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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Gefühls an. Am entschiedensten gilt das von dem bösen
Willen einer vom Haß geleiteten Erkenntniß, welche mit
möglichster Umsicht erwägt, wie die Seele, entgegengesetzt
ihrem eigenen wahren Glücke, das Unglück, den Schaden
Anderer herbeiführen möge, und, wenn sie darüber zu einem
Resultate gekommen ist, dasselbe ganz gleich einer höheren
vernunft-gemäßen Handlung, will und ausführt. Was
den zu schwachen und zu starken Willen betrifft, so ist hier
zu unterscheiden, ob man dabei das Maß der geistigen
Festigkeit und Freiheit ins Auge faßt, oder allein die Macht,
die Reaction. -- Das erstere greift durchaus in den Bereich
der Erkenntniß und ist von ihr geradezu untrennbar. Die
innere Macht des Wollens bei dem zu verharren, was als
das Rechte einmal erkannt ist, und das abzuweisen, was
das durchaus Ungemäße ist, kann nur von der Lebendigkeit
des klarsten Bewußtseins und der vollsten Ueberzeugung
bestimmt werden, und eben so ist es im andern Falle die
Schwäche des Verstandes und die Unvollkommenheit der
Unterscheidung, welche in vielen Fällen und bei vielen Per¬
sonen zugleich als Schwäche des Willens erscheint, indem
sie keine genügende Erkenntniß weder des Rechten noch des
Falschen zuläßt, so den Grund irgend einer consequenten
Leitung des Lebens aufhebt und das Individuum als ein
schwaches von jedem Winde hin und her gebogenes Schilf
darstellt. Allerdings gibt es aber bei Abmessung von Stärke
oder Schwäche des Willens auch noch eine zweite Seite,
welche von dem Maße des organisch begründeten Vermö¬
gens zur Reaction abhängt. Dasselbe Individuum und
bei demselben Grade der Erkenntniß hat vielleicht in dem
Augenblicke wo es sich seiner vollen innern Gesundheit und
Kraft bewußt ist, die entschiedenste Gewalt nur das Rechte,
ihm Gemäße zu wollen und zu vollbringen, -- und in
einem andern Augenblicke, wo die Kraft des Organismus
gebrochen ist, nach einem starken Blutverlust, oder bei
Krankheitsgefühl, oder bei größter allgemeiner Ermüdung,

Gefühls an. Am entſchiedenſten gilt das von dem böſen
Willen einer vom Haß geleiteten Erkenntniß, welche mit
möglichſter Umſicht erwägt, wie die Seele, entgegengeſetzt
ihrem eigenen wahren Glücke, das Unglück, den Schaden
Anderer herbeiführen möge, und, wenn ſie darüber zu einem
Reſultate gekommen iſt, daſſelbe ganz gleich einer höheren
vernunft-gemäßen Handlung, will und ausführt. Was
den zu ſchwachen und zu ſtarken Willen betrifft, ſo iſt hier
zu unterſcheiden, ob man dabei das Maß der geiſtigen
Feſtigkeit und Freiheit ins Auge faßt, oder allein die Macht,
die Reaction. — Das erſtere greift durchaus in den Bereich
der Erkenntniß und iſt von ihr geradezu untrennbar. Die
innere Macht des Wollens bei dem zu verharren, was als
das Rechte einmal erkannt iſt, und das abzuweiſen, was
das durchaus Ungemäße iſt, kann nur von der Lebendigkeit
des klarſten Bewußtſeins und der vollſten Ueberzeugung
beſtimmt werden, und eben ſo iſt es im andern Falle die
Schwäche des Verſtandes und die Unvollkommenheit der
Unterſcheidung, welche in vielen Fällen und bei vielen Per¬
ſonen zugleich als Schwäche des Willens erſcheint, indem
ſie keine genügende Erkenntniß weder des Rechten noch des
Falſchen zuläßt, ſo den Grund irgend einer conſequenten
Leitung des Lebens aufhebt und das Individuum als ein
ſchwaches von jedem Winde hin und her gebogenes Schilf
darſtellt. Allerdings gibt es aber bei Abmeſſung von Stärke
oder Schwäche des Willens auch noch eine zweite Seite,
welche von dem Maße des organiſch begründeten Vermö¬
gens zur Reaction abhängt. Daſſelbe Individuum und
bei demſelben Grade der Erkenntniß hat vielleicht in dem
Augenblicke wo es ſich ſeiner vollen innern Geſundheit und
Kraft bewußt iſt, die entſchiedenſte Gewalt nur das Rechte,
ihm Gemäße zu wollen und zu vollbringen, — und in
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[368/0384] Gefühls an. Am entſchiedenſten gilt das von dem böſen Willen einer vom Haß geleiteten Erkenntniß, welche mit möglichſter Umſicht erwägt, wie die Seele, entgegengeſetzt ihrem eigenen wahren Glücke, das Unglück, den Schaden Anderer herbeiführen möge, und, wenn ſie darüber zu einem Reſultate gekommen iſt, daſſelbe ganz gleich einer höheren vernunft-gemäßen Handlung, will und ausführt. Was den zu ſchwachen und zu ſtarken Willen betrifft, ſo iſt hier zu unterſcheiden, ob man dabei das Maß der geiſtigen Feſtigkeit und Freiheit ins Auge faßt, oder allein die Macht, die Reaction. — Das erſtere greift durchaus in den Bereich der Erkenntniß und iſt von ihr geradezu untrennbar. Die innere Macht des Wollens bei dem zu verharren, was als das Rechte einmal erkannt iſt, und das abzuweiſen, was das durchaus Ungemäße iſt, kann nur von der Lebendigkeit des klarſten Bewußtſeins und der vollſten Ueberzeugung beſtimmt werden, und eben ſo iſt es im andern Falle die Schwäche des Verſtandes und die Unvollkommenheit der Unterſcheidung, welche in vielen Fällen und bei vielen Per¬ ſonen zugleich als Schwäche des Willens erſcheint, indem ſie keine genügende Erkenntniß weder des Rechten noch des Falſchen zuläßt, ſo den Grund irgend einer conſequenten Leitung des Lebens aufhebt und das Individuum als ein ſchwaches von jedem Winde hin und her gebogenes Schilf darſtellt. Allerdings gibt es aber bei Abmeſſung von Stärke oder Schwäche des Willens auch noch eine zweite Seite, welche von dem Maße des organiſch begründeten Vermö¬ gens zur Reaction abhängt. Daſſelbe Individuum und bei demſelben Grade der Erkenntniß hat vielleicht in dem Augenblicke wo es ſich ſeiner vollen innern Geſundheit und Kraft bewußt iſt, die entſchiedenſte Gewalt nur das Rechte, ihm Gemäße zu wollen und zu vollbringen, — und in einem andern Augenblicke, wo die Kraft des Organismus gebrochen iſt, nach einem ſtarken Blutverluſt, oder bei Krankheitsgefühl, oder bei größter allgemeiner Ermüdung,

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/384>, abgerufen am 22.11.2024.