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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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bei dem ersten Zutreten von Feuchtigkeit und Wärme be¬
thätigt), und auf diese Weise sind wir genöthigt auch dies
Entschwinden einer Vorstellung zu denken, wo jedes Er¬
scheinen der Vorstellung aufgehoben, und doch die Vor¬
stellung selbst unvernichtet vorhanden blieb; ein leiser An¬
stoß -- und sie stellt sich wieder dar. Ob nun aber doch
auch Vorstellungen und Gefühle, welche auf diese Weise
ins Unbewußte zurückgegangen sind, allmählig sich ganz
verlieren können
, fragt sich? Wir nennen eine Vor¬
stellung welche uns nicht möglich ist wieder aus dem Un¬
bewußtsein ins Bewußtsein zu ziehen, vergessen, aber
wir erkennen zugleich an, daß hier ein relatives Ver¬
hältniß besteht, denn oft tauchen Vorstellungen, welche wir
für völlig vergessen hielten, plötzlich wieder auf -- nament¬
lich bei gewissen ungewöhnlichen Zuständen -- Krankheiten --
des Nervenlebens hat man dergleichen bemerkt, so daß wir
also immer von einem absoluten Vergessen keinen Beweis
haben. Ohne Zweifel ist hier das Wichtigste, daß wir
unterscheiden was der in sich ewigen Wesenheit der Seele
aus den Vorstellungen zu gute kommt, und was durch die
Organisation des Hirns und seine eigenthümliche Innerva¬
tionsspannung bedingt ist. Könnte man sagen, daß jegliches
Vorstellen und Fühlen ganz allein der Idee an und für
sich, nur der Seele selbst, oder der zum Geist entwickelten
Seele angehörte, so müßte nothwendig alles und jedes
solches Vorstellen auch an dem Prädicat des Ewigseins
Theil haben, und es wäre dann auch gar nicht zu denken,
daß nur etwas davon dem Bewußtsein zeitlich entschwinden
könnte. Dem ist nun aber entschieden nicht so. Alle die
obigen Betrachtungen mußten uns zur Ueberzeugung führen,
daß ganz unbezweifelt eben so wie die Sinneswahrnehmung
bedingt ist durch eine eigenthümliche peripherische Modification
der Innervationsspannung in der Ausbreitung der Sinnes¬
nerven, so die Vorstellung bedingt wird durch eine eigen¬
thümliche centrale Modification der Innervationsspannung

bei dem erſten Zutreten von Feuchtigkeit und Wärme be¬
thätigt), und auf dieſe Weiſe ſind wir genöthigt auch dies
Entſchwinden einer Vorſtellung zu denken, wo jedes Er¬
ſcheinen der Vorſtellung aufgehoben, und doch die Vor¬
ſtellung ſelbſt unvernichtet vorhanden blieb; ein leiſer An¬
ſtoß — und ſie ſtellt ſich wieder dar. Ob nun aber doch
auch Vorſtellungen und Gefühle, welche auf dieſe Weiſe
ins Unbewußte zurückgegangen ſind, allmählig ſich ganz
verlieren können
, fragt ſich? Wir nennen eine Vor¬
ſtellung welche uns nicht möglich iſt wieder aus dem Un¬
bewußtſein ins Bewußtſein zu ziehen, vergeſſen, aber
wir erkennen zugleich an, daß hier ein relatives Ver¬
hältniß beſteht, denn oft tauchen Vorſtellungen, welche wir
für völlig vergeſſen hielten, plötzlich wieder auf — nament¬
lich bei gewiſſen ungewöhnlichen Zuſtänden — Krankheiten —
des Nervenlebens hat man dergleichen bemerkt, ſo daß wir
alſo immer von einem abſoluten Vergeſſen keinen Beweis
haben. Ohne Zweifel iſt hier das Wichtigſte, daß wir
unterſcheiden was der in ſich ewigen Weſenheit der Seele
aus den Vorſtellungen zu gute kommt, und was durch die
Organiſation des Hirns und ſeine eigenthümliche Innerva¬
tionsſpannung bedingt iſt. Könnte man ſagen, daß jegliches
Vorſtellen und Fühlen ganz allein der Idee an und für
ſich, nur der Seele ſelbſt, oder der zum Geiſt entwickelten
Seele angehörte, ſo müßte nothwendig alles und jedes
ſolches Vorſtellen auch an dem Prädicat des Ewigſeins
Theil haben, und es wäre dann auch gar nicht zu denken,
daß nur etwas davon dem Bewußtſein zeitlich entſchwinden
könnte. Dem iſt nun aber entſchieden nicht ſo. Alle die
obigen Betrachtungen mußten uns zur Ueberzeugung führen,
daß ganz unbezweifelt eben ſo wie die Sinneswahrnehmung
bedingt iſt durch eine eigenthümliche peripheriſche Modification
der Innervationsſpannung in der Ausbreitung der Sinnes¬
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[208/0224] bei dem erſten Zutreten von Feuchtigkeit und Wärme be¬ thätigt), und auf dieſe Weiſe ſind wir genöthigt auch dies Entſchwinden einer Vorſtellung zu denken, wo jedes Er¬ ſcheinen der Vorſtellung aufgehoben, und doch die Vor¬ ſtellung ſelbſt unvernichtet vorhanden blieb; ein leiſer An¬ ſtoß — und ſie ſtellt ſich wieder dar. Ob nun aber doch auch Vorſtellungen und Gefühle, welche auf dieſe Weiſe ins Unbewußte zurückgegangen ſind, allmählig ſich ganz verlieren können, fragt ſich? Wir nennen eine Vor¬ ſtellung welche uns nicht möglich iſt wieder aus dem Un¬ bewußtſein ins Bewußtſein zu ziehen, vergeſſen, aber wir erkennen zugleich an, daß hier ein relatives Ver¬ hältniß beſteht, denn oft tauchen Vorſtellungen, welche wir für völlig vergeſſen hielten, plötzlich wieder auf — nament¬ lich bei gewiſſen ungewöhnlichen Zuſtänden — Krankheiten — des Nervenlebens hat man dergleichen bemerkt, ſo daß wir alſo immer von einem abſoluten Vergeſſen keinen Beweis haben. Ohne Zweifel iſt hier das Wichtigſte, daß wir unterſcheiden was der in ſich ewigen Weſenheit der Seele aus den Vorſtellungen zu gute kommt, und was durch die Organiſation des Hirns und ſeine eigenthümliche Innerva¬ tionsſpannung bedingt iſt. Könnte man ſagen, daß jegliches Vorſtellen und Fühlen ganz allein der Idee an und für ſich, nur der Seele ſelbſt, oder der zum Geiſt entwickelten Seele angehörte, ſo müßte nothwendig alles und jedes ſolches Vorſtellen auch an dem Prädicat des Ewigſeins Theil haben, und es wäre dann auch gar nicht zu denken, daß nur etwas davon dem Bewußtſein zeitlich entſchwinden könnte. Dem iſt nun aber entſchieden nicht ſo. Alle die obigen Betrachtungen mußten uns zur Ueberzeugung führen, daß ganz unbezweifelt eben ſo wie die Sinneswahrnehmung bedingt iſt durch eine eigenthümliche peripheriſche Modification der Innervationsſpannung in der Ausbreitung der Sinnes¬ nerven, ſo die Vorſtellung bedingt wird durch eine eigen¬ thümliche centrale Modification der Innervationsſpannung

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/224>, abgerufen am 21.11.2024.