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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Physiologus.
Moralisirungen im Charakter der ersten christlichen Zeiten lagen, be-
weist nicht bloß die reiche symbolische Litteratur, welche von der "Clavis"
des heiligen Melito vom Ende des zweiten Jahrhunderts beginnend
(von Pitra zuerst herausgegeben) sich immer ausgebreiteter entwickelte
und zu welcher selbst Männer wie Hrabanus Maurus selbständig bei-
trugen, hauptsächlich in Hinblick auf die in ihr liegende Förderung zum
wirksamen Predigen, sondern vorzüglich auch der ausgedehnte Gebrauch,
welchen die bildenden Künste von den dargebotenen Symbolen machten.
Es braucht hier beispielsweise nur an die eine Thatsache erinnert zu
werden, wie sehr der heilige Bernhard über die übermäßigen Verwen-
dungen von Thiergestalten bei Verzierung der Klostergebäude und Kir-
chen sich ereiferte. Die Thiersymbolik überhaupt und besonders nach
dieser Richtung hin zu verfolgen, ist indeß hier nicht der Ort39).

Indem nun rücksichtlich der Darstellungsweise in den Physiologis
auf die oben angeführte Litteratur verwiesen wird, soll zunächst der
Versuch gemacht werden, für die wichtigsten Thiere in der erwähnten
Reihenfolge die betreffenden Bibelstellen, sowie die Quellen für die
mitgetheilten Züge aus der Lebensgeschichte der Thiere nachzuweisen.
Es wird sich dabei, wie schon hier bemerkt werden mag, herausstellen,
daß sowohl für den Physiologus als für die Bibelübersetzungen noch
ältere Zeugnisse fehlen.

Vom Panther wird erzählt, daß er bunt sei, nach der Sätti-
gung drei Tage schlafe, dann mit Gebrüll erwache und einen so ange-
nehmen Geruch von sich ausgehen lasse, daß alle Thiere zu ihm kom-
men. Nur der Drache ist sein Feind. Ausdrücklich wird angeführt, der
Prophet sage: "ich werde wie ein Löwe sein dem Hause Juda und ein
Panther dem Hause Ephraim". Dies ist die griechisch-alexandrinische
Uebersetzung der Stelle Hosea 5, 14. Die Buntheit des Panthers
(auch Pardalis) erwähnt Aristoteles (de gener. anim. 5, 69), den
Geruch, der andern Thieren angenehm ist, derselbe (hist. anim. 9, 43)
und Spätere (so Aelian, hist. anim. 5, 40). Der dreitägige Schlaf

39) vergl. unter andern die oben angeführten Arbeiten von Cahier, Heider
und Koloff. Ferner Mme Felicie d'Ayssac, sur les bestiaires in: Revue
d'architecture. Tom. 7. 1847. p. 48. 66. 97. 123. 177. 321.

Phyſiologus.
Moraliſirungen im Charakter der erſten chriſtlichen Zeiten lagen, be-
weiſt nicht bloß die reiche ſymboliſche Litteratur, welche von der „Clavis“
des heiligen Melito vom Ende des zweiten Jahrhunderts beginnend
(von Pitra zuerſt herausgegeben) ſich immer ausgebreiteter entwickelte
und zu welcher ſelbſt Männer wie Hrabanus Maurus ſelbſtändig bei-
trugen, hauptſächlich in Hinblick auf die in ihr liegende Förderung zum
wirkſamen Predigen, ſondern vorzüglich auch der ausgedehnte Gebrauch,
welchen die bildenden Künſte von den dargebotenen Symbolen machten.
Es braucht hier beiſpielsweiſe nur an die eine Thatſache erinnert zu
werden, wie ſehr der heilige Bernhard über die übermäßigen Verwen-
dungen von Thiergeſtalten bei Verzierung der Kloſtergebäude und Kir-
chen ſich ereiferte. Die Thierſymbolik überhaupt und beſonders nach
dieſer Richtung hin zu verfolgen, iſt indeß hier nicht der Ort39).

Indem nun rückſichtlich der Darſtellungsweiſe in den Phyſiologis
auf die oben angeführte Litteratur verwieſen wird, ſoll zunächſt der
Verſuch gemacht werden, für die wichtigſten Thiere in der erwähnten
Reihenfolge die betreffenden Bibelſtellen, ſowie die Quellen für die
mitgetheilten Züge aus der Lebensgeſchichte der Thiere nachzuweiſen.
Es wird ſich dabei, wie ſchon hier bemerkt werden mag, herausſtellen,
daß ſowohl für den Phyſiologus als für die Bibelüberſetzungen noch
ältere Zeugniſſe fehlen.

Vom Panther wird erzählt, daß er bunt ſei, nach der Sätti-
gung drei Tage ſchlafe, dann mit Gebrüll erwache und einen ſo ange-
nehmen Geruch von ſich ausgehen laſſe, daß alle Thiere zu ihm kom-
men. Nur der Drache iſt ſein Feind. Ausdrücklich wird angeführt, der
Prophet ſage: „ich werde wie ein Löwe ſein dem Hauſe Juda und ein
Panther dem Hauſe Ephraim“. Dies iſt die griechiſch-alexandriniſche
Ueberſetzung der Stelle Hoſea 5, 14. Die Buntheit des Panthers
(auch Pardalis) erwähnt Ariſtoteles (de gener. anim. 5, 69), den
Geruch, der andern Thieren angenehm iſt, derſelbe (hist. anim. 9, 43)
und Spätere (ſo Aelian, hist. anim. 5, 40). Der dreitägige Schlaf

39) vergl. unter andern die oben angeführten Arbeiten von Cahier, Heider
und Koloff. Ferner Mme Félicie d'Ayssac, sur les bestiaires in: Revue
d'architecture. Tom. 7. 1847. p. 48. 66. 97. 123. 177. 321.
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[121/0132] Phyſiologus. Moraliſirungen im Charakter der erſten chriſtlichen Zeiten lagen, be- weiſt nicht bloß die reiche ſymboliſche Litteratur, welche von der „Clavis“ des heiligen Melito vom Ende des zweiten Jahrhunderts beginnend (von Pitra zuerſt herausgegeben) ſich immer ausgebreiteter entwickelte und zu welcher ſelbſt Männer wie Hrabanus Maurus ſelbſtändig bei- trugen, hauptſächlich in Hinblick auf die in ihr liegende Förderung zum wirkſamen Predigen, ſondern vorzüglich auch der ausgedehnte Gebrauch, welchen die bildenden Künſte von den dargebotenen Symbolen machten. Es braucht hier beiſpielsweiſe nur an die eine Thatſache erinnert zu werden, wie ſehr der heilige Bernhard über die übermäßigen Verwen- dungen von Thiergeſtalten bei Verzierung der Kloſtergebäude und Kir- chen ſich ereiferte. Die Thierſymbolik überhaupt und beſonders nach dieſer Richtung hin zu verfolgen, iſt indeß hier nicht der Ort 39). Indem nun rückſichtlich der Darſtellungsweiſe in den Phyſiologis auf die oben angeführte Litteratur verwieſen wird, ſoll zunächſt der Verſuch gemacht werden, für die wichtigſten Thiere in der erwähnten Reihenfolge die betreffenden Bibelſtellen, ſowie die Quellen für die mitgetheilten Züge aus der Lebensgeſchichte der Thiere nachzuweiſen. Es wird ſich dabei, wie ſchon hier bemerkt werden mag, herausſtellen, daß ſowohl für den Phyſiologus als für die Bibelüberſetzungen noch ältere Zeugniſſe fehlen. Vom Panther wird erzählt, daß er bunt ſei, nach der Sätti- gung drei Tage ſchlafe, dann mit Gebrüll erwache und einen ſo ange- nehmen Geruch von ſich ausgehen laſſe, daß alle Thiere zu ihm kom- men. Nur der Drache iſt ſein Feind. Ausdrücklich wird angeführt, der Prophet ſage: „ich werde wie ein Löwe ſein dem Hauſe Juda und ein Panther dem Hauſe Ephraim“. Dies iſt die griechiſch-alexandriniſche Ueberſetzung der Stelle Hoſea 5, 14. Die Buntheit des Panthers (auch Pardalis) erwähnt Ariſtoteles (de gener. anim. 5, 69), den Geruch, der andern Thieren angenehm iſt, derſelbe (hist. anim. 9, 43) und Spätere (ſo Aelian, hist. anim. 5, 40). Der dreitägige Schlaf 39) vergl. unter andern die oben angeführten Arbeiten von Cahier, Heider und Koloff. Ferner Mme Félicie d'Ayssac, sur les bestiaires in: Revue d'architecture. Tom. 7. 1847. p. 48. 66. 97. 123. 177. 321.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/132>, abgerufen am 21.11.2024.