zurückgezogen das in sich Befangensein des Unbewußten brütet. -- Erst indem man sich diese Verhältnisse recht deutlich macht, erkennt und versteht man die wichtige Be¬ ziehung des Gesichtssinnes und des Oeffnens und Schließens der Augen, zum Verschwinden so wie zum Wiederkehren des Schlafs. Der Strahl des Lichts, der schon durch das Augenlid hindurch die Netzhaut erregt, erweckt unbewußter¬ weise zum Oeffnen des Auges, und nun erst ergibt sich eine stärkere peripherische Modification in der Innervations¬ spannung des Sehnerven, welche sich wiederspiegelt im Mittelhirn und welche gleichsam erleuchtet die Nacht des unbewußten Lebens, ja welche veranlaßt, daß von nun an Erkennen und Wollen nur vom Brennpunkte des Selbst¬ bewußtseins aus ihre höhere Bestimmung erhalten; -- der Mensch ist erwacht!
Aber früher schon ist gezeigt worden, daß nur das Unbewußte die Eigenschaft hat, weder von Ermüdung er¬ griffen zu werden noch der Einübung zu bedürfen, dahin¬ gegen Alles was zum Bewußtsein sich erhebt nach einer gewissen Zeit in seiner Thätigkeit eine Abspannung erfahren muß, die wir als Ermüdung bezeichnen. So ermüdet denn also auch jener höhere Grad von Innervationsspannung, welchen wir als Wachen bezeichnen, und hiedurch ermüdet ferner alle die Reaction, welche über die gesammte Haltung und Bewegung sich im Wachen ausbreitet, die Spannung läßt nach, und wieder umgekehrt kündet nun abermals zu¬ erst im Auge sich der Uebergang zum Schlafe an; trotz der Einwirkung des Lichts verdunkelt sich die Lichtempfindung, die Augenlider schließen sich, das Mittelhirn ist wieder frei von angeregter höherer Innervationsspannung, das Unbe¬ wußtsein tritt wieder ganz in seine frühere Rechte; -- der Mensch schläft ein.
Gewiß, wenn irgend etwas die eigenthümliche Art von Selbstständigkeit anschaulich macht, welche das bewußte und das unbewußte Reich des Seelenlebens in uns, einander
zurückgezogen das in ſich Befangenſein des Unbewußten brütet. — Erſt indem man ſich dieſe Verhältniſſe recht deutlich macht, erkennt und verſteht man die wichtige Be¬ ziehung des Geſichtsſinnes und des Oeffnens und Schließens der Augen, zum Verſchwinden ſo wie zum Wiederkehren des Schlafs. Der Strahl des Lichts, der ſchon durch das Augenlid hindurch die Netzhaut erregt, erweckt unbewußter¬ weiſe zum Oeffnen des Auges, und nun erſt ergibt ſich eine ſtärkere peripheriſche Modification in der Innervations¬ ſpannung des Sehnerven, welche ſich wiederſpiegelt im Mittelhirn und welche gleichſam erleuchtet die Nacht des unbewußten Lebens, ja welche veranlaßt, daß von nun an Erkennen und Wollen nur vom Brennpunkte des Selbſt¬ bewußtſeins aus ihre höhere Beſtimmung erhalten; — der Menſch iſt erwacht!
Aber früher ſchon iſt gezeigt worden, daß nur das Unbewußte die Eigenſchaft hat, weder von Ermüdung er¬ griffen zu werden noch der Einübung zu bedürfen, dahin¬ gegen Alles was zum Bewußtſein ſich erhebt nach einer gewiſſen Zeit in ſeiner Thätigkeit eine Abſpannung erfahren muß, die wir als Ermüdung bezeichnen. So ermüdet denn alſo auch jener höhere Grad von Innervationsſpannung, welchen wir als Wachen bezeichnen, und hiedurch ermüdet ferner alle die Reaction, welche über die geſammte Haltung und Bewegung ſich im Wachen ausbreitet, die Spannung läßt nach, und wieder umgekehrt kündet nun abermals zu¬ erſt im Auge ſich der Uebergang zum Schlafe an; trotz der Einwirkung des Lichts verdunkelt ſich die Lichtempfindung, die Augenlider ſchließen ſich, das Mittelhirn iſt wieder frei von angeregter höherer Innervationsſpannung, das Unbe¬ wußtſein tritt wieder ganz in ſeine frühere Rechte; — der Menſch ſchläft ein.
Gewiß, wenn irgend etwas die eigenthümliche Art von Selbſtſtändigkeit anſchaulich macht, welche das bewußte und das unbewußte Reich des Seelenlebens in uns, einander
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zurückgezogen das in ſich Befangenſein des Unbewußten
brütet. — Erſt indem man ſich dieſe Verhältniſſe recht
deutlich macht, erkennt und verſteht man die wichtige Be¬
ziehung des Geſichtsſinnes und des Oeffnens und Schließens
der Augen, zum Verſchwinden ſo wie zum Wiederkehren
des Schlafs. Der Strahl des Lichts, der ſchon durch das
Augenlid hindurch die Netzhaut erregt, erweckt unbewußter¬
weiſe zum Oeffnen des Auges, und nun erſt ergibt ſich eine
ſtärkere peripheriſche Modification in der Innervations¬
ſpannung des Sehnerven, welche ſich wiederſpiegelt im
Mittelhirn und welche gleichſam erleuchtet die Nacht des
unbewußten Lebens, ja welche veranlaßt, daß von nun an
Erkennen und Wollen nur vom Brennpunkte des Selbſt¬
bewußtſeins aus ihre höhere Beſtimmung erhalten; — der
Menſch iſt erwacht!
Aber früher ſchon iſt gezeigt worden, daß nur das
Unbewußte die Eigenſchaft hat, weder von Ermüdung er¬
griffen zu werden noch der Einübung zu bedürfen, dahin¬
gegen Alles was zum Bewußtſein ſich erhebt nach einer
gewiſſen Zeit in ſeiner Thätigkeit eine Abſpannung erfahren
muß, die wir als Ermüdung bezeichnen. So ermüdet denn
alſo auch jener höhere Grad von Innervationsſpannung,
welchen wir als Wachen bezeichnen, und hiedurch ermüdet
ferner alle die Reaction, welche über die geſammte Haltung
und Bewegung ſich im Wachen ausbreitet, die Spannung
läßt nach, und wieder umgekehrt kündet nun abermals zu¬
erſt im Auge ſich der Uebergang zum Schlafe an; trotz der
Einwirkung des Lichts verdunkelt ſich die Lichtempfindung,
die Augenlider ſchließen ſich, das Mittelhirn iſt wieder frei
von angeregter höherer Innervationsſpannung, das Unbe¬
wußtſein tritt wieder ganz in ſeine frühere Rechte; — der
Menſch ſchläft ein.
Gewiß, wenn irgend etwas die eigenthümliche Art von
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/230>, abgerufen am 16.02.2025.
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