Schwierigkeit der Exstirpation des Krankhaften bey nicht vor- gefallenem Uterus zu überwinden, und die deßhalb von ihm vorgeschlagenen und ausgeführten Operationsmethoden sind nachstehende, welche wir hier der Vollständigkeit wegen ganz so, wie sie zuerst bekannt gemacht wurden, *) mittheilen wollen:
Erste Operationsart.
"Die zu operirende Person wird auf einen hohen Geburtsstuhl oder auf einen Tisch wie in eine Entbindungs- oder Steinschnittslage gebracht und festgehalten. Die Genitalien werden durch Ausspri- tzen gereiniget und mit Salben erweicht. Das Fungöse wird mit den Fingern oder einem Exstirpations-Instrumente weggenommen. Ist die Blutung darauf stark, so wird sie mit einem eingebrachten Schwamme, in Essig und styptisches Pulver getaucht, gestillt; wo nicht, so wird gleich mit der Operation fortgefahren. Zu dem Durchstechen des Uterus bedient sich Hr. Hofr. O. kleiner geboge- ner Nadeln von nicht gehärtetem Stahl, deren Spitzen sich leicht biegen lassen. Gehärtete Nadeln setzen in die Gefahr, daß sie ab- brechen, und die abgebrochenen Spitzen alsdann in den verborgenen Theilen vielleicht nie wieder aufgefunden werden, aber den größten Schaden anrichten könnten. Das Durchstechen der Nadeln durch den Uterus macht, bis man sich durch Uebung die nöthige Fertig- keit erworben hat, die größte Schwierigkeit; wie weit man es aber darin bringen kann, beweiset unter andern der Umstand, daß, als im verwichenen Jahre bey einer öffentlichen Operation in dem hiesigen Accouchier-Hospital sich der Fall ereignete, daß die durch- gezogenen Faden aus der bereits im Uterus steckenden Nadel aus- gezogen wurden, der Hr. Hofr. O. die Nadel stecken ließ und die Faden innerhalb der Vagina durch das Nadelöhr führte, ohne sich eines Lichtleiters zu bedienen. Der sehende Operateur kann und muß in solchen Fällen eben die Präcision und Geschicklichkeit durch Uebung bekommen, welche sich viele Blinde erwerben, da er ohne- hin ganz wie ein Blinder handeln muß. Ein Nadelhalter kommt nur bey dem Einführen der Nadeln, sonst nicht, zu statten; das übrige Durchstechen müssen die Finger allein, so wie alles Uebrige, nach dem Gefühl unterscheiden. Die Stiche gehen sowohl von hin- ten nach vorn, als von vorn nach hinten und von der Seite.
*) S. Salzburg. medicin. chirurg. Zeitung. 1818. Nro. 88.
Schwierigkeit der Exſtirpation des Krankhaften bey nicht vor- gefallenem Uterus zu uͤberwinden, und die deßhalb von ihm vorgeſchlagenen und ausgefuͤhrten Operationsmethoden ſind nachſtehende, welche wir hier der Vollſtaͤndigkeit wegen ganz ſo, wie ſie zuerſt bekannt gemacht wurden, *) mittheilen wollen:
Erſte Operationsart.
„Die zu operirende Perſon wird auf einen hohen Geburtsſtuhl oder auf einen Tiſch wie in eine Entbindungs- oder Steinſchnittslage gebracht und feſtgehalten. Die Genitalien werden durch Ausſpri- tzen gereiniget und mit Salben erweicht. Das Fungoͤſe wird mit den Fingern oder einem Exſtirpations-Inſtrumente weggenommen. Iſt die Blutung darauf ſtark, ſo wird ſie mit einem eingebrachten Schwamme, in Eſſig und ſtyptiſches Pulver getaucht, geſtillt; wo nicht, ſo wird gleich mit der Operation fortgefahren. Zu dem Durchſtechen des Uterus bedient ſich Hr. Hofr. O. kleiner geboge- ner Nadeln von nicht gehaͤrtetem Stahl, deren Spitzen ſich leicht biegen laſſen. Gehaͤrtete Nadeln ſetzen in die Gefahr, daß ſie ab- brechen, und die abgebrochenen Spitzen alsdann in den verborgenen Theilen vielleicht nie wieder aufgefunden werden, aber den groͤßten Schaden anrichten koͤnnten. Das Durchſtechen der Nadeln durch den Uterus macht, bis man ſich durch Uebung die noͤthige Fertig- keit erworben hat, die groͤßte Schwierigkeit; wie weit man es aber darin bringen kann, beweiſet unter andern der Umſtand, daß, als im verwichenen Jahre bey einer oͤffentlichen Operation in dem hieſigen Accouchier-Hoſpital ſich der Fall ereignete, daß die durch- gezogenen Faden aus der bereits im Uterus ſteckenden Nadel aus- gezogen wurden, der Hr. Hofr. O. die Nadel ſtecken ließ und die Faden innerhalb der Vagina durch das Nadeloͤhr fuͤhrte, ohne ſich eines Lichtleiters zu bedienen. Der ſehende Operateur kann und muß in ſolchen Faͤllen eben die Praͤciſion und Geſchicklichkeit durch Uebung bekommen, welche ſich viele Blinde erwerben, da er ohne- hin ganz wie ein Blinder handeln muß. Ein Nadelhalter kommt nur bey dem Einfuͤhren der Nadeln, ſonſt nicht, zu ſtatten; das uͤbrige Durchſtechen muͤſſen die Finger allein, ſo wie alles Uebrige, nach dem Gefuͤhl unterſcheiden. Die Stiche gehen ſowohl von hin- ten nach vorn, als von vorn nach hinten und von der Seite.
*) S. Salzburg. medicin. chirurg. Zeitung. 1818. Nro. 88.
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Schwierigkeit der Exſtirpation des Krankhaften bey nicht vor-
gefallenem Uterus zu uͤberwinden, und die deßhalb von ihm
vorgeſchlagenen und ausgefuͤhrten Operationsmethoden ſind
nachſtehende, welche wir hier der Vollſtaͤndigkeit wegen ganz
ſo, wie ſie zuerſt bekannt gemacht wurden, *) mittheilen
wollen:
Erſte Operationsart.
„Die zu operirende Perſon wird auf einen hohen Geburtsſtuhl oder
auf einen Tiſch wie in eine Entbindungs- oder Steinſchnittslage
gebracht und feſtgehalten. Die Genitalien werden durch Ausſpri-
tzen gereiniget und mit Salben erweicht. Das Fungoͤſe wird mit
den Fingern oder einem Exſtirpations-Inſtrumente weggenommen.
Iſt die Blutung darauf ſtark, ſo wird ſie mit einem eingebrachten
Schwamme, in Eſſig und ſtyptiſches Pulver getaucht, geſtillt; wo
nicht, ſo wird gleich mit der Operation fortgefahren. Zu dem
Durchſtechen des Uterus bedient ſich Hr. Hofr. O. kleiner geboge-
ner Nadeln von nicht gehaͤrtetem Stahl, deren Spitzen ſich leicht
biegen laſſen. Gehaͤrtete Nadeln ſetzen in die Gefahr, daß ſie ab-
brechen, und die abgebrochenen Spitzen alsdann in den verborgenen
Theilen vielleicht nie wieder aufgefunden werden, aber den groͤßten
Schaden anrichten koͤnnten. Das Durchſtechen der Nadeln durch
den Uterus macht, bis man ſich durch Uebung die noͤthige Fertig-
keit erworben hat, die groͤßte Schwierigkeit; wie weit man es
aber darin bringen kann, beweiſet unter andern der Umſtand, daß,
als im verwichenen Jahre bey einer oͤffentlichen Operation in dem
hieſigen Accouchier-Hoſpital ſich der Fall ereignete, daß die durch-
gezogenen Faden aus der bereits im Uterus ſteckenden Nadel aus-
gezogen wurden, der Hr. Hofr. O. die Nadel ſtecken ließ und die
Faden innerhalb der Vagina durch das Nadeloͤhr fuͤhrte, ohne ſich
eines Lichtleiters zu bedienen. Der ſehende Operateur kann und
muß in ſolchen Faͤllen eben die Praͤciſion und Geſchicklichkeit durch
Uebung bekommen, welche ſich viele Blinde erwerben, da er ohne-
hin ganz wie ein Blinder handeln muß. Ein Nadelhalter kommt
nur bey dem Einfuͤhren der Nadeln, ſonſt nicht, zu ſtatten; das
uͤbrige Durchſtechen muͤſſen die Finger allein, ſo wie alles Uebrige,
nach dem Gefuͤhl unterſcheiden. Die Stiche gehen ſowohl von hin-
ten nach vorn, als von vorn nach hinten und von der Seite.
*) S. Salzburg. medicin. chirurg. Zeitung. 1818. Nro. 88.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/377>, abgerufen am 24.11.2024.
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