Obwohl man demnach Hrn. v. Winter*), welcher den Brustkrebs überhaupt mehr für eine allgemeine Krankheit ge- halten wissen will, nicht füglich ganz beystimmen kann, so darf man doch von der andern Seite auch nie seine Eigen- thümlichkeit zu sehr in lokaler Beziehung betrachten, sondern muß das Wesentliche stets als das Erzeugniß allgemei- ner und lokaler Momente auffassen. -- Hieraus ergiebt es sich, wie Verhärtungen ursprünglich verschiedener Natur, z. B. scrophulöse Knoten, Milchknoten, Verdichtungen des Zellge- webes durch erlittene Quetschung und Ergießung plastischer Lymphe, doch bey ungünstigen allgemeinen Verhältnissen eben so in den Krebs übergehen können, wie sie im Gegentheil bey günstigern allgemeinen Verhältnissen zur Zertheilung ge- langen, und ferner, wie wirklich bereits skirrhös gewordene Knoten, wenn sie an einem Theile exstirpirt worden sind, an einem andern Theile gern sich wieder erzeugen (Beyspiele, auf welche namentlich v. Winter seine oben erwähnte An- sicht gründete).
§. 585.
Es folgt aus allem diesem, daß die entfernten Ur- sachen des Brustkrebses vorzüglich dreyerley Art seyn kön- nen, theils nämlich solche, durch welche überhaupt Verdich- tungen und Verhärtungen entstehen können, wohin Stoß, Druck, unterlassenes Selbststillen u. s. w. gehören, theils sol- che, durch welche eine chronische Entzündung veranlaßt und unterhalten werden kann, als Erkältungen, Mißbrauch er- hitzender Getränke, Congestionen nach den Brüsten durch feh- lerhafte Menstruation, oder durch die klimakterischen Jahre bedingt, Anwendung zu reizender Mittel u. s. w., theils end- lich solche, welche die Reproduction im Allgemeinen unter- graben, die Function der Lymphgefäße und des venösen Sy-
*) Ist der Brustkrebs ursprünglich eine örtliche Krankheit? in B. v. Siebold's Chiron. Bd. 2. St. 3.
§. 584.
Obwohl man demnach Hrn. v. Winter*), welcher den Bruſtkrebs uͤberhaupt mehr fuͤr eine allgemeine Krankheit ge- halten wiſſen will, nicht fuͤglich ganz beyſtimmen kann, ſo darf man doch von der andern Seite auch nie ſeine Eigen- thuͤmlichkeit zu ſehr in lokaler Beziehung betrachten, ſondern muß das Weſentliche ſtets als das Erzeugniß allgemei- ner und lokaler Momente auffaſſen. — Hieraus ergiebt es ſich, wie Verhaͤrtungen urſpruͤnglich verſchiedener Natur, z. B. ſcrophuloͤſe Knoten, Milchknoten, Verdichtungen des Zellge- webes durch erlittene Quetſchung und Ergießung plaſtiſcher Lymphe, doch bey unguͤnſtigen allgemeinen Verhaͤltniſſen eben ſo in den Krebs uͤbergehen koͤnnen, wie ſie im Gegentheil bey guͤnſtigern allgemeinen Verhaͤltniſſen zur Zertheilung ge- langen, und ferner, wie wirklich bereits ſkirrhoͤs gewordene Knoten, wenn ſie an einem Theile exſtirpirt worden ſind, an einem andern Theile gern ſich wieder erzeugen (Beyſpiele, auf welche namentlich v. Winter ſeine oben erwaͤhnte An- ſicht gruͤndete).
§. 585.
Es folgt aus allem dieſem, daß die entfernten Ur- ſachen des Bruſtkrebſes vorzuͤglich dreyerley Art ſeyn koͤn- nen, theils naͤmlich ſolche, durch welche uͤberhaupt Verdich- tungen und Verhaͤrtungen entſtehen koͤnnen, wohin Stoß, Druck, unterlaſſenes Selbſtſtillen u. ſ. w. gehoͤren, theils ſol- che, durch welche eine chroniſche Entzuͤndung veranlaßt und unterhalten werden kann, als Erkaͤltungen, Mißbrauch er- hitzender Getraͤnke, Congeſtionen nach den Bruͤſten durch feh- lerhafte Menſtruation, oder durch die klimakteriſchen Jahre bedingt, Anwendung zu reizender Mittel u. ſ. w., theils end- lich ſolche, welche die Reproduction im Allgemeinen unter- graben, die Function der Lymphgefaͤße und des venoͤſen Sy-
*) Iſt der Bruſtkrebs urſpruͤnglich eine oͤrtliche Krankheit? in B. v. Siebold’s Chiron. Bd. 2. St. 3.
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§. 584.
Obwohl man demnach Hrn. v. Winter *), welcher den
Bruſtkrebs uͤberhaupt mehr fuͤr eine allgemeine Krankheit ge-
halten wiſſen will, nicht fuͤglich ganz beyſtimmen kann, ſo
darf man doch von der andern Seite auch nie ſeine Eigen-
thuͤmlichkeit zu ſehr in lokaler Beziehung betrachten, ſondern
muß das Weſentliche ſtets als das Erzeugniß allgemei-
ner und lokaler Momente auffaſſen. — Hieraus ergiebt es
ſich, wie Verhaͤrtungen urſpruͤnglich verſchiedener Natur, z. B.
ſcrophuloͤſe Knoten, Milchknoten, Verdichtungen des Zellge-
webes durch erlittene Quetſchung und Ergießung plaſtiſcher
Lymphe, doch bey unguͤnſtigen allgemeinen Verhaͤltniſſen eben
ſo in den Krebs uͤbergehen koͤnnen, wie ſie im Gegentheil
bey guͤnſtigern allgemeinen Verhaͤltniſſen zur Zertheilung ge-
langen, und ferner, wie wirklich bereits ſkirrhoͤs gewordene
Knoten, wenn ſie an einem Theile exſtirpirt worden ſind, an
einem andern Theile gern ſich wieder erzeugen (Beyſpiele,
auf welche namentlich v. Winter ſeine oben erwaͤhnte An-
ſicht gruͤndete).
§. 585.
Es folgt aus allem dieſem, daß die entfernten Ur-
ſachen des Bruſtkrebſes vorzuͤglich dreyerley Art ſeyn koͤn-
nen, theils naͤmlich ſolche, durch welche uͤberhaupt Verdich-
tungen und Verhaͤrtungen entſtehen koͤnnen, wohin Stoß,
Druck, unterlaſſenes Selbſtſtillen u. ſ. w. gehoͤren, theils ſol-
che, durch welche eine chroniſche Entzuͤndung veranlaßt und
unterhalten werden kann, als Erkaͤltungen, Mißbrauch er-
hitzender Getraͤnke, Congeſtionen nach den Bruͤſten durch feh-
lerhafte Menſtruation, oder durch die klimakteriſchen Jahre
bedingt, Anwendung zu reizender Mittel u. ſ. w., theils end-
lich ſolche, welche die Reproduction im Allgemeinen unter-
graben, die Function der Lymphgefaͤße und des venoͤſen Sy-
*) Iſt der Bruſtkrebs urſpruͤnglich eine oͤrtliche Krankheit? in B.
v. Siebold’s Chiron. Bd. 2. St. 3.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/450>, abgerufen am 24.11.2024.
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