hohe noch zu niedrige Temperatur der Atmosphäre der Ent- wickelung des Fetus günstig ist, und daher durch solche Aen- derungen der Atmosphäre öfters Mißfälle und Geburten todter Kinder veranlaßt werden. -- Bei alle dem ist jedoch nicht zu übersehen wie der Zusammenhang zwischen Mutter und Kind von der Art ist, daß Affektionen des mütterlichen Kör- pers nicht allzuleicht auf das Kind übertragen werden, und es ist hierbei merkwürdig, daß, wenn einerseits oft heftige Gemüthsbewegungen sehr bestimmt auf die Frucht wirken, ja den Tod derselben veranlaßen können, andrerseits auch wieder nicht selten die heftigsten körperlichen Erschütterungen und Leiden ertragen werden, ohne Nachtheil für die Frucht herbei zu führen. *)
§. 1126.
Betrachten wir nun noch die Folgen welche theils durch ursprünglich fehlerhafte Richtung der bildenden Kraft im Embryo, oder durch Einwirkungen vom mütterlichen Körper aus, herbeigeführt wurden, so müssen wir zuvörderst unterschei- den zwischen denjenigen, welche als deutliche, in Struktur oder Thätigkeit sich kund gebende Abnormitäten schon in der Periode des Fetuslebens erscheinen, und denjenigen welche erst späterhin nach der Geburt sich entwickeln. Zu den erstern gehören vorzüglich die in der speciellen Pathologie noch etwas näher zu betrachtenden organischen Verbildungen, nebst den Krankheiten, durch welche insbesondere Umänderungen der Bil- dungsthätigkeit veranlaßt werden, d. i. der Entzündungen und Fieber; zu den letztern hingegen sind die merkwürdigen gewöhn- lich unter den Namen der häreditären Krankheitsanlagen begriffe- nen Zustände zu zählen, wo eine gewiße fehlerhafte, oft sinnlich
*) Einen solchen Fall beobachtete ich z. B. bei einer Schwangern, welche durch einen schweren Fall den Schenkel brach, und noch auffallender ist das im Lond. medic. Repostory Vol. VII. p. IV. erzählte Beispiel einer ohne Störung der Schwangerschaft vorgenommenen Schenkelamputation.
hohe noch zu niedrige Temperatur der Atmoſphaͤre der Ent- wickelung des Fetus guͤnſtig iſt, und daher durch ſolche Aen- derungen der Atmoſphaͤre oͤfters Mißfaͤlle und Geburten todter Kinder veranlaßt werden. — Bei alle dem iſt jedoch nicht zu uͤberſehen wie der Zuſammenhang zwiſchen Mutter und Kind von der Art iſt, daß Affektionen des muͤtterlichen Koͤr- pers nicht allzuleicht auf das Kind uͤbertragen werden, und es iſt hierbei merkwuͤrdig, daß, wenn einerſeits oft heftige Gemuͤthsbewegungen ſehr beſtimmt auf die Frucht wirken, ja den Tod derſelben veranlaßen koͤnnen, andrerſeits auch wieder nicht ſelten die heftigſten koͤrperlichen Erſchuͤtterungen und Leiden ertragen werden, ohne Nachtheil fuͤr die Frucht herbei zu fuͤhren. *)
§. 1126.
Betrachten wir nun noch die Folgen welche theils durch urſpruͤnglich fehlerhafte Richtung der bildenden Kraft im Embryo, oder durch Einwirkungen vom muͤtterlichen Koͤrper aus, herbeigefuͤhrt wurden, ſo muͤſſen wir zuvoͤrderſt unterſchei- den zwiſchen denjenigen, welche als deutliche, in Struktur oder Thaͤtigkeit ſich kund gebende Abnormitaͤten ſchon in der Periode des Fetuslebens erſcheinen, und denjenigen welche erſt ſpaͤterhin nach der Geburt ſich entwickeln. Zu den erſtern gehoͤren vorzuͤglich die in der ſpeciellen Pathologie noch etwas naͤher zu betrachtenden organiſchen Verbildungen, nebſt den Krankheiten, durch welche insbeſondere Umaͤnderungen der Bil- dungsthaͤtigkeit veranlaßt werden, d. i. der Entzuͤndungen und Fieber; zu den letztern hingegen ſind die merkwuͤrdigen gewoͤhn- lich unter den Namen der haͤreditaͤren Krankheitsanlagen begriffe- nen Zuſtaͤnde zu zaͤhlen, wo eine gewiße fehlerhafte, oft ſinnlich
*) Einen ſolchen Fall beobachtete ich z. B. bei einer Schwangern, welche durch einen ſchweren Fall den Schenkel brach, und noch auffallender iſt das im Lond. medic. Repostory Vol. VII. p. IV. erzaͤhlte Beiſpiel einer ohne Stoͤrung der Schwangerſchaft vorgenommenen Schenkelamputation.
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hohe noch zu niedrige Temperatur der Atmoſphaͤre der Ent-
wickelung des Fetus guͤnſtig iſt, und daher durch ſolche Aen-
derungen der Atmoſphaͤre oͤfters Mißfaͤlle und Geburten todter
Kinder veranlaßt werden. — Bei alle dem iſt jedoch nicht
zu uͤberſehen wie der Zuſammenhang zwiſchen Mutter und
Kind von der Art iſt, daß Affektionen des muͤtterlichen Koͤr-
pers nicht allzuleicht auf das Kind uͤbertragen werden, und
es iſt hierbei merkwuͤrdig, daß, wenn einerſeits oft heftige
Gemuͤthsbewegungen ſehr beſtimmt auf die Frucht wirken, ja
den Tod derſelben veranlaßen koͤnnen, andrerſeits auch wieder
nicht ſelten die heftigſten koͤrperlichen Erſchuͤtterungen und
Leiden ertragen werden, ohne Nachtheil fuͤr die Frucht herbei
zu fuͤhren. *)
§. 1126.
Betrachten wir nun noch die Folgen welche theils
durch urſpruͤnglich fehlerhafte Richtung der bildenden Kraft
im Embryo, oder durch Einwirkungen vom muͤtterlichen Koͤrper
aus, herbeigefuͤhrt wurden, ſo muͤſſen wir zuvoͤrderſt unterſchei-
den zwiſchen denjenigen, welche als deutliche, in Struktur
oder Thaͤtigkeit ſich kund gebende Abnormitaͤten ſchon in der
Periode des Fetuslebens erſcheinen, und denjenigen welche erſt
ſpaͤterhin nach der Geburt ſich entwickeln. Zu den erſtern
gehoͤren vorzuͤglich die in der ſpeciellen Pathologie noch etwas
naͤher zu betrachtenden organiſchen Verbildungen, nebſt den
Krankheiten, durch welche insbeſondere Umaͤnderungen der Bil-
dungsthaͤtigkeit veranlaßt werden, d. i. der Entzuͤndungen und
Fieber; zu den letztern hingegen ſind die merkwuͤrdigen gewoͤhn-
lich unter den Namen der haͤreditaͤren Krankheitsanlagen begriffe-
nen Zuſtaͤnde zu zaͤhlen, wo eine gewiße fehlerhafte, oft ſinnlich
*) Einen ſolchen Fall beobachtete ich z. B. bei einer Schwangern,
welche durch einen ſchweren Fall den Schenkel brach, und noch
auffallender iſt das im Lond. medic. Repostory Vol. VII. p.
IV. erzaͤhlte Beiſpiel einer ohne Stoͤrung der Schwangerſchaft
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/307>, abgerufen am 25.11.2024.
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