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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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psychischer Beziehung nicht bloß der Art zukommt, son¬
dern Individuum von Individuum unterscheidet; aber das
Wesentlichste, was ihm immer unerreichbar bleibt, ist die
geistige Pubertät -- mit einem Worte die Darstellung der
Person. Ein Thier kann auch geistig ein Individuum
sein, seine besondre Art haben die Außenwelt zu erkennen,
sich selbst zu fühlen und gegen Aeußeres zu wirken; aber
es kann nie Das werden, was wir eine Persönlichkeit,
einen Charakter nennen. Hier liegt die Annäherung, und
hier die ungeheure Scheidewand im Verhältniß zum Men¬
schen. Darum erreicht auch nur die Gesammtheit aller
Thiere den Begriff eines gewissen ideellen Organismus,
einer gewissen Persönlichkeit -- und das ist Das, was wir
unter der Benennung der Thierheit zusammenfassen.
Kein Einzelnes dieser Geschöpfe hingegen, nicht einmal die
Gesammtheit aller Individuen einer Art oder einer Ord¬
nung, kann zu dieser Art von Persönlichkeit sich erheben.
Schon die Sprache würde es widersinnig finden, wenn
von Pferdeheit, Hundeheit, Vogelheit die Rede sein sollte.
Dem Begriffe der Menschheit und der Person des Men¬
schen kann nur der der gesammten Thierheit gegenüber
gestellt werden.

Sehr merkwürdig ist es übrigens daraus zu achten,
wie das Thier, welches innerlich so entfernt bleibt vom
Begriffe der Persönlichkeit, und bei welchem auf den tief¬
sten Stufen sogar die Individualität zweifelhaft wird (wirk¬
lich wird man schwer darüber aufs Reine kommen, was
bei einer Gorgonia oder Pennatula eigentlich das In¬
dividuum ist), auch äußerlich einen so ganz verschied¬
nen Gesichtskreis der Welt hat. Je schwächer die Indivi¬
dualität, desto weniger ist von Weltauffassung dem Thiere
möglich. Es führt zu den merkwürdigsten Betrachtungen,
wenn man sich deutlich macht, was für das im Schlamm
vergrabne Muschelthier oder für den Wurm in der Erde
seine Welt heißt! Mit zunehmendem Weltbewußtsein

pſychiſcher Beziehung nicht bloß der Art zukommt, ſon¬
dern Individuum von Individuum unterſcheidet; aber das
Weſentlichſte, was ihm immer unerreichbar bleibt, iſt die
geiſtige Pubertät — mit einem Worte die Darſtellung der
Perſon. Ein Thier kann auch geiſtig ein Individuum
ſein, ſeine beſondre Art haben die Außenwelt zu erkennen,
ſich ſelbſt zu fühlen und gegen Aeußeres zu wirken; aber
es kann nie Das werden, was wir eine Perſönlichkeit,
einen Charakter nennen. Hier liegt die Annäherung, und
hier die ungeheure Scheidewand im Verhältniß zum Men¬
ſchen. Darum erreicht auch nur die Geſammtheit aller
Thiere den Begriff eines gewiſſen ideellen Organismus,
einer gewiſſen Perſönlichkeit — und das iſt Das, was wir
unter der Benennung der Thierheit zuſammenfaſſen.
Kein Einzelnes dieſer Geſchöpfe hingegen, nicht einmal die
Geſammtheit aller Individuen einer Art oder einer Ord¬
nung, kann zu dieſer Art von Perſönlichkeit ſich erheben.
Schon die Sprache würde es widerſinnig finden, wenn
von Pferdeheit, Hundeheit, Vogelheit die Rede ſein ſollte.
Dem Begriffe der Menſchheit und der Perſon des Men¬
ſchen kann nur der der geſammten Thierheit gegenüber
geſtellt werden.

Sehr merkwürdig iſt es übrigens daraus zu achten,
wie das Thier, welches innerlich ſo entfernt bleibt vom
Begriffe der Perſönlichkeit, und bei welchem auf den tief¬
ſten Stufen ſogar die Individualität zweifelhaft wird (wirk¬
lich wird man ſchwer darüber aufs Reine kommen, was
bei einer Gorgonia oder Pennatula eigentlich das In¬
dividuum iſt), auch äußerlich einen ſo ganz verſchied¬
nen Geſichtskreis der Welt hat. Je ſchwächer die Indivi¬
dualität, deſto weniger iſt von Weltauffaſſung dem Thiere
möglich. Es führt zu den merkwürdigſten Betrachtungen,
wenn man ſich deutlich macht, was für das im Schlamm
vergrabne Muſchelthier oder für den Wurm in der Erde
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[138/0154] pſychiſcher Beziehung nicht bloß der Art zukommt, ſon¬ dern Individuum von Individuum unterſcheidet; aber das Weſentlichſte, was ihm immer unerreichbar bleibt, iſt die geiſtige Pubertät — mit einem Worte die Darſtellung der Perſon. Ein Thier kann auch geiſtig ein Individuum ſein, ſeine beſondre Art haben die Außenwelt zu erkennen, ſich ſelbſt zu fühlen und gegen Aeußeres zu wirken; aber es kann nie Das werden, was wir eine Perſönlichkeit, einen Charakter nennen. Hier liegt die Annäherung, und hier die ungeheure Scheidewand im Verhältniß zum Men¬ ſchen. Darum erreicht auch nur die Geſammtheit aller Thiere den Begriff eines gewiſſen ideellen Organismus, einer gewiſſen Perſönlichkeit — und das iſt Das, was wir unter der Benennung der Thierheit zuſammenfaſſen. Kein Einzelnes dieſer Geſchöpfe hingegen, nicht einmal die Geſammtheit aller Individuen einer Art oder einer Ord¬ nung, kann zu dieſer Art von Perſönlichkeit ſich erheben. Schon die Sprache würde es widerſinnig finden, wenn von Pferdeheit, Hundeheit, Vogelheit die Rede ſein ſollte. Dem Begriffe der Menſchheit und der Perſon des Men¬ ſchen kann nur der der geſammten Thierheit gegenüber geſtellt werden. Sehr merkwürdig iſt es übrigens daraus zu achten, wie das Thier, welches innerlich ſo entfernt bleibt vom Begriffe der Perſönlichkeit, und bei welchem auf den tief¬ ſten Stufen ſogar die Individualität zweifelhaft wird (wirk¬ lich wird man ſchwer darüber aufs Reine kommen, was bei einer Gorgonia oder Pennatula eigentlich das In¬ dividuum iſt), auch äußerlich einen ſo ganz verſchied¬ nen Geſichtskreis der Welt hat. Je ſchwächer die Indivi¬ dualität, deſto weniger iſt von Weltauffaſſung dem Thiere möglich. Es führt zu den merkwürdigſten Betrachtungen, wenn man ſich deutlich macht, was für das im Schlamm vergrabne Muſchelthier oder für den Wurm in der Erde ſeine Welt heißt! Mit zunehmendem Weltbewußtſein

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/154>, abgerufen am 26.11.2024.