der regelmäßig, bevor eigenthümliche Anfälle von Brust¬ krämpfen ihn quälten, träumte von Katzen gebissen zu werden, einen andern, dem immer vor einer gewissen Art von Kopf¬ schmerzen schwer einher trabende oder ihn anfallende Stiere im Traume erschienen, u. s. w. Diese Art der Traum¬ poesie muß also auf solche Weise vollkommen verständlich genannt werden.
Es gibt indeß noch eine andre Art von Poesie, ja von Seherkunst des Traums, zu deren Verständniß das Vorhergehende keinesweges zureicht, sondern wobei an eine früher schon gewonnene Erkenntniß zurück erinnert werden muß. Als wir nämlich die verschiedenen Eigenschaften des Unbewußten im Verhältniß zum Bewußten erörterten, mußte auch erwähnt werden, daß das Unbewußte ein Allgemeineres sei, daß, wenn das Bewußte des Organismus erst die Individualität und zuhöchst die Persönlichkeit und Freiheit erscheinen lasse, das Unbewußte des Organismus dagegen ihn enger an das allgemeine Leben der Welt binde, ihn gleichsam verallgemeinere, und daß er daher, als ein Unbewußtes, eigentlich auch von allen Regungen der Welt durchzogen sei und daran Theil habe, ja daß in ihm nicht allein Fernes und Nahes und überhaupt Räumliches, sondern auch Vergangenes und Zukünftiges und überhaupt Zeit¬ liches sich durchdringe und begegne. Wissen wir nun, daß der Schlaf ein eigenthümliches Befangensein des Bewußt¬ seins im Unbewußten, mit Aufheben des Wissens von einer wirklichen Welt und der Wirksamkeit gegen eine solche, dar¬ stellt, so können wir auch begreifen wie in diesem wunder¬ lichen Zustande allerdings die Seele, eben wegen ihres tiefern Eingetauchtseins im Unbewußten, mehr als in ihrem freien bewußten Zustande participiren müsse an jenem Miteinge¬ flochtensein im Allgemeinen und an dem Durchdrungensein von allem Räumlichen und Zeitlichen, wie es dem Unbe¬ wußten überhaupt zukommt. Von hier aus wird uns dann verständlich wie dem im Unbewußten befangenen Bewußten
der regelmäßig, bevor eigenthümliche Anfälle von Bruſt¬ krämpfen ihn quälten, träumte von Katzen gebiſſen zu werden, einen andern, dem immer vor einer gewiſſen Art von Kopf¬ ſchmerzen ſchwer einher trabende oder ihn anfallende Stiere im Traume erſchienen, u. ſ. w. Dieſe Art der Traum¬ poeſie muß alſo auf ſolche Weiſe vollkommen verſtändlich genannt werden.
Es gibt indeß noch eine andre Art von Poeſie, ja von Seherkunſt des Traums, zu deren Verſtändniß das Vorhergehende keinesweges zureicht, ſondern wobei an eine früher ſchon gewonnene Erkenntniß zurück erinnert werden muß. Als wir nämlich die verſchiedenen Eigenſchaften des Unbewußten im Verhältniß zum Bewußten erörterten, mußte auch erwähnt werden, daß das Unbewußte ein Allgemeineres ſei, daß, wenn das Bewußte des Organismus erſt die Individualität und zuhöchſt die Perſönlichkeit und Freiheit erſcheinen laſſe, das Unbewußte des Organismus dagegen ihn enger an das allgemeine Leben der Welt binde, ihn gleichſam verallgemeinere, und daß er daher, als ein Unbewußtes, eigentlich auch von allen Regungen der Welt durchzogen ſei und daran Theil habe, ja daß in ihm nicht allein Fernes und Nahes und überhaupt Räumliches, ſondern auch Vergangenes und Zukünftiges und überhaupt Zeit¬ liches ſich durchdringe und begegne. Wiſſen wir nun, daß der Schlaf ein eigenthümliches Befangenſein des Bewußt¬ ſeins im Unbewußten, mit Aufheben des Wiſſens von einer wirklichen Welt und der Wirkſamkeit gegen eine ſolche, dar¬ ſtellt, ſo können wir auch begreifen wie in dieſem wunder¬ lichen Zuſtande allerdings die Seele, eben wegen ihres tiefern Eingetauchtſeins im Unbewußten, mehr als in ihrem freien bewußten Zuſtande participiren müſſe an jenem Miteinge¬ flochtenſein im Allgemeinen und an dem Durchdrungenſein von allem Räumlichen und Zeitlichen, wie es dem Unbe¬ wußten überhaupt zukommt. Von hier aus wird uns dann verſtändlich wie dem im Unbewußten befangenen Bewußten
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der regelmäßig, bevor eigenthümliche Anfälle von Bruſt¬
krämpfen ihn quälten, träumte von Katzen gebiſſen zu werden,
einen andern, dem immer vor einer gewiſſen Art von Kopf¬
ſchmerzen ſchwer einher trabende oder ihn anfallende Stiere
im Traume erſchienen, u. ſ. w. Dieſe Art der Traum¬
poeſie muß alſo auf ſolche Weiſe vollkommen verſtändlich
genannt werden.
Es gibt indeß noch eine andre Art von Poeſie, ja
von Seherkunſt des Traums, zu deren Verſtändniß das
Vorhergehende keinesweges zureicht, ſondern wobei an eine
früher ſchon gewonnene Erkenntniß zurück erinnert werden
muß. Als wir nämlich die verſchiedenen Eigenſchaften des
Unbewußten im Verhältniß zum Bewußten erörterten, mußte
auch erwähnt werden, daß das Unbewußte ein Allgemeineres
ſei, daß, wenn das Bewußte des Organismus erſt die
Individualität und zuhöchſt die Perſönlichkeit und Freiheit
erſcheinen laſſe, das Unbewußte des Organismus dagegen
ihn enger an das allgemeine Leben der Welt binde, ihn
gleichſam verallgemeinere, und daß er daher, als ein
Unbewußtes, eigentlich auch von allen Regungen der Welt
durchzogen ſei und daran Theil habe, ja daß in ihm nicht
allein Fernes und Nahes und überhaupt Räumliches, ſondern
auch Vergangenes und Zukünftiges und überhaupt Zeit¬
liches ſich durchdringe und begegne. Wiſſen wir nun, daß
der Schlaf ein eigenthümliches Befangenſein des Bewußt¬
ſeins im Unbewußten, mit Aufheben des Wiſſens von einer
wirklichen Welt und der Wirkſamkeit gegen eine ſolche, dar¬
ſtellt, ſo können wir auch begreifen wie in dieſem wunder¬
lichen Zuſtande allerdings die Seele, eben wegen ihres tiefern
Eingetauchtſeins im Unbewußten, mehr als in ihrem freien
bewußten Zuſtande participiren müſſe an jenem Miteinge¬
flochtenſein im Allgemeinen und an dem Durchdrungenſein
von allem Räumlichen und Zeitlichen, wie es dem Unbe¬
wußten überhaupt zukommt. Von hier aus wird uns dann
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/235>, abgerufen am 21.11.2024.
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