heit überhaupt, und besonders auch für deren Verhältniß zum bewußten Geiste sehr merkwürdig und folgereich, denn zunächst geht daraus hervor, daß, da das Kranksein seine eigentliche Wurzel nur im unbewußten Seelenleben haben, die Idee der Krankheit nur hier erzeugt werden kann, eine eigenthümliche allein im bewußten Geiste wurzelnde Krankheit unmöglich sei, obwohl es jedoch nie fehlen wird, daß die Strahlungen jedes kranken Zustandes sich sofort über die ganze Seele -- eben weil diese durch und durch im Grundwesen ein Einiges ist, sich verbreiten müssen. Eben deßhalb also, weil die Wurzel der Krankheit allemal im Unbewußten zu suchen ist, ver¬ binden wir schon instinktmäßig mit dem Ausdrucke: "Krank¬ heit" schlechthin nur den Begriff der im Walten und an der Erscheinung der unbewußten Seele sich darlebenden Krankheitsidee. Schlägt dagegen ein besonderer Reflex solches erkrankten unbewußten Lebens über auf den zur Entwicklung gekommenen bewußten Geist, und zwar so, daß die Störung des Geistes ein Hauptsymptom des Krankseins wird, so unterscheiden wir auch sogleich dieses Kranksein mit einem besondern Namen: wir nennen sie Seelen¬ störung, Geisteskrankheit u. s. w. Aus diesen Grün¬ den ist also klar, daß man durchaus vom Begriff der eigentlichen Krankheit zu trennen habe was als abnorme Zustände rein im bewußten Leben sich erzeugt, nämlich die Zustände des Irrthums, der Fühllosigkeit und des Lasters, und daß höchstens diese Zustände im figürlichen Sinne als "moralische Krankheiten" angesehen werden dürfen.
Gegenwärtig kommt es uns nun darauf an, einen Ueberblick von den wesentlich verschiedenen Formen der See¬ lenkrankheit zu geben, einmal wie sie im Unbewußten ent¬ stehend auch hauptsächlich in dieser Region sich verbreitet, ein andermal wie sie, zwar auch im Unbewußten entspringend, doch wesentlich an der Erscheinung des bewußten Geistes sich darlebt. Das erstere erschließt das weite Reich
heit überhaupt, und beſonders auch für deren Verhältniß zum bewußten Geiſte ſehr merkwürdig und folgereich, denn zunächſt geht daraus hervor, daß, da das Krankſein ſeine eigentliche Wurzel nur im unbewußten Seelenleben haben, die Idee der Krankheit nur hier erzeugt werden kann, eine eigenthümliche allein im bewußten Geiſte wurzelnde Krankheit unmöglich ſei, obwohl es jedoch nie fehlen wird, daß die Strahlungen jedes kranken Zuſtandes ſich ſofort über die ganze Seele — eben weil dieſe durch und durch im Grundweſen ein Einiges iſt, ſich verbreiten müſſen. Eben deßhalb alſo, weil die Wurzel der Krankheit allemal im Unbewußten zu ſuchen iſt, ver¬ binden wir ſchon inſtinktmäßig mit dem Ausdrucke: „Krank¬ heit“ ſchlechthin nur den Begriff der im Walten und an der Erſcheinung der unbewußten Seele ſich darlebenden Krankheitsidee. Schlägt dagegen ein beſonderer Reflex ſolches erkrankten unbewußten Lebens über auf den zur Entwicklung gekommenen bewußten Geiſt, und zwar ſo, daß die Störung des Geiſtes ein Hauptſymptom des Krankſeins wird, ſo unterſcheiden wir auch ſogleich dieſes Krankſein mit einem beſondern Namen: wir nennen ſie Seelen¬ ſtörung, Geiſteskrankheit u. ſ. w. Aus dieſen Grün¬ den iſt alſo klar, daß man durchaus vom Begriff der eigentlichen Krankheit zu trennen habe was als abnorme Zuſtände rein im bewußten Leben ſich erzeugt, nämlich die Zuſtände des Irrthums, der Fühlloſigkeit und des Laſters, und daß höchſtens dieſe Zuſtände im figürlichen Sinne als „moraliſche Krankheiten“ angeſehen werden dürfen.
Gegenwärtig kommt es uns nun darauf an, einen Ueberblick von den weſentlich verſchiedenen Formen der See¬ lenkrankheit zu geben, einmal wie ſie im Unbewußten ent¬ ſtehend auch hauptſächlich in dieſer Region ſich verbreitet, ein andermal wie ſie, zwar auch im Unbewußten entſpringend, doch weſentlich an der Erſcheinung des bewußten Geiſtes ſich darlebt. Das erſtere erſchließt das weite Reich
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heit überhaupt, und beſonders auch für deren Verhältniß
zum bewußten Geiſte ſehr merkwürdig und folgereich, denn
zunächſt geht daraus hervor, daß, da das Krankſein ſeine
eigentliche Wurzel nur im unbewußten Seelenleben haben,
die Idee der Krankheit nur hier erzeugt werden kann,
eine eigenthümliche allein im bewußten Geiſte
wurzelnde Krankheit unmöglich ſei, obwohl es
jedoch nie fehlen wird, daß die Strahlungen jedes kranken
Zuſtandes ſich ſofort über die ganze Seele — eben weil
dieſe durch und durch im Grundweſen ein Einiges iſt, ſich
verbreiten müſſen. Eben deßhalb alſo, weil die Wurzel
der Krankheit allemal im Unbewußten zu ſuchen iſt, ver¬
binden wir ſchon inſtinktmäßig mit dem Ausdrucke: „Krank¬
heit“ ſchlechthin nur den Begriff der im Walten und an
der Erſcheinung der unbewußten Seele ſich darlebenden
Krankheitsidee. Schlägt dagegen ein beſonderer Reflex
ſolches erkrankten unbewußten Lebens über auf den zur
Entwicklung gekommenen bewußten Geiſt, und zwar ſo, daß
die Störung des Geiſtes ein Hauptſymptom des Krankſeins
wird, ſo unterſcheiden wir auch ſogleich dieſes Krankſein
mit einem beſondern Namen: wir nennen ſie Seelen¬
ſtörung, Geiſteskrankheit u. ſ. w. Aus dieſen Grün¬
den iſt alſo klar, daß man durchaus vom Begriff der
eigentlichen Krankheit zu trennen habe was als abnorme
Zuſtände rein im bewußten Leben ſich erzeugt, nämlich die
Zuſtände des Irrthums, der Fühlloſigkeit und des Laſters,
und daß höchſtens dieſe Zuſtände im figürlichen Sinne
als „moraliſche Krankheiten“ angeſehen werden dürfen.
Gegenwärtig kommt es uns nun darauf an, einen
Ueberblick von den weſentlich verſchiedenen Formen der See¬
lenkrankheit zu geben, einmal wie ſie im Unbewußten ent¬
ſtehend auch hauptſächlich in dieſer Region ſich verbreitet,
ein andermal wie ſie, zwar auch im Unbewußten entſpringend,
doch weſentlich an der Erſcheinung des bewußten Geiſtes
ſich darlebt. Das erſtere erſchließt das weite Reich
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/448>, abgerufen am 22.11.2024.
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