Vorbandenseyn anderer krankhafter Zustände, welche durch Weite des Beckens bedingt werden, z. B. des Gebärmutrer- vorfalls. Endlich giebt das zuverläßigste Kennzeichen die in- nere geburtshülfliche Untersuchung. Die zu große Weite ist übrigens auch zuweilen nur einer gewißen Gegend z. B. dem Beckeneingange eigen. -- Ist außerdem noch die Neigung des Beckens zu gering, so zeigt sich dieses an: durch die zu sehr nach vorn gerichteten äußern Genitalien, den tief ste- henden Muttermund und Kindestheil und durch die mehr senk- rechte Stellung der Schamknochen; und eben so wird die zu geringe Krümmung dem die innere hintere Fläche des kleinen Beckens untersuchenden Finger, und die zu geringe Höhe durch die kleine Statur des ganzen Körpers, so wie durch die Leichtigkeit mit welcher Muttermund, Kindestheil und Promontorium erreicht werden, erkennbar.
§. 1413.
Die Folgen dieser Regelwidrigkeiten sind schon wäh- rend der Schwangerschaft bemerklich, und äußern sich durch tieferes Herabsenken des schwangern Uterus welches, wie schon in der Pathologie der Schwangerschaft bemerkt worden ist, Stuhl- und Harnverhaltung, Tenesmus, Druck auf die Becken- gefäße (und dadurch Varices, Oedema pedum, Unordnun- gen im Pfortadersystem, u. s. w.) ja selbst Rückwärtsbeugung des schwangern Uterus, Blutung, Entzündung, ja Abortus veranlassen kann. -- Erfolgt nun die Geburt, so kann auch hier theils der Vorfall und späterhin die Umstülpung des Ute- rus leichter eintreten, theils aber wird auch der zu rasche Durchgang des Kindes durch das Becken für die Mutter so- wohl als für das Kind manche Gefahr veranlassen. Für die Mutter wirkt die plötzliche Entleerung des Uterus nachtheilig, indem sie Blutungen veranlaßt, zu heftigen Nachwehen und überhaupt größerer Reitzbarkeit des Uterus im Wochenbett, so wie zu starken Einrissen des Dammes beim Durchgange des Kindes führt; für das Kind, indem die zu schnelle Ge- burt leicht den Sturz desselben auf den Boden veranlassen
Vorbandenſeyn anderer krankhafter Zuſtaͤnde, welche durch Weite des Beckens bedingt werden, z. B. des Gebaͤrmutrer- vorfalls. Endlich giebt das zuverlaͤßigſte Kennzeichen die in- nere geburtshuͤlfliche Unterſuchung. Die zu große Weite iſt uͤbrigens auch zuweilen nur einer gewißen Gegend z. B. dem Beckeneingange eigen. — Iſt außerdem noch die Neigung des Beckens zu gering, ſo zeigt ſich dieſes an: durch die zu ſehr nach vorn gerichteten aͤußern Genitalien, den tief ſte- henden Muttermund und Kindestheil und durch die mehr ſenk- rechte Stellung der Schamknochen; und eben ſo wird die zu geringe Kruͤmmung dem die innere hintere Flaͤche des kleinen Beckens unterſuchenden Finger, und die zu geringe Hoͤhe durch die kleine Statur des ganzen Koͤrpers, ſo wie durch die Leichtigkeit mit welcher Muttermund, Kindestheil und Promontorium erreicht werden, erkennbar.
§. 1413.
Die Folgen dieſer Regelwidrigkeiten ſind ſchon waͤh- rend der Schwangerſchaft bemerklich, und aͤußern ſich durch tieferes Herabſenken des ſchwangern Uterus welches, wie ſchon in der Pathologie der Schwangerſchaft bemerkt worden iſt, Stuhl- und Harnverhaltung, Tenesmus, Druck auf die Becken- gefaͤße (und dadurch Varices, Oedema pedum, Unordnun- gen im Pfortaderſyſtem, u. ſ. w.) ja ſelbſt Ruͤckwaͤrtsbeugung des ſchwangern Uterus, Blutung, Entzuͤndung, ja Abortus veranlaſſen kann. — Erfolgt nun die Geburt, ſo kann auch hier theils der Vorfall und ſpaͤterhin die Umſtuͤlpung des Ute- rus leichter eintreten, theils aber wird auch der zu raſche Durchgang des Kindes durch das Becken fuͤr die Mutter ſo- wohl als fuͤr das Kind manche Gefahr veranlaſſen. Fuͤr die Mutter wirkt die ploͤtzliche Entleerung des Uterus nachtheilig, indem ſie Blutungen veranlaßt, zu heftigen Nachwehen und uͤberhaupt groͤßerer Reitzbarkeit des Uterus im Wochenbett, ſo wie zu ſtarken Einriſſen des Dammes beim Durchgange des Kindes fuͤhrt; fuͤr das Kind, indem die zu ſchnelle Ge- burt leicht den Sturz deſſelben auf den Boden veranlaſſen
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Vorbandenſeyn anderer krankhafter Zuſtaͤnde, welche durch
Weite des Beckens bedingt werden, z. B. des Gebaͤrmutrer-
vorfalls. Endlich giebt das zuverlaͤßigſte Kennzeichen die in-
nere geburtshuͤlfliche Unterſuchung. Die zu große Weite iſt
uͤbrigens auch zuweilen nur einer gewißen Gegend z. B. dem
Beckeneingange eigen. — Iſt außerdem noch die Neigung
des Beckens zu gering, ſo zeigt ſich dieſes an: durch die
zu ſehr nach vorn gerichteten aͤußern Genitalien, den tief ſte-
henden Muttermund und Kindestheil und durch die mehr ſenk-
rechte Stellung der Schamknochen; und eben ſo wird die zu
geringe Kruͤmmung dem die innere hintere Flaͤche des
kleinen Beckens unterſuchenden Finger, und die zu geringe
Hoͤhe durch die kleine Statur des ganzen Koͤrpers, ſo wie
durch die Leichtigkeit mit welcher Muttermund, Kindestheil
und Promontorium erreicht werden, erkennbar.
§. 1413.
Die Folgen dieſer Regelwidrigkeiten ſind ſchon waͤh-
rend der Schwangerſchaft bemerklich, und aͤußern ſich durch
tieferes Herabſenken des ſchwangern Uterus welches, wie ſchon
in der Pathologie der Schwangerſchaft bemerkt worden iſt,
Stuhl- und Harnverhaltung, Tenesmus, Druck auf die Becken-
gefaͤße (und dadurch Varices, Oedema pedum, Unordnun-
gen im Pfortaderſyſtem, u. ſ. w.) ja ſelbſt Ruͤckwaͤrtsbeugung
des ſchwangern Uterus, Blutung, Entzuͤndung, ja Abortus
veranlaſſen kann. — Erfolgt nun die Geburt, ſo kann auch
hier theils der Vorfall und ſpaͤterhin die Umſtuͤlpung des Ute-
rus leichter eintreten, theils aber wird auch der zu raſche
Durchgang des Kindes durch das Becken fuͤr die Mutter ſo-
wohl als fuͤr das Kind manche Gefahr veranlaſſen. Fuͤr die
Mutter wirkt die ploͤtzliche Entleerung des Uterus nachtheilig,
indem ſie Blutungen veranlaßt, zu heftigen Nachwehen und
uͤberhaupt groͤßerer Reitzbarkeit des Uterus im Wochenbett,
ſo wie zu ſtarken Einriſſen des Dammes beim Durchgange
des Kindes fuͤhrt; fuͤr das Kind, indem die zu ſchnelle Ge-
burt leicht den Sturz deſſelben auf den Boden veranlaſſen
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/479>, abgerufen am 22.11.2024.
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