ordentlich blutreich, die Hirnsubstanz sehr geröthet und abnorm fest oder weich, ja selbst die Schädelknochen wie injicirt und durchaus roth gefärbt, theils findet man die Hirnhöhlenwände von Eiterung angegriffen oder mit Wasser angefüllt.
§. 1683.
Die veranlassenden Ursachen der Gehirnentzündung neu- geborener Kinder und Säuglinge sind (abgesehen von der durch den Blutreichthum des Kopfs schon an sich gegebenen Dispo- sition) theils mechanische Schädlichkeiten, Knochenverletzungen und Hirnerschütterungen bei schweren Geburten, oder durch Sturz auf den Boden, oder Unvorsichtigkeiten der Wärterin, theils zu heißes Verhalten, starke geistige Umschläge über den Kopf, Erkältungen, unzweckmäßige Nahrung, langdauernde Obstruktionen u. s. w.
§. 1684.
Die Behandlung ist gewöhnlich nur dann mit einiger Hoffnung eines glücklichen Erfolgs einzuleiten, wenn die Krank- heit zeitig genug erkannt wird. Die anzuwendende Methode ist die antiphlogistische: man legt bei neugeborenen Kindern 1 bis 2, bei einige Monate alten Kindern 3 bis 4 Blutigel an die Schläfe, bringt das Kind in ein laues Bad und läßt den Kopf mit kühlem Wasser und Essig fomentiren, legt Fomentationen von Flanelltüchern in Senfabsud getaucht um die Füße, kleine Vesikatorien in den Nacken, giebt innerlich kühlende abführende Mittel, wie Manna, Tamaridenaufguß u. s. w. und vorzüglich das Calomel zu 1/4 oder 1/2 Gran, läßt öfters Lavements anwenden, das Kind nicht zu warm halten und die Einwirkung des Lichts auf die Augen vermeiden. Zeigen sich die Symptome der Zertheilung, so werden die Gaben dieser Mittel beschränkt, die kritischen Ausleerungen befördert, und die Convalescenz vorsichtig geleitet. -- Zeichen vom Ueber- gange in Wassersucht der Hirnhöhlen rauben meistens die Hoff- nung eines glücklichen Ausgangs; die Versuche zur Heilung können indeß auch hier nur in fortgesetzter Aufregung ander-
ordentlich blutreich, die Hirnſubſtanz ſehr geroͤthet und abnorm feſt oder weich, ja ſelbſt die Schaͤdelknochen wie injicirt und durchaus roth gefaͤrbt, theils findet man die Hirnhoͤhlenwaͤnde von Eiterung angegriffen oder mit Waſſer angefuͤllt.
§. 1683.
Die veranlaſſenden Urſachen der Gehirnentzuͤndung neu- geborener Kinder und Saͤuglinge ſind (abgeſehen von der durch den Blutreichthum des Kopfs ſchon an ſich gegebenen Dispo- ſition) theils mechaniſche Schaͤdlichkeiten, Knochenverletzungen und Hirnerſchuͤtterungen bei ſchweren Geburten, oder durch Sturz auf den Boden, oder Unvorſichtigkeiten der Waͤrterin, theils zu heißes Verhalten, ſtarke geiſtige Umſchlaͤge uͤber den Kopf, Erkaͤltungen, unzweckmaͤßige Nahrung, langdauernde Obſtruktionen u. ſ. w.
§. 1684.
Die Behandlung iſt gewoͤhnlich nur dann mit einiger Hoffnung eines gluͤcklichen Erfolgs einzuleiten, wenn die Krank- heit zeitig genug erkannt wird. Die anzuwendende Methode iſt die antiphlogiſtiſche: man legt bei neugeborenen Kindern 1 bis 2, bei einige Monate alten Kindern 3 bis 4 Blutigel an die Schlaͤfe, bringt das Kind in ein laues Bad und laͤßt den Kopf mit kuͤhlem Waſſer und Eſſig fomentiren, legt Fomentationen von Flanelltuͤchern in Senfabſud getaucht um die Fuͤße, kleine Veſikatorien in den Nacken, giebt innerlich kuͤhlende abfuͤhrende Mittel, wie Manna, Tamaridenaufguß u. ſ. w. und vorzuͤglich das Calomel zu ¼ oder ½ Gran, laͤßt oͤfters Lavements anwenden, das Kind nicht zu warm halten und die Einwirkung des Lichts auf die Augen vermeiden. Zeigen ſich die Symptome der Zertheilung, ſo werden die Gaben dieſer Mittel beſchraͤnkt, die kritiſchen Ausleerungen befoͤrdert, und die Convaleſcenz vorſichtig geleitet. — Zeichen vom Ueber- gange in Waſſerſucht der Hirnhoͤhlen rauben meiſtens die Hoff- nung eines gluͤcklichen Ausgangs; die Verſuche zur Heilung koͤnnen indeß auch hier nur in fortgeſetzter Aufregung ander-
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ordentlich blutreich, die Hirnſubſtanz ſehr geroͤthet und abnorm
feſt oder weich, ja ſelbſt die Schaͤdelknochen wie injicirt und
durchaus roth gefaͤrbt, theils findet man die Hirnhoͤhlenwaͤnde
von Eiterung angegriffen oder mit Waſſer angefuͤllt.
§. 1683.
Die veranlaſſenden Urſachen der Gehirnentzuͤndung neu-
geborener Kinder und Saͤuglinge ſind (abgeſehen von der durch
den Blutreichthum des Kopfs ſchon an ſich gegebenen Dispo-
ſition) theils mechaniſche Schaͤdlichkeiten, Knochenverletzungen
und Hirnerſchuͤtterungen bei ſchweren Geburten, oder durch
Sturz auf den Boden, oder Unvorſichtigkeiten der Waͤrterin,
theils zu heißes Verhalten, ſtarke geiſtige Umſchlaͤge uͤber den
Kopf, Erkaͤltungen, unzweckmaͤßige Nahrung, langdauernde
Obſtruktionen u. ſ. w.
§. 1684.
Die Behandlung iſt gewoͤhnlich nur dann mit einiger
Hoffnung eines gluͤcklichen Erfolgs einzuleiten, wenn die Krank-
heit zeitig genug erkannt wird. Die anzuwendende Methode
iſt die antiphlogiſtiſche: man legt bei neugeborenen Kindern
1 bis 2, bei einige Monate alten Kindern 3 bis 4 Blutigel
an die Schlaͤfe, bringt das Kind in ein laues Bad und laͤßt
den Kopf mit kuͤhlem Waſſer und Eſſig fomentiren, legt
Fomentationen von Flanelltuͤchern in Senfabſud getaucht um
die Fuͤße, kleine Veſikatorien in den Nacken, giebt innerlich
kuͤhlende abfuͤhrende Mittel, wie Manna, Tamaridenaufguß u.
ſ. w. und vorzuͤglich das Calomel zu ¼ oder ½ Gran, laͤßt
oͤfters Lavements anwenden, das Kind nicht zu warm halten
und die Einwirkung des Lichts auf die Augen vermeiden. Zeigen
ſich die Symptome der Zertheilung, ſo werden die Gaben
dieſer Mittel beſchraͤnkt, die kritiſchen Ausleerungen befoͤrdert,
und die Convaleſcenz vorſichtig geleitet. — Zeichen vom Ueber-
gange in Waſſerſucht der Hirnhoͤhlen rauben meiſtens die Hoff-
nung eines gluͤcklichen Ausgangs; die Verſuche zur Heilung
koͤnnen indeß auch hier nur in fortgeſetzter Aufregung ander-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/646>, abgerufen am 22.11.2024.
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