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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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macht worden sind, wird auch in dieser Hinsicht die Prognose
ungünstiger. Daß übrigens, wie man neuerlich behauptet
hat, auch das Wegfallen des Druckes welchen der Kindeskopf
beim Durchgange durch das Becken erleiden soll, dem Kinde
so nachtheilig werden müße, daß es schwerlich fortleben könne,
ist doch durch die Erfahrung zu oft widerlegt worden, als
daß man so viel Gewicht darauf zu legen sich berechtigt
finden dürfte.

§. 1268.

Wir kommen nun zur Bestimmung des rechten Zeit-
punktes
für diese Operation, wo (dafern überhaupt eine
Wahl übrig bleibt und die Geburtsarbeit nicht bereits, ehe
der Geburtshelfer ankommt, sehr weit vorgerückt war) zu
entscheiden ist, ob man sie vor, oder nach geöffnetem
Muttermunde, vor oder nach abgefloßenem Fruchtwasser am
schicklichsten unternehmen werde, als worüber die Meinungen
sehr getheilt find. Was die Eröffnung des Muttermundes
betrifft, so ist sie sicher bis auf einen gewißen Grad nöthig,
da, wie schon von Richter angeführt wird, das Nichteröff-
netseyn desselben die Entleerung des Lochienflußes hindern
müßte, und, wie Hr. Jörg bemerkt, auch eine gewiße vor-
angegangene Aeußerung der Gebärmutterkraft um so nöthiger
ist, damit dieses Organ nicht nach der Entbindung zu reitz-
bar bleibe. Rücksichtlich der Entleerung des Fruchtwassers ist
Hr. Osiander nebst Mehrern der Meinung, daß dieselbe mög-
lichst vermieden werden müße, wenn dagegen Andere theils
überhaupt zur Sprengung der Eihäute vor Beginn der Ope-
ration rathen, theils (wie Hr. v. Sicbold) bei großer
Anhäufung des Fruchtwassers wenigstens für das vorherige
Sprengen der Eihäute stimmen.

§. 1269.

Für das Sprengen der Eihäute aber spricht es na-
mentlich, daß man dadurch einer noch genauern Untersuchung
der Kindestheile fähig wird, und so auch über Lebensfä-

macht worden ſind, wird auch in dieſer Hinſicht die Prognoſe
unguͤnſtiger. Daß uͤbrigens, wie man neuerlich behauptet
hat, auch das Wegfallen des Druckes welchen der Kindeskopf
beim Durchgange durch das Becken erleiden ſoll, dem Kinde
ſo nachtheilig werden muͤße, daß es ſchwerlich fortleben koͤnne,
iſt doch durch die Erfahrung zu oft widerlegt worden, als
daß man ſo viel Gewicht darauf zu legen ſich berechtigt
finden duͤrfte.

§. 1268.

Wir kommen nun zur Beſtimmung des rechten Zeit-
punktes
fuͤr dieſe Operation, wo (dafern uͤberhaupt eine
Wahl uͤbrig bleibt und die Geburtsarbeit nicht bereits, ehe
der Geburtshelfer ankommt, ſehr weit vorgeruͤckt war) zu
entſcheiden iſt, ob man ſie vor, oder nach geoͤffnetem
Muttermunde, vor oder nach abgefloßenem Fruchtwaſſer am
ſchicklichſten unternehmen werde, als woruͤber die Meinungen
ſehr getheilt find. Was die Eroͤffnung des Muttermundes
betrifft, ſo iſt ſie ſicher bis auf einen gewißen Grad noͤthig,
da, wie ſchon von Richter angefuͤhrt wird, das Nichteroͤff-
netſeyn deſſelben die Entleerung des Lochienflußes hindern
muͤßte, und, wie Hr. Joͤrg bemerkt, auch eine gewiße vor-
angegangene Aeußerung der Gebaͤrmutterkraft um ſo noͤthiger
iſt, damit dieſes Organ nicht nach der Entbindung zu reitz-
bar bleibe. Ruͤckſichtlich der Entleerung des Fruchtwaſſers iſt
Hr. Oſiander nebſt Mehrern der Meinung, daß dieſelbe moͤg-
lichſt vermieden werden muͤße, wenn dagegen Andere theils
uͤberhaupt zur Sprengung der Eihaͤute vor Beginn der Ope-
ration rathen, theils (wie Hr. v. Sicbold) bei großer
Anhaͤufung des Fruchtwaſſers wenigſtens fuͤr das vorherige
Sprengen der Eihaͤute ſtimmen.

§. 1269.

Fuͤr das Sprengen der Eihaͤute aber ſpricht es na-
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[373/0397] macht worden ſind, wird auch in dieſer Hinſicht die Prognoſe unguͤnſtiger. Daß uͤbrigens, wie man neuerlich behauptet hat, auch das Wegfallen des Druckes welchen der Kindeskopf beim Durchgange durch das Becken erleiden ſoll, dem Kinde ſo nachtheilig werden muͤße, daß es ſchwerlich fortleben koͤnne, iſt doch durch die Erfahrung zu oft widerlegt worden, als daß man ſo viel Gewicht darauf zu legen ſich berechtigt finden duͤrfte. §. 1268. Wir kommen nun zur Beſtimmung des rechten Zeit- punktes fuͤr dieſe Operation, wo (dafern uͤberhaupt eine Wahl uͤbrig bleibt und die Geburtsarbeit nicht bereits, ehe der Geburtshelfer ankommt, ſehr weit vorgeruͤckt war) zu entſcheiden iſt, ob man ſie vor, oder nach geoͤffnetem Muttermunde, vor oder nach abgefloßenem Fruchtwaſſer am ſchicklichſten unternehmen werde, als woruͤber die Meinungen ſehr getheilt find. Was die Eroͤffnung des Muttermundes betrifft, ſo iſt ſie ſicher bis auf einen gewißen Grad noͤthig, da, wie ſchon von Richter angefuͤhrt wird, das Nichteroͤff- netſeyn deſſelben die Entleerung des Lochienflußes hindern muͤßte, und, wie Hr. Joͤrg bemerkt, auch eine gewiße vor- angegangene Aeußerung der Gebaͤrmutterkraft um ſo noͤthiger iſt, damit dieſes Organ nicht nach der Entbindung zu reitz- bar bleibe. Ruͤckſichtlich der Entleerung des Fruchtwaſſers iſt Hr. Oſiander nebſt Mehrern der Meinung, daß dieſelbe moͤg- lichſt vermieden werden muͤße, wenn dagegen Andere theils uͤberhaupt zur Sprengung der Eihaͤute vor Beginn der Ope- ration rathen, theils (wie Hr. v. Sicbold) bei großer Anhaͤufung des Fruchtwaſſers wenigſtens fuͤr das vorherige Sprengen der Eihaͤute ſtimmen. §. 1269. Fuͤr das Sprengen der Eihaͤute aber ſpricht es na- mentlich, daß man dadurch einer noch genauern Unterſuchung der Kindestheile faͤhig wird, und ſo auch uͤber Lebensfaͤ-

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/397>, abgerufen am 22.11.2024.