ruhiges Abwarten beschränkten, so tritt nun hier eine wirk- liche thätige Hülfsleistung ein, welche darauf abzweckt, die Abwendung von Verletzung der äußern Geburtstheile beim Durchgange des Kindes zu erlangen. Wenn nämlich in an- derer Hinsicht eigentlich die Naturkraft bei normalen Gebur- ten allerdings alles allein am besten bewirkt, so ist dagegen in dieser Periode die Naturwirksamkeit nicht hinlänglich, um Nachtheil zu verhüten, und Personen, welche zum ersten- male und ohne Hülfe gebären, erleiden deßhalb eben so wie die Weiber wilder Nationen, wo keine Hülfsleistungen bekannt sind, in ihrer ersten Niederkunft gewöhnlich be- trächtliche Einrisse des Mittelfleisches. -- Nur Personen, de- ren Geschlechtstheile äußerst nachgiebig sind, und vorzüglich solche, welche früher bereits ein- oder mehreremale geboren haben, werden, auch wenn sie keinen Beistand während der Geburt haben, sobald sie nur in ruhiger Lage auf dem Bette gebären, dieser Verletzung öfters entgehen.
§. 930.
Damit nun aber so viel möglich, für alle Fälle die Erhaltung des Mittelfleisches bewerkstelligt werde, hat man verschiedene Methoden der Unterstützung des Dammes in Vorschlag gebracht und angewendet, welche ich hier nicht einzeln durchgehen *), sondern nur dasjenige Verfahren be- schreiben will, welches mir nach einer großen Anzahl von Beobachtungen das zweckmäßigste zu seyn scheint, ja von welchem ich behaupten kann, daß es für alle Fälle, wo nicht ein ungemein großer Kindeskopf bei äußerst engen Ge- nitalien, die völlige Erhaltung des Dammes als unmöglich darstellen, hinreichend ist, die völlige Integrität der äußern Geburtstheile zu bewahren. Nie werde ich daher das Ver- fahren billigen, welches von D.Michaelis vorgeschlagen, und von manchen andern empfohlen worden ist, in Fällen eines sehr breiten Dammes, denselben lieber einzuschneiden;
*) S. darüber M. H. Mendelde cura porinaei in partu. Vratisl. 1812.
ruhiges Abwarten beſchraͤnkten, ſo tritt nun hier eine wirk- liche thaͤtige Huͤlfsleiſtung ein, welche darauf abzweckt, die Abwendung von Verletzung der aͤußern Geburtstheile beim Durchgange des Kindes zu erlangen. Wenn naͤmlich in an- derer Hinſicht eigentlich die Naturkraft bei normalen Gebur- ten allerdings alles allein am beſten bewirkt, ſo iſt dagegen in dieſer Periode die Naturwirkſamkeit nicht hinlaͤnglich, um Nachtheil zu verhuͤten, und Perſonen, welche zum erſten- male und ohne Huͤlfe gebaͤren, erleiden deßhalb eben ſo wie die Weiber wilder Nationen, wo keine Huͤlfsleiſtungen bekannt ſind, in ihrer erſten Niederkunft gewoͤhnlich be- traͤchtliche Einriſſe des Mittelfleiſches. — Nur Perſonen, de- ren Geſchlechtstheile aͤußerſt nachgiebig ſind, und vorzuͤglich ſolche, welche fruͤher bereits ein- oder mehreremale geboren haben, werden, auch wenn ſie keinen Beiſtand waͤhrend der Geburt haben, ſobald ſie nur in ruhiger Lage auf dem Bette gebaͤren, dieſer Verletzung oͤfters entgehen.
§. 930.
Damit nun aber ſo viel moͤglich, fuͤr alle Faͤlle die Erhaltung des Mittelfleiſches bewerkſtelligt werde, hat man verſchiedene Methoden der Unterſtuͤtzung des Dammes in Vorſchlag gebracht und angewendet, welche ich hier nicht einzeln durchgehen *), ſondern nur dasjenige Verfahren be- ſchreiben will, welches mir nach einer großen Anzahl von Beobachtungen das zweckmaͤßigſte zu ſeyn ſcheint, ja von welchem ich behaupten kann, daß es fuͤr alle Faͤlle, wo nicht ein ungemein großer Kindeskopf bei aͤußerſt engen Ge- nitalien, die voͤllige Erhaltung des Dammes als unmoͤglich darſtellen, hinreichend iſt, die voͤllige Integritaͤt der aͤußern Geburtstheile zu bewahren. Nie werde ich daher das Ver- fahren billigen, welches von D.Michaelis vorgeſchlagen, und von manchen andern empfohlen worden iſt, in Faͤllen eines ſehr breiten Dammes, denſelben lieber einzuſchneiden;
*) S. daruͤber M. H. Mendelde cura porinaei in partu. Vratisl. 1812.
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ruhiges Abwarten beſchraͤnkten, ſo tritt nun hier eine wirk-
liche thaͤtige Huͤlfsleiſtung ein, welche darauf abzweckt, die
Abwendung von Verletzung der aͤußern Geburtstheile beim
Durchgange des Kindes zu erlangen. Wenn naͤmlich in an-
derer Hinſicht eigentlich die Naturkraft bei normalen Gebur-
ten allerdings alles allein am beſten bewirkt, ſo iſt dagegen in
dieſer Periode die Naturwirkſamkeit nicht hinlaͤnglich, um
Nachtheil zu verhuͤten, und Perſonen, welche zum erſten-
male und ohne Huͤlfe gebaͤren, erleiden deßhalb eben ſo
wie die Weiber wilder Nationen, wo keine Huͤlfsleiſtungen
bekannt ſind, in ihrer erſten Niederkunft gewoͤhnlich be-
traͤchtliche Einriſſe des Mittelfleiſches. — Nur Perſonen, de-
ren Geſchlechtstheile aͤußerſt nachgiebig ſind, und vorzuͤglich
ſolche, welche fruͤher bereits ein- oder mehreremale geboren
haben, werden, auch wenn ſie keinen Beiſtand waͤhrend der
Geburt haben, ſobald ſie nur in ruhiger Lage auf dem
Bette gebaͤren, dieſer Verletzung oͤfters entgehen.
§. 930.
Damit nun aber ſo viel moͤglich, fuͤr alle Faͤlle die
Erhaltung des Mittelfleiſches bewerkſtelligt werde, hat man
verſchiedene Methoden der Unterſtuͤtzung des Dammes in
Vorſchlag gebracht und angewendet, welche ich hier nicht
einzeln durchgehen *), ſondern nur dasjenige Verfahren be-
ſchreiben will, welches mir nach einer großen Anzahl von
Beobachtungen das zweckmaͤßigſte zu ſeyn ſcheint, ja von
welchem ich behaupten kann, daß es fuͤr alle Faͤlle, wo
nicht ein ungemein großer Kindeskopf bei aͤußerſt engen Ge-
nitalien, die voͤllige Erhaltung des Dammes als unmoͤglich
darſtellen, hinreichend iſt, die voͤllige Integritaͤt der aͤußern
Geburtstheile zu bewahren. Nie werde ich daher das Ver-
fahren billigen, welches von D. Michaelis vorgeſchlagen,
und von manchen andern empfohlen worden iſt, in Faͤllen
eines ſehr breiten Dammes, denſelben lieber einzuſchneiden;
*) S. daruͤber M. H. Mendelde cura porinaei in partu. Vratisl. 1812.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/197>, abgerufen am 21.11.2024.
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