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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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ein nur anzuerkennender, in seinen Bedingungen und Folgen
zu erörternder, aber durchaus nicht in seinem letzten Grunde
nachweisbarer bleiben. -- Das Bewußtsein tritt auf wie
es in der Genesis heißt: "und es ward Licht!" Wie das
Licht ward, auf welche Weise aus der absoluten Dunkelheit
Licht wurde? ist eben so wenig zu sagen, als wie aus dem
absoluten Unbewußtsein ein Bewußtsein hervorgeht. Bei
alle dem könnte man, zur Förderung des Verständnisses,
diese Verhältnisse der geistigen, durch das Bewußtwerden
begründeten Welt, in mancher Beziehung mit Verhältnissen
der natürlichen, oder, wie wir auch sagen können, sinn¬
lichen Welt gar wohl vergleichen. Wie in dieser letztern
auch nach allen Seiten hin Unendlichkeit und Unbestimm¬
barkeit liegt, so daß wir uns überall in der Mitte finden,
zwischen einem unendlich Kleinen und einem unendlich Gro¬
ßen, ja wie auch hier weder ein Anfang- noch ein End¬
punkt anzugeben ist, sondern wir nur mit dem zu gebahren
vermögen was in unserer Nähe sich befindet, so auch verhält
es sich in der geistigen Welt, d. i. in der Welt unsers
Bewußtseins. Der Anfangspunkt derselben liegt für uns
in einer ganz unergründlichen Ferne und wir haben keinen
Begriff davon, und der Endpunkt -- welcher das vollstän¬
dige Erkennen eines höchsten Grundes aller Existenz --
ein vollendetes Gottbewußtsein wäre, ist ebenfalls
durchaus unerreichbar und unbestimmbar. Die ganz un¬
begränzte Approximation gegen beide Seiten hin ist dage¬
gen durchaus frei gegeben, aber das eigentliche Erreichen
bei keinem dieser Zielpunkte gedenkbar. Nur was in der
Mitte liegt -- die Erwägung der Spiegelungen der na¬
türlichen Welt in der geistigen, und die Erörterung aller
innern Vorgänge des Geistes selbst -- dies allein wird
für immer die Aufgabe ihrer nähern und eigentlichen Er¬
kenntniß bleiben. Eben deßhalb ist es auch nicht möglich
zwischen dem Zustande des Unbewußtseins und des Bewußt¬
seins eine unmittelbare Vergleichung anzustellen. Desto

Carus, Psyche. 7

ein nur anzuerkennender, in ſeinen Bedingungen und Folgen
zu erörternder, aber durchaus nicht in ſeinem letzten Grunde
nachweisbarer bleiben. — Das Bewußtſein tritt auf wie
es in der Geneſis heißt: „und es ward Licht!“ Wie das
Licht ward, auf welche Weiſe aus der abſoluten Dunkelheit
Licht wurde? iſt eben ſo wenig zu ſagen, als wie aus dem
abſoluten Unbewußtſein ein Bewußtſein hervorgeht. Bei
alle dem könnte man, zur Förderung des Verſtändniſſes,
dieſe Verhältniſſe der geiſtigen, durch das Bewußtwerden
begründeten Welt, in mancher Beziehung mit Verhältniſſen
der natürlichen, oder, wie wir auch ſagen können, ſinn¬
lichen Welt gar wohl vergleichen. Wie in dieſer letztern
auch nach allen Seiten hin Unendlichkeit und Unbeſtimm¬
barkeit liegt, ſo daß wir uns überall in der Mitte finden,
zwiſchen einem unendlich Kleinen und einem unendlich Gro¬
ßen, ja wie auch hier weder ein Anfang- noch ein End¬
punkt anzugeben iſt, ſondern wir nur mit dem zu gebahren
vermögen was in unſerer Nähe ſich befindet, ſo auch verhält
es ſich in der geiſtigen Welt, d. i. in der Welt unſers
Bewußtſeins. Der Anfangspunkt derſelben liegt für uns
in einer ganz unergründlichen Ferne und wir haben keinen
Begriff davon, und der Endpunkt — welcher das vollſtän¬
dige Erkennen eines höchſten Grundes aller Exiſtenz —
ein vollendetes Gottbewußtſein wäre, iſt ebenfalls
durchaus unerreichbar und unbeſtimmbar. Die ganz un¬
begränzte Approximation gegen beide Seiten hin iſt dage¬
gen durchaus frei gegeben, aber das eigentliche Erreichen
bei keinem dieſer Zielpunkte gedenkbar. Nur was in der
Mitte liegt — die Erwägung der Spiegelungen der na¬
türlichen Welt in der geiſtigen, und die Erörterung aller
innern Vorgänge des Geiſtes ſelbſt — dies allein wird
für immer die Aufgabe ihrer nähern und eigentlichen Er¬
kenntniß bleiben. Eben deßhalb iſt es auch nicht möglich
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[97/0113] ein nur anzuerkennender, in ſeinen Bedingungen und Folgen zu erörternder, aber durchaus nicht in ſeinem letzten Grunde nachweisbarer bleiben. — Das Bewußtſein tritt auf wie es in der Geneſis heißt: „und es ward Licht!“ Wie das Licht ward, auf welche Weiſe aus der abſoluten Dunkelheit Licht wurde? iſt eben ſo wenig zu ſagen, als wie aus dem abſoluten Unbewußtſein ein Bewußtſein hervorgeht. Bei alle dem könnte man, zur Förderung des Verſtändniſſes, dieſe Verhältniſſe der geiſtigen, durch das Bewußtwerden begründeten Welt, in mancher Beziehung mit Verhältniſſen der natürlichen, oder, wie wir auch ſagen können, ſinn¬ lichen Welt gar wohl vergleichen. Wie in dieſer letztern auch nach allen Seiten hin Unendlichkeit und Unbeſtimm¬ barkeit liegt, ſo daß wir uns überall in der Mitte finden, zwiſchen einem unendlich Kleinen und einem unendlich Gro¬ ßen, ja wie auch hier weder ein Anfang- noch ein End¬ punkt anzugeben iſt, ſondern wir nur mit dem zu gebahren vermögen was in unſerer Nähe ſich befindet, ſo auch verhält es ſich in der geiſtigen Welt, d. i. in der Welt unſers Bewußtſeins. Der Anfangspunkt derſelben liegt für uns in einer ganz unergründlichen Ferne und wir haben keinen Begriff davon, und der Endpunkt — welcher das vollſtän¬ dige Erkennen eines höchſten Grundes aller Exiſtenz — ein vollendetes Gottbewußtſein wäre, iſt ebenfalls durchaus unerreichbar und unbeſtimmbar. Die ganz un¬ begränzte Approximation gegen beide Seiten hin iſt dage¬ gen durchaus frei gegeben, aber das eigentliche Erreichen bei keinem dieſer Zielpunkte gedenkbar. Nur was in der Mitte liegt — die Erwägung der Spiegelungen der na¬ türlichen Welt in der geiſtigen, und die Erörterung aller innern Vorgänge des Geiſtes ſelbſt — dies allein wird für immer die Aufgabe ihrer nähern und eigentlichen Er¬ kenntniß bleiben. Eben deßhalb iſt es auch nicht möglich zwiſchen dem Zuſtande des Unbewußtſeins und des Bewußt¬ ſeins eine unmittelbare Vergleichung anzuſtellen. Deſto Carus, Pſyche. 7

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/113>, abgerufen am 21.11.2024.