Auf diesem Lager verweilt die Wöchnerin (die Zeit des Wechsels von Wäsche und Betten u. s. w. abgerechnet) in ruhiger horizontaler Lage namentlich so lange, bis der blutige Wochen- fluß gewichen, und die Zusammenziehung des Uterus bereits mehr vorgeschritten ist, welches vor Ablauf von wenigstens 5 Tagen nicht füglich der Fall seyn kann (bei besonders schwächlichen und reizbaren Personen oder bei nicht Stillen- den ist noch eine längere Zeit abzuwarten), und auch nach dieser Frist darf sie zuerst nur kurze Zeit außer dem Bett seyn, darf diese Zeit nur allmählig verlängern, und muß sich auch außer dem Bette vor jeder angreifenden Bewe- gung in Acht nehmen. Eins der wichtigsten Beförderungs- mittel des regelmäßigen Verlaufs der Wochenverrichtungen, so wie der völligen Wiederherstellung der verlorenen Kräfte, ist übrigens der ruhige Schlaf, und diesen suche man der Wöch- nerin vorzüglich zu erhalten, ja selbst die Neuentbundene kann demselben sich ohne Bedenken überlassen, sobald es nur nicht au hinlänglicher Aufsicht fehlt, um einen vielleicht eintreten- den stärkern Blutabgang, und was dergleichen Zufälle mehr sind, zeitig genug zu entdecken.
§. 961.
Die Gemüthsruhe der Wöchnerin zu erhalten, vermeide man ferner das Zudrängen fremder oder selbst bekannter Per- sonen; man untersage ihr in den ersten Tagen Lesen, vieles Sprechen, so wie das Vornehmen weiblicher Arbeiten; ganz vorzüglich aber müssen die häuslichen Umgebungen der Wöch- nerin darauf angewiesen werden, alles was zu Aerger, Schreck, Gram, plötzlicher Freude u. s. w. ihr Veranlassung geben könnte, sorgfältig zu vermeiden. -- Die Kleidung der das Bett verlassenden Wöchnerin sey bequem und warm; das Binden des Unterleibes nach der Geburt, durch Tücher oder durch die Leibbinde für Schwangere ist im Allgemeinen nicht nothwendig, ja, im Uebermaaß, offenbar schädlich, und darf also nur Personen von etwas schlaffer lymphatischer Constitution, so wie Mehrgebärenden, oder bei Wöchnerinnen,
§. 960.
Auf dieſem Lager verweilt die Woͤchnerin (die Zeit des Wechſels von Waͤſche und Betten u. ſ. w. abgerechnet) in ruhiger horizontaler Lage namentlich ſo lange, bis der blutige Wochen- fluß gewichen, und die Zuſammenziehung des Uterus bereits mehr vorgeſchritten iſt, welches vor Ablauf von wenigſtens 5 Tagen nicht fuͤglich der Fall ſeyn kann (bei beſonders ſchwaͤchlichen und reizbaren Perſonen oder bei nicht Stillen- den iſt noch eine laͤngere Zeit abzuwarten), und auch nach dieſer Friſt darf ſie zuerſt nur kurze Zeit außer dem Bett ſeyn, darf dieſe Zeit nur allmaͤhlig verlaͤngern, und muß ſich auch außer dem Bette vor jeder angreifenden Bewe- gung in Acht nehmen. Eins der wichtigſten Befoͤrderungs- mittel des regelmaͤßigen Verlaufs der Wochenverrichtungen, ſo wie der voͤlligen Wiederherſtellung der verlorenen Kraͤfte, iſt uͤbrigens der ruhige Schlaf, und dieſen ſuche man der Woͤch- nerin vorzuͤglich zu erhalten, ja ſelbſt die Neuentbundene kann demſelben ſich ohne Bedenken uͤberlaſſen, ſobald es nur nicht au hinlaͤnglicher Aufſicht fehlt, um einen vielleicht eintreten- den ſtaͤrkern Blutabgang, und was dergleichen Zufaͤlle mehr ſind, zeitig genug zu entdecken.
§. 961.
Die Gemuͤthsruhe der Woͤchnerin zu erhalten, vermeide man ferner das Zudraͤngen fremder oder ſelbſt bekannter Per- ſonen; man unterſage ihr in den erſten Tagen Leſen, vieles Sprechen, ſo wie das Vornehmen weiblicher Arbeiten; ganz vorzuͤglich aber muͤſſen die haͤuslichen Umgebungen der Woͤch- nerin darauf angewieſen werden, alles was zu Aerger, Schreck, Gram, ploͤtzlicher Freude u. ſ. w. ihr Veranlaſſung geben koͤnnte, ſorgfaͤltig zu vermeiden. — Die Kleidung der das Bett verlaſſenden Woͤchnerin ſey bequem und warm; das Binden des Unterleibes nach der Geburt, durch Tuͤcher oder durch die Leibbinde fuͤr Schwangere iſt im Allgemeinen nicht nothwendig, ja, im Uebermaaß, offenbar ſchaͤdlich, und darf alſo nur Perſonen von etwas ſchlaffer lymphatiſcher Conſtitution, ſo wie Mehrgebaͤrenden, oder bei Woͤchnerinnen,
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§. 960.
Auf dieſem Lager verweilt die Woͤchnerin (die Zeit des
Wechſels von Waͤſche und Betten u. ſ. w. abgerechnet) in ruhiger
horizontaler Lage namentlich ſo lange, bis der blutige Wochen-
fluß gewichen, und die Zuſammenziehung des Uterus bereits
mehr vorgeſchritten iſt, welches vor Ablauf von wenigſtens
5 Tagen nicht fuͤglich der Fall ſeyn kann (bei beſonders
ſchwaͤchlichen und reizbaren Perſonen oder bei nicht Stillen-
den iſt noch eine laͤngere Zeit abzuwarten), und auch nach
dieſer Friſt darf ſie zuerſt nur kurze Zeit außer dem Bett
ſeyn, darf dieſe Zeit nur allmaͤhlig verlaͤngern, und muß
ſich auch außer dem Bette vor jeder angreifenden Bewe-
gung in Acht nehmen. Eins der wichtigſten Befoͤrderungs-
mittel des regelmaͤßigen Verlaufs der Wochenverrichtungen,
ſo wie der voͤlligen Wiederherſtellung der verlorenen Kraͤfte, iſt
uͤbrigens der ruhige Schlaf, und dieſen ſuche man der Woͤch-
nerin vorzuͤglich zu erhalten, ja ſelbſt die Neuentbundene kann
demſelben ſich ohne Bedenken uͤberlaſſen, ſobald es nur nicht
au hinlaͤnglicher Aufſicht fehlt, um einen vielleicht eintreten-
den ſtaͤrkern Blutabgang, und was dergleichen Zufaͤlle mehr
ſind, zeitig genug zu entdecken.
§. 961.
Die Gemuͤthsruhe der Woͤchnerin zu erhalten, vermeide
man ferner das Zudraͤngen fremder oder ſelbſt bekannter Per-
ſonen; man unterſage ihr in den erſten Tagen Leſen, vieles
Sprechen, ſo wie das Vornehmen weiblicher Arbeiten; ganz
vorzuͤglich aber muͤſſen die haͤuslichen Umgebungen der Woͤch-
nerin darauf angewieſen werden, alles was zu Aerger, Schreck,
Gram, ploͤtzlicher Freude u. ſ. w. ihr Veranlaſſung geben
koͤnnte, ſorgfaͤltig zu vermeiden. — Die Kleidung der das
Bett verlaſſenden Woͤchnerin ſey bequem und warm; das
Binden des Unterleibes nach der Geburt, durch Tuͤcher oder
durch die Leibbinde fuͤr Schwangere iſt im Allgemeinen nicht
nothwendig, ja, im Uebermaaß, offenbar ſchaͤdlich, und
darf alſo nur Perſonen von etwas ſchlaffer lymphatiſcher
Conſtitution, ſo wie Mehrgebaͤrenden, oder bei Woͤchnerinnen,
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/216>, abgerufen am 26.11.2024.
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