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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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man sodann über den Kopf nach vorn abzustreifen, indem
man wo die Umschlingung etwa doppelt ist, die Vorsicht an-
wendet, erst durch Unterbringen zweier Finger beide Schlin-
gen etwas locker zu machen und dann eine nach der andern
zu lösen. Ist die Schlinge zu fest angespannt, um über den
Kopf gebracht zu werden, so löst man sie wenigstens etwas,
und schiebt sie, indem das Kind vorrückt, über die Schultern
nach hinten; sollte aber endlich auch dieses nicht möglich seyn,
und die Spannung des Nabelstranges das Zerreißen desselben
oder das Abreißen der Placenta befürchten lassen, so bleibt
dann kein Mittel, als ihn durch die Schere zu trennen,
wobei indeß (da sich kindliches und mütterliches Nabelschnur-
stück hier noch nicht unterscheiden lassen) es die Vorsicht for-
dert beide Enden vorher zu unterbinden, oder wenigstens,
wenn die Zeit hierzu zu kurz ist, beide durchschnittene Enden
durch einen Gehülfen fest zudrücken zu lassen, bis die Unter-
bindung der kindlichen Hälfte vorgenommen werden kann.
Umschlingungen um andere Theile lösen sich meistens leichter
und das Verfahren dabei ergiebt sich von selbst.

3.
Zerreißung des Nabelstranges.
§. 1521.

Durch unvorsichtiges Anziehen des Kindes, oder bei
fester Umschlingung auch wohl durch die Gewalt der Wehen,
kann in seltnen Fällen der Nabelstrang zerreißen, und so eine
für das Kind sehr gefährliche Blutung veranlaßt werden.
Sollte dieses vorkommen, so wird eines Theils die schleunige
Entbindung nöthig (da wenn auch das abgerissene kindliche
Ende unterbunden werden kann, doch sonst das Kind bei ge-
hindertem Athemholen der Lungen ersticken müßte), andern
Theils die Stillung der Blutung, entweder durch Unterbin-
dung, oder wenn im schlimmsten Falle die Nabelschnur dicht
am Leibe abgerissen ist, durch Aufdrücken von Feuerschwamm
mit einem styptischen Pulver bestreut.


man ſodann uͤber den Kopf nach vorn abzuſtreifen, indem
man wo die Umſchlingung etwa doppelt iſt, die Vorſicht an-
wendet, erſt durch Unterbringen zweier Finger beide Schlin-
gen etwas locker zu machen und dann eine nach der andern
zu loͤſen. Iſt die Schlinge zu feſt angeſpannt, um uͤber den
Kopf gebracht zu werden, ſo loͤſt man ſie wenigſtens etwas,
und ſchiebt ſie, indem das Kind vorruͤckt, uͤber die Schultern
nach hinten; ſollte aber endlich auch dieſes nicht moͤglich ſeyn,
und die Spannung des Nabelſtranges das Zerreißen deſſelben
oder das Abreißen der Placenta befuͤrchten laſſen, ſo bleibt
dann kein Mittel, als ihn durch die Schere zu trennen,
wobei indeß (da ſich kindliches und muͤtterliches Nabelſchnur-
ſtuͤck hier noch nicht unterſcheiden laſſen) es die Vorſicht for-
dert beide Enden vorher zu unterbinden, oder wenigſtens,
wenn die Zeit hierzu zu kurz iſt, beide durchſchnittene Enden
durch einen Gehuͤlfen feſt zudruͤcken zu laſſen, bis die Unter-
bindung der kindlichen Haͤlfte vorgenommen werden kann.
Umſchlingungen um andere Theile loͤſen ſich meiſtens leichter
und das Verfahren dabei ergiebt ſich von ſelbſt.

3.
Zerreißung des Nabelſtranges.
§. 1521.

Durch unvorſichtiges Anziehen des Kindes, oder bei
feſter Umſchlingung auch wohl durch die Gewalt der Wehen,
kann in ſeltnen Faͤllen der Nabelſtrang zerreißen, und ſo eine
fuͤr das Kind ſehr gefaͤhrliche Blutung veranlaßt werden.
Sollte dieſes vorkommen, ſo wird eines Theils die ſchleunige
Entbindung noͤthig (da wenn auch das abgeriſſene kindliche
Ende unterbunden werden kann, doch ſonſt das Kind bei ge-
hindertem Athemholen der Lungen erſticken muͤßte), andern
Theils die Stillung der Blutung, entweder durch Unterbin-
dung, oder wenn im ſchlimmſten Falle die Nabelſchnur dicht
am Leibe abgeriſſen iſt, durch Aufdruͤcken von Feuerſchwamm
mit einem ſtyptiſchen Pulver beſtreut.


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[519/0545] man ſodann uͤber den Kopf nach vorn abzuſtreifen, indem man wo die Umſchlingung etwa doppelt iſt, die Vorſicht an- wendet, erſt durch Unterbringen zweier Finger beide Schlin- gen etwas locker zu machen und dann eine nach der andern zu loͤſen. Iſt die Schlinge zu feſt angeſpannt, um uͤber den Kopf gebracht zu werden, ſo loͤſt man ſie wenigſtens etwas, und ſchiebt ſie, indem das Kind vorruͤckt, uͤber die Schultern nach hinten; ſollte aber endlich auch dieſes nicht moͤglich ſeyn, und die Spannung des Nabelſtranges das Zerreißen deſſelben oder das Abreißen der Placenta befuͤrchten laſſen, ſo bleibt dann kein Mittel, als ihn durch die Schere zu trennen, wobei indeß (da ſich kindliches und muͤtterliches Nabelſchnur- ſtuͤck hier noch nicht unterſcheiden laſſen) es die Vorſicht for- dert beide Enden vorher zu unterbinden, oder wenigſtens, wenn die Zeit hierzu zu kurz iſt, beide durchſchnittene Enden durch einen Gehuͤlfen feſt zudruͤcken zu laſſen, bis die Unter- bindung der kindlichen Haͤlfte vorgenommen werden kann. Umſchlingungen um andere Theile loͤſen ſich meiſtens leichter und das Verfahren dabei ergiebt ſich von ſelbſt. 3. Zerreißung des Nabelſtranges. §. 1521. Durch unvorſichtiges Anziehen des Kindes, oder bei feſter Umſchlingung auch wohl durch die Gewalt der Wehen, kann in ſeltnen Faͤllen der Nabelſtrang zerreißen, und ſo eine fuͤr das Kind ſehr gefaͤhrliche Blutung veranlaßt werden. Sollte dieſes vorkommen, ſo wird eines Theils die ſchleunige Entbindung noͤthig (da wenn auch das abgeriſſene kindliche Ende unterbunden werden kann, doch ſonſt das Kind bei ge- hindertem Athemholen der Lungen erſticken muͤßte), andern Theils die Stillung der Blutung, entweder durch Unterbin- dung, oder wenn im ſchlimmſten Falle die Nabelſchnur dicht am Leibe abgeriſſen iſt, durch Aufdruͤcken von Feuerſchwamm mit einem ſtyptiſchen Pulver beſtreut.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/545>, abgerufen am 22.11.2024.