Periode des Stillstandes bis zum zwölften Jahrhundert.
äußerer Verhältnisse ein Fortleben unmöglich machten, darauf wurde zum Theil bereits hingewiesen; weiteres wird sich sogleich ergeben. Es fehlte für sie nicht bloß an Lebensbedingungen und äußeren Mitteln, sondern es war ja auch die ganze Stellung des Menschen zur Natur verrückt worden.
Die Entwickelung auch der Zoologie war zum Stillstand gekom- men. Mit ihren Schwesterwissenschaften hatte sie, einst von der bele- benden Kost griechischen Geistes genährt, sich nun in eine fremdartige Puppenhülle zurückgezogen. Diese durchbrach sie zwar erst spät, erst am Schlusse des großen nun zu schildernden Zeitraumes. Aber in der dann schnell von drückenden Nebeldünsten sich reinigenden Luft geistigen Auflebens erhebt sie ihre Schwingen zu einem so mächtigen Fluge, daß sie in den letztverflossenen fünf Jahrhunderten größere Strecken ihrer Entwickelung zurücklegte, als in den vorausgehenden zwei Jahrtau- senden.
Es wäre traurig, wenn man annehmen müßte, daß mit dem Sinken der allgemeinen Bildung zur Zeit des Untergangs des west- römischen Kaiserthums und im Beginn des Mittelalters auch jedes Gefühl für Natur, jede gemüthliche Erregung durch die belebte Pflan- zen- und Thierwelt verloren gegangen wäre. Einzelne Erscheinungen -- und mehrere derselben wurden bereits erwähnt -- lassen immer noch den nie ganz zu unterdrückenden Quell des gesunden natürlichen Sinns durchblicken. Die geistige Thätigkeit erhielt aber nun in ihrem Wesen eine andere Richtung.
Von größter Bedeutung ist es hier, einen kurzen Blick auf die Er- ziehungs- und Unterrichtsweise jener Zeiten zu werfen. Die im Haus und in den Schulen erhaltenen Eindrücke bestimmen ja selbst bei ausge- sprochenen Anlagen für einzelne Wissenschaften nur zu häufig die be- sondere Richtung des spätern geistigen Lebens, ein Umstand, welcher in Zeiten politischer und socialer Zersetzungen und Neubildungen Ge- nerationen ihr Gepräge verleiht.
Die römische Jugend war behufs ihrer Erziehung schon während der spätern Kaiserzeit aus den Händen der Mütter in die von Sklaven übergegangen. Schon dies mußte den sittlichen Gehalt der Erziehung
Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert.
äußerer Verhältniſſe ein Fortleben unmöglich machten, darauf wurde zum Theil bereits hingewieſen; weiteres wird ſich ſogleich ergeben. Es fehlte für ſie nicht bloß an Lebensbedingungen und äußeren Mitteln, ſondern es war ja auch die ganze Stellung des Menſchen zur Natur verrückt worden.
Die Entwickelung auch der Zoologie war zum Stillſtand gekom- men. Mit ihren Schweſterwiſſenſchaften hatte ſie, einſt von der bele- benden Koſt griechiſchen Geiſtes genährt, ſich nun in eine fremdartige Puppenhülle zurückgezogen. Dieſe durchbrach ſie zwar erſt ſpät, erſt am Schluſſe des großen nun zu ſchildernden Zeitraumes. Aber in der dann ſchnell von drückenden Nebeldünſten ſich reinigenden Luft geiſtigen Auflebens erhebt ſie ihre Schwingen zu einem ſo mächtigen Fluge, daß ſie in den letztverfloſſenen fünf Jahrhunderten größere Strecken ihrer Entwickelung zurücklegte, als in den vorausgehenden zwei Jahrtau- ſenden.
Es wäre traurig, wenn man annehmen müßte, daß mit dem Sinken der allgemeinen Bildung zur Zeit des Untergangs des weſt- römiſchen Kaiſerthums und im Beginn des Mittelalters auch jedes Gefühl für Natur, jede gemüthliche Erregung durch die belebte Pflan- zen- und Thierwelt verloren gegangen wäre. Einzelne Erſcheinungen — und mehrere derſelben wurden bereits erwähnt — laſſen immer noch den nie ganz zu unterdrückenden Quell des geſunden natürlichen Sinns durchblicken. Die geiſtige Thätigkeit erhielt aber nun in ihrem Weſen eine andere Richtung.
Von größter Bedeutung iſt es hier, einen kurzen Blick auf die Er- ziehungs- und Unterrichtsweiſe jener Zeiten zu werfen. Die im Haus und in den Schulen erhaltenen Eindrücke beſtimmen ja ſelbſt bei ausge- ſprochenen Anlagen für einzelne Wiſſenſchaften nur zu häufig die be- ſondere Richtung des ſpätern geiſtigen Lebens, ein Umſtand, welcher in Zeiten politiſcher und ſocialer Zerſetzungen und Neubildungen Ge- nerationen ihr Gepräge verleiht.
Die römiſche Jugend war behufs ihrer Erziehung ſchon während der ſpätern Kaiſerzeit aus den Händen der Mütter in die von Sklaven übergegangen. Schon dies mußte den ſittlichen Gehalt der Erziehung
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Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert.
äußerer Verhältniſſe ein Fortleben unmöglich machten, darauf wurde
zum Theil bereits hingewieſen; weiteres wird ſich ſogleich ergeben. Es
fehlte für ſie nicht bloß an Lebensbedingungen und äußeren Mitteln,
ſondern es war ja auch die ganze Stellung des Menſchen zur Natur
verrückt worden.
Die Entwickelung auch der Zoologie war zum Stillſtand gekom-
men. Mit ihren Schweſterwiſſenſchaften hatte ſie, einſt von der bele-
benden Koſt griechiſchen Geiſtes genährt, ſich nun in eine fremdartige
Puppenhülle zurückgezogen. Dieſe durchbrach ſie zwar erſt ſpät, erſt
am Schluſſe des großen nun zu ſchildernden Zeitraumes. Aber in der
dann ſchnell von drückenden Nebeldünſten ſich reinigenden Luft geiſtigen
Auflebens erhebt ſie ihre Schwingen zu einem ſo mächtigen Fluge, daß
ſie in den letztverfloſſenen fünf Jahrhunderten größere Strecken ihrer
Entwickelung zurücklegte, als in den vorausgehenden zwei Jahrtau-
ſenden.
Es wäre traurig, wenn man annehmen müßte, daß mit dem
Sinken der allgemeinen Bildung zur Zeit des Untergangs des weſt-
römiſchen Kaiſerthums und im Beginn des Mittelalters auch jedes
Gefühl für Natur, jede gemüthliche Erregung durch die belebte Pflan-
zen- und Thierwelt verloren gegangen wäre. Einzelne Erſcheinungen
— und mehrere derſelben wurden bereits erwähnt — laſſen immer
noch den nie ganz zu unterdrückenden Quell des geſunden natürlichen
Sinns durchblicken. Die geiſtige Thätigkeit erhielt aber nun in ihrem
Weſen eine andere Richtung.
Von größter Bedeutung iſt es hier, einen kurzen Blick auf die Er-
ziehungs- und Unterrichtsweiſe jener Zeiten zu werfen. Die im Haus
und in den Schulen erhaltenen Eindrücke beſtimmen ja ſelbſt bei ausge-
ſprochenen Anlagen für einzelne Wiſſenſchaften nur zu häufig die be-
ſondere Richtung des ſpätern geiſtigen Lebens, ein Umſtand, welcher
in Zeiten politiſcher und ſocialer Zerſetzungen und Neubildungen Ge-
nerationen ihr Gepräge verleiht.
Die römiſche Jugend war behufs ihrer Erziehung ſchon während
der ſpätern Kaiſerzeit aus den Händen der Mütter in die von Sklaven
übergegangen. Schon dies mußte den ſittlichen Gehalt der Erziehung
V. Carus, Geſch. d. Zool. 7
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/108>, abgerufen am 24.11.2024.
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