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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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entgegengesetzter Zustand zu denken sei; nämlich eben als
der der Seele ungemäßeste -- unglücklichste -- mit einem
Worte, als der der Trübseeligkeit oder Unseeligkeit.
Wenn die Magnetnadel Bewußtsein hätte, so würde der
Zustand derselben, wenn man ihren Nordpol nach Osten
oder Süden stellt, das sein, was wir für die Menschen¬
seele die Unseeligkeit genannt haben, und von welcher wir
streng genommen sagen können, daß sie das einzige wahr¬
hafte Unglück
sei, so wie die Seeligkeit eigentlich das
einzige wahre Glück. Auch hier könnte man das, was
wir von den Scheinbildern des Glücks gesagt haben, voll¬
kommen umkehren und anwenden auf Scheinbilder des Un¬
glücks, da so Vieles von dem Menschen für ein Unglück
gehalten zu werden pflegt was an sich keins -- mindestens
nicht das wahre ist; und sind doch überhaupt diese Schein¬
bilder von Glück und Unglück die ganz eigentlichen Irr¬
lichter der Seele, welche sie vielfältig stören und hindern
das eine oder das andere in Wahrheit zu erkennen! ja es
läßt sich behaupten, daß eben, weil der Seele, vermöge
ihres überall Durchdrungenseins vom Unbewußtsein, ein
absolutes Bewußtsein und also auch eine ganz vollkommene
Erkenntniß während ihres zeitlich sich Darlebens unmöglich
fällt, die unbedingte Beseitigung aller dieser Schein¬
bilder im Leben nicht erreicht werden kann und also auch
nicht erreicht werden soll. Es ist daher auch das noch
eine hübsche Eigenthümlichkeit unserer Sprache, daß, da
sonach die unbedingte Seeligkeit und Unseeligkeit außerhalb
dem Bereiche dieser Existenz liegt, sie für das, was deren
Stelle im Leben vertritt ein mittleres Wort -- Glückseelig¬
keit und Unglückseeligkeit -- besitzt, wodurch denn Höhen¬
punkt und Tiefenpunkt des Wachsthums der Seele wäh¬
rend dieser Zeitlichkeit für hinlänglich bezeichnet erachtet
werden kann.

Es wächst nun aber und nimmt ab die Seele in
ihrem An-sich-sein nicht etwa nur als ein Allgemeines,

entgegengeſetzter Zuſtand zu denken ſei; nämlich eben als
der der Seele ungemäßeſte — unglücklichſte — mit einem
Worte, als der der Trübſeeligkeit oder Unſeeligkeit.
Wenn die Magnetnadel Bewußtſein hätte, ſo würde der
Zuſtand derſelben, wenn man ihren Nordpol nach Oſten
oder Süden ſtellt, das ſein, was wir für die Menſchen¬
ſeele die Unſeeligkeit genannt haben, und von welcher wir
ſtreng genommen ſagen können, daß ſie das einzige wahr¬
hafte Unglück
ſei, ſo wie die Seeligkeit eigentlich das
einzige wahre Glück. Auch hier könnte man das, was
wir von den Scheinbildern des Glücks geſagt haben, voll¬
kommen umkehren und anwenden auf Scheinbilder des Un¬
glücks, da ſo Vieles von dem Menſchen für ein Unglück
gehalten zu werden pflegt was an ſich keins — mindeſtens
nicht das wahre iſt; und ſind doch überhaupt dieſe Schein¬
bilder von Glück und Unglück die ganz eigentlichen Irr¬
lichter der Seele, welche ſie vielfältig ſtören und hindern
das eine oder das andere in Wahrheit zu erkennen! ja es
läßt ſich behaupten, daß eben, weil der Seele, vermöge
ihres überall Durchdrungenſeins vom Unbewußtſein, ein
abſolutes Bewußtſein und alſo auch eine ganz vollkommene
Erkenntniß während ihres zeitlich ſich Darlebens unmöglich
fällt, die unbedingte Beſeitigung aller dieſer Schein¬
bilder im Leben nicht erreicht werden kann und alſo auch
nicht erreicht werden ſoll. Es iſt daher auch das noch
eine hübſche Eigenthümlichkeit unſerer Sprache, daß, da
ſonach die unbedingte Seeligkeit und Unſeeligkeit außerhalb
dem Bereiche dieſer Exiſtenz liegt, ſie für das, was deren
Stelle im Leben vertritt ein mittleres Wort — Glückſeelig¬
keit und Unglückſeeligkeit — beſitzt, wodurch denn Höhen¬
punkt und Tiefenpunkt des Wachsthums der Seele wäh¬
rend dieſer Zeitlichkeit für hinlänglich bezeichnet erachtet
werden kann.

Es wächst nun aber und nimmt ab die Seele in
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[242/0258] entgegengeſetzter Zuſtand zu denken ſei; nämlich eben als der der Seele ungemäßeſte — unglücklichſte — mit einem Worte, als der der Trübſeeligkeit oder Unſeeligkeit. Wenn die Magnetnadel Bewußtſein hätte, ſo würde der Zuſtand derſelben, wenn man ihren Nordpol nach Oſten oder Süden ſtellt, das ſein, was wir für die Menſchen¬ ſeele die Unſeeligkeit genannt haben, und von welcher wir ſtreng genommen ſagen können, daß ſie das einzige wahr¬ hafte Unglück ſei, ſo wie die Seeligkeit eigentlich das einzige wahre Glück. Auch hier könnte man das, was wir von den Scheinbildern des Glücks geſagt haben, voll¬ kommen umkehren und anwenden auf Scheinbilder des Un¬ glücks, da ſo Vieles von dem Menſchen für ein Unglück gehalten zu werden pflegt was an ſich keins — mindeſtens nicht das wahre iſt; und ſind doch überhaupt dieſe Schein¬ bilder von Glück und Unglück die ganz eigentlichen Irr¬ lichter der Seele, welche ſie vielfältig ſtören und hindern das eine oder das andere in Wahrheit zu erkennen! ja es läßt ſich behaupten, daß eben, weil der Seele, vermöge ihres überall Durchdrungenſeins vom Unbewußtſein, ein abſolutes Bewußtſein und alſo auch eine ganz vollkommene Erkenntniß während ihres zeitlich ſich Darlebens unmöglich fällt, die unbedingte Beſeitigung aller dieſer Schein¬ bilder im Leben nicht erreicht werden kann und alſo auch nicht erreicht werden ſoll. Es iſt daher auch das noch eine hübſche Eigenthümlichkeit unſerer Sprache, daß, da ſonach die unbedingte Seeligkeit und Unſeeligkeit außerhalb dem Bereiche dieſer Exiſtenz liegt, ſie für das, was deren Stelle im Leben vertritt ein mittleres Wort — Glückſeelig¬ keit und Unglückſeeligkeit — beſitzt, wodurch denn Höhen¬ punkt und Tiefenpunkt des Wachsthums der Seele wäh¬ rend dieſer Zeitlichkeit für hinlänglich bezeichnet erachtet werden kann. Es wächst nun aber und nimmt ab die Seele in ihrem An-ſich-ſein nicht etwa nur als ein Allgemeines,

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/258>, abgerufen am 27.11.2024.