einwirkung auf<lb/>
Nieren und Ge&#x017F;chlechts&#x017F;y&#x017F;tem, letztere wegen des damit ver-<lb/>
bundenen mechani&#x017F;chen Reizes; dagegen i&#x017F;t hier die fortge-<lb/>
&#x017F;etzte Anwendung des Calomels, verbunden mit reizmindern-<lb/>
den Mitteln, z. B. kleinen Do&#x017F;en <hi rendition="#aq">Opium, Extract. Hyo-<lb/>
scyami</hi> oder <hi rendition="#aq">Cicutae, Infusum Valerianae</hi> und a&#x0364;hnlichen<lb/>
Mitteln ganz zweckma&#x0364;ßig. Geht (was indeß &#x017F;elten der Fall<lb/>
i&#x017F;t) die Entzu&#x0364;ndung in Eiterung u&#x0364;ber, &#x017F;o muß durch erwei-<lb/>
chende Um&#x017F;chla&#x0364;ge, &#x017F;chleimige Injektionen und Dampfba&#x0364;der<lb/>
die Entleerung des Ab&#x017F;ce&#x017F;&#x017F;es durch die Vagina befo&#x0364;rdert und<lb/>
&#x017F;odann fu&#x0364;r Erhaltung gutartigen Eiters und allgemeinere kra&#x0364;f-<lb/>
tige Reproduktion durch mehr na&#x0364;hrende Dia&#x0364;t, China u. &#x017F;. w.<lb/>
ge&#x017F;orgt werden.</p>
                        </div><lb/>
                        <div n="10">
                          <head>§. 346.</head><lb/>
                          <p>Am wenig&#x017F;ten vermag die heilende Kun&#x017F;t, wo bey an-<lb/>
fa&#x0364;nglicher Vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igung oder ganz irriger erregender Be-<lb/>
handlung, oder auch typho&#x0364;&#x017F;er, epidemi&#x017F;ch herr&#x017F;chender Con-<lb/>
&#x017F;titution die Entzu&#x0364;ndung zur Gangra&#x0364;n &#x017F;ich neigt, dem gema&#x0364;ß<lb/>
auch der Fiebercharakter &#x017F;ich a&#x0364;ndert und die &#x017F;ogenannten ner-<lb/>
vo&#x0364;&#x017F;en Symptome bereits eingetreten &#x017F;ind. Es wird dann<lb/></p>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0289] ſtaͤrker einwirkenden Mittel voͤllig zuruͤck, und es bleibt nun die Hauptindication, dieſe Beſtrebungen der Natur zu unter- ſtuͤtzen. Bey erleichternden Schweißen giebt man deshalb gelind diaphoretiſche Mittel, z. B. Liquor Mind. mit dem Fliederblumenaufguſſe; bey ſich wieder zeigender Menſtruation befoͤrdert man dieſelbe durch Dampfbaͤder, Fußbaͤder, Me- liſſenthee, Friktionen der Schenkel u. ſ. w. — ſtaͤrkere Harn- abſonderung unterſtuͤtzt man durch verduͤnnende Getraͤnke und laͤßt die obige antiphlogiſtiſche Diaͤt dabey fortfuͤhren. — Geſchieht indeß die Zertheilung unvollſtaͤndig, ſo daß inner- licher Schmerz, Abendfieber, Durſt, belegte Zunge zuruͤck- bleiben, ſo kann man dann mit Nutzen auch ſtaͤrkere ablei- tende Mittel zu Huͤlfe nehmen, unter welchen ganz vorzuͤg- lich die Sinapismen auf die Waden, bey torpidern Subjekten auf die Regio hypogastrica ſelbſt, empfohlen werden muͤſſen. Veſikatorien und fluͤchtig reizende Einreibungen ſind hier we- niger paſſend, erſtere wegen ihrer reizenden Einwirkung auf Nieren und Geſchlechtsſyſtem, letztere wegen des damit ver- bundenen mechaniſchen Reizes; dagegen iſt hier die fortge- ſetzte Anwendung des Calomels, verbunden mit reizmindern- den Mitteln, z. B. kleinen Doſen Opium, Extract. Hyo- scyami oder Cicutae, Infusum Valerianae und aͤhnlichen Mitteln ganz zweckmaͤßig. Geht (was indeß ſelten der Fall iſt) die Entzuͤndung in Eiterung uͤber, ſo muß durch erwei- chende Umſchlaͤge, ſchleimige Injektionen und Dampfbaͤder die Entleerung des Abſceſſes durch die Vagina befoͤrdert und ſodann fuͤr Erhaltung gutartigen Eiters und allgemeinere kraͤf- tige Reproduktion durch mehr naͤhrende Diaͤt, China u. ſ. w. geſorgt werden. §. 346. Am wenigſten vermag die heilende Kunſt, wo bey an- faͤnglicher Vernachlaͤſſigung oder ganz irriger erregender Be- handlung, oder auch typhoͤſer, epidemiſch herrſchender Con- ſtitution die Entzuͤndung zur Gangraͤn ſich neigt, dem gemaͤß auch der Fiebercharakter ſich aͤndert und die ſogenannten ner- voͤſen Symptome bereits eingetreten ſind. Es wird dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/289
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/289>, abgerufen am 22.11.2024.