rer Körperlänge. Was das schiefe Becken betrifft, so giebt auch davon allerdings die innere Untersuchung des Becken- raums die sicherste Kenntniß; allein auch äußerlich läßt sich aus der Richtung der untern Gliedmaaßen und aus der Bil- dung der Wirbelsäule darauf schließen *), indem besonders Scoliosis des Rückgraths auf die Schiefheit des Beckens da- durch entschiedenen Einfluß hat, daß die Convexität der Wir- belsäule in einer Gegend gewöhnlich das Abweichen nach der entgegengesetzten Seite in den nächstangränzenden Stücken zur Folge hat; so daß z. B. bei Biegung der Rückenwirbel nach rechts, die Lendenwirbel nebst dem Promontorio nach links abweichen, und Verengerung der linken gegen die rechte Beckenhälfte zur Folge haben werden. Das selten vorkom- mende Lockerwerden der Kreuz- und Darmbein-, so wie der Schambein-Verbindungen giebt sich durch Wanken des gan- zen Beckens, die Unbeweglichkeit der Kreuz- und Schwanz- beinverbindung durch innere Untersuchung des Beckenausgan- ges bald zu erkennen.
§. 1419.
Die Ursachen dieser Verunstaltungen des Beckens kön- nen sehr mannigfaltig seyn; es gehört dahin Rhachitis, vie- les Stillsitzen der Kinder auf platter Erde, harten Bänken oder durchbohrten Kinderstühlen, Schnürleiber, Hackenschuhe, schweres Tragen auf dem Rücken oder auf dem Kopfe **), Verletzungen der Beckenknochen oder Beckenbänder, wodurch theils unmittelbar Verengerung verursacht, theils zu Entste- hung verengender steatomatöser und knöcherner Auswüchse Ver- anlassung gegeben wird, gichtische und convulsivische Krank-
*) Hierauf hat vorzüglich aufmerksam gemacht: Hr. Choulant in seiner Decas pelvium spinarumque deformatarum. Lips. 1818. 4.
**) Man findet deßhalb häufig in gebirgigen Gegenden wo das Tra- gen auf Rücken und Kopf gewöhnlich ist, sehr verbildete Becken. Einige Dörfer in hiesiger Umgegend geben dazu die deutlich- sten Belege.
rer Koͤrperlaͤnge. Was das ſchiefe Becken betrifft, ſo giebt auch davon allerdings die innere Unterſuchung des Becken- raums die ſicherſte Kenntniß; allein auch aͤußerlich laͤßt ſich aus der Richtung der untern Gliedmaaßen und aus der Bil- dung der Wirbelſaͤule darauf ſchließen *), indem beſonders Scoliosis des Ruͤckgraths auf die Schiefheit des Beckens da- durch entſchiedenen Einfluß hat, daß die Convexitaͤt der Wir- belſaͤule in einer Gegend gewoͤhnlich das Abweichen nach der entgegengeſetzten Seite in den naͤchſtangraͤnzenden Stuͤcken zur Folge hat; ſo daß z. B. bei Biegung der Ruͤckenwirbel nach rechts, die Lendenwirbel nebſt dem Promontorio nach links abweichen, und Verengerung der linken gegen die rechte Beckenhaͤlfte zur Folge haben werden. Das ſelten vorkom- mende Lockerwerden der Kreuz- und Darmbein-, ſo wie der Schambein-Verbindungen giebt ſich durch Wanken des gan- zen Beckens, die Unbeweglichkeit der Kreuz- und Schwanz- beinverbindung durch innere Unterſuchung des Beckenausgan- ges bald zu erkennen.
§. 1419.
Die Urſachen dieſer Verunſtaltungen des Beckens koͤn- nen ſehr mannigfaltig ſeyn; es gehoͤrt dahin Rhachitis, vie- les Stillſitzen der Kinder auf platter Erde, harten Baͤnken oder durchbohrten Kinderſtuͤhlen, Schnuͤrleiber, Hackenſchuhe, ſchweres Tragen auf dem Ruͤcken oder auf dem Kopfe **), Verletzungen der Beckenknochen oder Beckenbaͤnder, wodurch theils unmittelbar Verengerung verurſacht, theils zu Entſte- hung verengender ſteatomatoͤſer und knoͤcherner Auswuͤchſe Ver- anlaſſung gegeben wird, gichtiſche und convulſiviſche Krank-
*) Hierauf hat vorzuͤglich aufmerkſam gemacht: Hr. Choulant in ſeiner Decas pelvium spinarumque deformatarum. Lips. 1818. 4.
**) Man findet deßhalb haͤufig in gebirgigen Gegenden wo das Tra- gen auf Ruͤcken und Kopf gewoͤhnlich iſt, ſehr verbildete Becken. Einige Doͤrfer in hieſiger Umgegend geben dazu die deutlich- ſten Belege.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0483"n="457"/>
rer Koͤrperlaͤnge. Was das <hirendition="#g">ſchiefe</hi> Becken betrifft, ſo giebt<lb/>
auch davon allerdings die innere Unterſuchung des Becken-<lb/>
raums die ſicherſte Kenntniß; allein auch aͤußerlich laͤßt ſich<lb/>
aus der Richtung der untern Gliedmaaßen und aus der Bil-<lb/>
dung der Wirbelſaͤule darauf ſchließen <noteplace="foot"n="*)">Hierauf hat vorzuͤglich aufmerkſam gemacht: Hr. <hirendition="#aq">Choulant</hi> in<lb/>ſeiner <hirendition="#aq">Decas pelvium spinarumque deformatarum. Lips.</hi> 1818. 4.</note>, indem beſonders<lb/><hirendition="#aq">Scoliosis</hi> des Ruͤckgraths auf die Schiefheit des Beckens da-<lb/>
durch entſchiedenen Einfluß hat, daß die Convexitaͤt der Wir-<lb/>
belſaͤule in einer Gegend gewoͤhnlich das Abweichen nach der<lb/>
entgegengeſetzten Seite in den naͤchſtangraͤnzenden Stuͤcken<lb/>
zur Folge hat; ſo daß z. B. bei Biegung der Ruͤckenwirbel<lb/>
nach rechts, die Lendenwirbel nebſt dem <hirendition="#aq">Promontorio</hi> nach<lb/>
links abweichen, und Verengerung der linken gegen die rechte<lb/>
Beckenhaͤlfte zur Folge haben werden. Das ſelten vorkom-<lb/>
mende Lockerwerden der Kreuz- und Darmbein-, ſo wie der<lb/>
Schambein-Verbindungen giebt ſich durch Wanken des gan-<lb/>
zen Beckens, die Unbeweglichkeit der Kreuz- und Schwanz-<lb/>
beinverbindung durch innere Unterſuchung des Beckenausgan-<lb/>
ges bald zu erkennen.</p></div><lb/><divn="9"><head>§. 1419.</head><lb/><p><hirendition="#g">Die Urſachen</hi> dieſer Verunſtaltungen des Beckens koͤn-<lb/>
nen ſehr mannigfaltig ſeyn; es gehoͤrt dahin Rhachitis, vie-<lb/>
les Stillſitzen der Kinder auf platter Erde, harten Baͤnken<lb/>
oder durchbohrten Kinderſtuͤhlen, Schnuͤrleiber, Hackenſchuhe,<lb/>ſchweres Tragen auf dem Ruͤcken oder auf dem Kopfe <noteplace="foot"n="**)">Man findet deßhalb haͤufig in gebirgigen Gegenden wo das Tra-<lb/>
gen auf Ruͤcken und Kopf gewoͤhnlich iſt, ſehr verbildete Becken.<lb/>
Einige Doͤrfer in hieſiger Umgegend geben dazu die deutlich-<lb/>ſten Belege.</note>,<lb/>
Verletzungen der Beckenknochen oder Beckenbaͤnder, wodurch<lb/>
theils unmittelbar Verengerung verurſacht, theils zu Entſte-<lb/>
hung verengender ſteatomatoͤſer und knoͤcherner Auswuͤchſe Ver-<lb/>
anlaſſung gegeben wird, gichtiſche und convulſiviſche Krank-<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[457/0483]
rer Koͤrperlaͤnge. Was das ſchiefe Becken betrifft, ſo giebt
auch davon allerdings die innere Unterſuchung des Becken-
raums die ſicherſte Kenntniß; allein auch aͤußerlich laͤßt ſich
aus der Richtung der untern Gliedmaaßen und aus der Bil-
dung der Wirbelſaͤule darauf ſchließen *), indem beſonders
Scoliosis des Ruͤckgraths auf die Schiefheit des Beckens da-
durch entſchiedenen Einfluß hat, daß die Convexitaͤt der Wir-
belſaͤule in einer Gegend gewoͤhnlich das Abweichen nach der
entgegengeſetzten Seite in den naͤchſtangraͤnzenden Stuͤcken
zur Folge hat; ſo daß z. B. bei Biegung der Ruͤckenwirbel
nach rechts, die Lendenwirbel nebſt dem Promontorio nach
links abweichen, und Verengerung der linken gegen die rechte
Beckenhaͤlfte zur Folge haben werden. Das ſelten vorkom-
mende Lockerwerden der Kreuz- und Darmbein-, ſo wie der
Schambein-Verbindungen giebt ſich durch Wanken des gan-
zen Beckens, die Unbeweglichkeit der Kreuz- und Schwanz-
beinverbindung durch innere Unterſuchung des Beckenausgan-
ges bald zu erkennen.
§. 1419.
Die Urſachen dieſer Verunſtaltungen des Beckens koͤn-
nen ſehr mannigfaltig ſeyn; es gehoͤrt dahin Rhachitis, vie-
les Stillſitzen der Kinder auf platter Erde, harten Baͤnken
oder durchbohrten Kinderſtuͤhlen, Schnuͤrleiber, Hackenſchuhe,
ſchweres Tragen auf dem Ruͤcken oder auf dem Kopfe **),
Verletzungen der Beckenknochen oder Beckenbaͤnder, wodurch
theils unmittelbar Verengerung verurſacht, theils zu Entſte-
hung verengender ſteatomatoͤſer und knoͤcherner Auswuͤchſe Ver-
anlaſſung gegeben wird, gichtiſche und convulſiviſche Krank-
*) Hierauf hat vorzuͤglich aufmerkſam gemacht: Hr. Choulant in
ſeiner Decas pelvium spinarumque deformatarum. Lips. 1818. 4.
**) Man findet deßhalb haͤufig in gebirgigen Gegenden wo das Tra-
gen auf Ruͤcken und Kopf gewoͤhnlich iſt, ſehr verbildete Becken.
Einige Doͤrfer in hieſiger Umgegend geben dazu die deutlich-
ſten Belege.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/483>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.