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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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vortreten des getrennten Geschlechts, und die Vereinigung
der getrennten. Verschiedne Individuen müssen hier zuerst
fühlen, daß sie sich gegenseitig zum Leben bedürfen, daß
sie nur in gewissen innigen Annäherungen die Spitze ihres
Daseins, die höchste Selbstempfindung erreichen können.
Hier werden zuerst Reihen von Begehrungen, absichtlichen
Bewegungen, neuen Empfindungen rege, in welchen sich
das innere Reich des Seelenlebens erweitert und bereichert;
und obwohl die Welt nur noch trübe und dunkel in diesen
Seelen sich spiegelt, so ist es doch hier schon ein andres
Individuum derselben Gattung, in welcher das erstere
gleichsam, und freilich nur momentan und in keinem blei¬
benden Lebensverhältnisse, einen Ersatz der Außenwelt findet,
so daß hier auf tiefster Stufe und ganz organisch nur
vorbedeutend hervortritt, was später im höchsten seelischen
Sinne im Menschen sich wiederholen kann, wenn ihm in
einer andern Seele der Ersatz für die gesammte Außenwelt
aufgeht. Im Allgemeinen bleibt jedoch auch die Erkenntniß
des Aeußern unvollkommen, das Gefühl dunkel und das
Thun immer noch wesentlich theils Reaction, theils Trieb.
Etwas freier offenbart sich in anderer Beziehung die
Dignität der Seele in den höchsten der Weichthiere, den
Sepienarten, und dann in den Fischen. Die Welt
spiegelt sich durch stärker entwickelte Sinnesorgane vielfacher
in ihnen; die Mannichfaltigkeit der Vorstellungen muß
größer werden, die Beziehungen zwischen dem Individuum
und der Außenwelt werden zahlreicher, doch dafür tritt das
Geschlechtsverhältniß wieder mehr zurück, denn eine wahre
Begattung ist diesen Geschöpfen nur bei wenig Geschlechtern
noch eigen, und eben dadurch geht ihnen also ab, das or¬
ganisch nothwendige Wechselverhältniß mit einem andern
gleichartigen Geschöpfe, welches, wie bemerkt, in hohem
Grade entwickelnd und fördernd für das innerste Seelen¬
leben sein kann. An die Stelle dieser unmittelbaren Be¬
ziehung zweier Geschöpfe auf einander wie sie im Geschlechts¬

vortreten des getrennten Geſchlechts, und die Vereinigung
der getrennten. Verſchiedne Individuen müſſen hier zuerſt
fühlen, daß ſie ſich gegenſeitig zum Leben bedürfen, daß
ſie nur in gewiſſen innigen Annäherungen die Spitze ihres
Daſeins, die höchſte Selbſtempfindung erreichen können.
Hier werden zuerſt Reihen von Begehrungen, abſichtlichen
Bewegungen, neuen Empfindungen rege, in welchen ſich
das innere Reich des Seelenlebens erweitert und bereichert;
und obwohl die Welt nur noch trübe und dunkel in dieſen
Seelen ſich ſpiegelt, ſo iſt es doch hier ſchon ein andres
Individuum derſelben Gattung, in welcher das erſtere
gleichſam, und freilich nur momentan und in keinem blei¬
benden Lebensverhältniſſe, einen Erſatz der Außenwelt findet,
ſo daß hier auf tiefſter Stufe und ganz organiſch nur
vorbedeutend hervortritt, was ſpäter im höchſten ſeeliſchen
Sinne im Menſchen ſich wiederholen kann, wenn ihm in
einer andern Seele der Erſatz für die geſammte Außenwelt
aufgeht. Im Allgemeinen bleibt jedoch auch die Erkenntniß
des Aeußern unvollkommen, das Gefühl dunkel und das
Thun immer noch weſentlich theils Reaction, theils Trieb.
Etwas freier offenbart ſich in anderer Beziehung die
Dignität der Seele in den höchſten der Weichthiere, den
Sepienarten, und dann in den Fiſchen. Die Welt
ſpiegelt ſich durch ſtärker entwickelte Sinnesorgane vielfacher
in ihnen; die Mannichfaltigkeit der Vorſtellungen muß
größer werden, die Beziehungen zwiſchen dem Individuum
und der Außenwelt werden zahlreicher, doch dafür tritt das
Geſchlechtsverhältniß wieder mehr zurück, denn eine wahre
Begattung iſt dieſen Geſchöpfen nur bei wenig Geſchlechtern
noch eigen, und eben dadurch geht ihnen alſo ab, das or¬
ganiſch nothwendige Wechſelverhältniß mit einem andern
gleichartigen Geſchöpfe, welches, wie bemerkt, in hohem
Grade entwickelnd und fördernd für das innerſte Seelen¬
leben ſein kann. An die Stelle dieſer unmittelbaren Be¬
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[122/0138] vortreten des getrennten Geſchlechts, und die Vereinigung der getrennten. Verſchiedne Individuen müſſen hier zuerſt fühlen, daß ſie ſich gegenſeitig zum Leben bedürfen, daß ſie nur in gewiſſen innigen Annäherungen die Spitze ihres Daſeins, die höchſte Selbſtempfindung erreichen können. Hier werden zuerſt Reihen von Begehrungen, abſichtlichen Bewegungen, neuen Empfindungen rege, in welchen ſich das innere Reich des Seelenlebens erweitert und bereichert; und obwohl die Welt nur noch trübe und dunkel in dieſen Seelen ſich ſpiegelt, ſo iſt es doch hier ſchon ein andres Individuum derſelben Gattung, in welcher das erſtere gleichſam, und freilich nur momentan und in keinem blei¬ benden Lebensverhältniſſe, einen Erſatz der Außenwelt findet, ſo daß hier auf tiefſter Stufe und ganz organiſch nur vorbedeutend hervortritt, was ſpäter im höchſten ſeeliſchen Sinne im Menſchen ſich wiederholen kann, wenn ihm in einer andern Seele der Erſatz für die geſammte Außenwelt aufgeht. Im Allgemeinen bleibt jedoch auch die Erkenntniß des Aeußern unvollkommen, das Gefühl dunkel und das Thun immer noch weſentlich theils Reaction, theils Trieb. Etwas freier offenbart ſich in anderer Beziehung die Dignität der Seele in den höchſten der Weichthiere, den Sepienarten, und dann in den Fiſchen. Die Welt ſpiegelt ſich durch ſtärker entwickelte Sinnesorgane vielfacher in ihnen; die Mannichfaltigkeit der Vorſtellungen muß größer werden, die Beziehungen zwiſchen dem Individuum und der Außenwelt werden zahlreicher, doch dafür tritt das Geſchlechtsverhältniß wieder mehr zurück, denn eine wahre Begattung iſt dieſen Geſchöpfen nur bei wenig Geſchlechtern noch eigen, und eben dadurch geht ihnen alſo ab, das or¬ ganiſch nothwendige Wechſelverhältniß mit einem andern gleichartigen Geſchöpfe, welches, wie bemerkt, in hohem Grade entwickelnd und fördernd für das innerſte Seelen¬ leben ſein kann. An die Stelle dieſer unmittelbaren Be¬ ziehung zweier Geſchöpfe auf einander wie ſie im Geſchlechts¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/138>, abgerufen am 21.11.2024.