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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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gung eines Bandes an den erschlafften Nabelstrang hingegen
irgend eine Gefahr vernünftigerweise durchaus nicht
nachgewiesen werden kann, so wird es Pflicht dieselbe
durchgängig vorzunehmen, und der Geburtshelfer, so
wie die Hebamme, werden für den Schaden, welcher aus
unterlassener oder schlecht angelegter Unterbindung entsteht,
gerichtlich verantwortlich.

§. 942.

Aeltere und einige neuere Geburtshelfer haben ferner
mitunter im Vorschlag gebracht, den Nabelstrang auch an
dem gegen die Placenta gerichteten Ende, bei jeder Geburt,
eben so wie wir es für Zwillingsgeburten angaben, zu unter-
binden. Als Grund dafür gaben sie an: theils (in früherer Zeit
bei der falschen Vorstellung von Verbindung der Mutterku-
chengefäße mit denen [...]des Uterus durch Anastomose)
die sonst zu befürchtende Blutung der Uringefäße, theils (so
neuerlich) die bessere Lösung der Placenta. Keiner dieser
Gründe ist indeß der Wahrheit gemäß und sonach diese Un-
terbindung bei einfachen Geburten völlig überflüssig.

§. 943.

Soweit die Regeln für das Verfahren bei der Tren-
nung des Nabelstranges! -- Allein es bleibt noch übrig ei-
nige physiologische Gründe durchzugehen, um die Abweichung,
welche hier die menschliche von der thierischen Geburtsweise
zeigt) als bei welcher letztern die Trennung und das Offen-
bleiben der Nabelgefäße, selbst gleich nach der Geburt, ohne
Nachtheil ertragen wird), deutlich zu machen. -- Die Jungen
der meisten Säugethiere sind aber ihrer ganzen Organisation
nach zur Zeit der Geburt offenbar verhältnißmäßig weit mehr
ausgebildet und selbstständig als das hülflose neugeborene Kind.
Eines Theils sind daher dem Jungen der Thiere die Nach-
geburtsgebilde schon bei der Geburt weniger unentbehrlich und
der Andrang des Blutes gegen dieselben weniger stark, an-
dern Theils sind auch die Unterleibswände vollkommner ge-
schlossen, und der Nabelring mehr verengert als im neuge-

gung eines Bandes an den erſchlafften Nabelſtrang hingegen
irgend eine Gefahr vernuͤnftigerweiſe durchaus nicht
nachgewieſen werden kann, ſo wird es Pflicht dieſelbe
durchgaͤngig vorzunehmen, und der Geburtshelfer, ſo
wie die Hebamme, werden fuͤr den Schaden, welcher aus
unterlaſſener oder ſchlecht angelegter Unterbindung entſteht,
gerichtlich verantwortlich.

§. 942.

Aeltere und einige neuere Geburtshelfer haben ferner
mitunter im Vorſchlag gebracht, den Nabelſtrang auch an
dem gegen die Placenta gerichteten Ende, bei jeder Geburt,
eben ſo wie wir es fuͤr Zwillingsgeburten angaben, zu unter-
binden. Als Grund dafuͤr gaben ſie an: theils (in fruͤherer Zeit
bei der falſchen Vorſtellung von Verbindung der Mutterku-
chengefaͤße mit denen […]des Uterus durch Anaſtomoſe)
die ſonſt zu befuͤrchtende Blutung der Uringefaͤße, theils (ſo
neuerlich) die beſſere Loͤſung der Placenta. Keiner dieſer
Gruͤnde iſt indeß der Wahrheit gemaͤß und ſonach dieſe Un-
terbindung bei einfachen Geburten voͤllig uͤberfluͤſſig.

§. 943.

Soweit die Regeln fuͤr das Verfahren bei der Tren-
nung des Nabelſtranges! — Allein es bleibt noch uͤbrig ei-
nige phyſiologiſche Gruͤnde durchzugehen, um die Abweichung,
welche hier die menſchliche von der thieriſchen Geburtsweiſe
zeigt) als bei welcher letztern die Trennung und das Offen-
bleiben der Nabelgefaͤße, ſelbſt gleich nach der Geburt, ohne
Nachtheil ertragen wird), deutlich zu machen. — Die Jungen
der meiſten Saͤugethiere ſind aber ihrer ganzen Organiſation
nach zur Zeit der Geburt offenbar verhaͤltnißmaͤßig weit mehr
ausgebildet und ſelbſtſtaͤndig als das huͤlfloſe neugeborene Kind.
Eines Theils ſind daher dem Jungen der Thiere die Nach-
geburtsgebilde ſchon bei der Geburt weniger unentbehrlich und
der Andrang des Blutes gegen dieſelben weniger ſtark, an-
dern Theils ſind auch die Unterleibswaͤnde vollkommner ge-
ſchloſſen, und der Nabelring mehr verengert als im neuge-

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[181/0205] gung eines Bandes an den erſchlafften Nabelſtrang hingegen irgend eine Gefahr vernuͤnftigerweiſe durchaus nicht nachgewieſen werden kann, ſo wird es Pflicht dieſelbe durchgaͤngig vorzunehmen, und der Geburtshelfer, ſo wie die Hebamme, werden fuͤr den Schaden, welcher aus unterlaſſener oder ſchlecht angelegter Unterbindung entſteht, gerichtlich verantwortlich. §. 942. Aeltere und einige neuere Geburtshelfer haben ferner mitunter im Vorſchlag gebracht, den Nabelſtrang auch an dem gegen die Placenta gerichteten Ende, bei jeder Geburt, eben ſo wie wir es fuͤr Zwillingsgeburten angaben, zu unter- binden. Als Grund dafuͤr gaben ſie an: theils (in fruͤherer Zeit bei der falſchen Vorſtellung von Verbindung der Mutterku- chengefaͤße mit denen des Uterus durch Anaſtomoſe) die ſonſt zu befuͤrchtende Blutung der Uringefaͤße, theils (ſo neuerlich) die beſſere Loͤſung der Placenta. Keiner dieſer Gruͤnde iſt indeß der Wahrheit gemaͤß und ſonach dieſe Un- terbindung bei einfachen Geburten voͤllig uͤberfluͤſſig. §. 943. Soweit die Regeln fuͤr das Verfahren bei der Tren- nung des Nabelſtranges! — Allein es bleibt noch uͤbrig ei- nige phyſiologiſche Gruͤnde durchzugehen, um die Abweichung, welche hier die menſchliche von der thieriſchen Geburtsweiſe zeigt) als bei welcher letztern die Trennung und das Offen- bleiben der Nabelgefaͤße, ſelbſt gleich nach der Geburt, ohne Nachtheil ertragen wird), deutlich zu machen. — Die Jungen der meiſten Saͤugethiere ſind aber ihrer ganzen Organiſation nach zur Zeit der Geburt offenbar verhaͤltnißmaͤßig weit mehr ausgebildet und ſelbſtſtaͤndig als das huͤlfloſe neugeborene Kind. Eines Theils ſind daher dem Jungen der Thiere die Nach- geburtsgebilde ſchon bei der Geburt weniger unentbehrlich und der Andrang des Blutes gegen dieſelben weniger ſtark, an- dern Theils ſind auch die Unterleibswaͤnde vollkommner ge- ſchloſſen, und der Nabelring mehr verengert als im neuge-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/205>, abgerufen am 24.11.2024.