im Physiologus gründet, ist nicht sicher nachzuweisen, da in keiner der erhaltenen Uebersetzungen dieser Name vorkommt. Die einzige Erklä- rung würde, wenn sich die Deutung auf frühere Quellen zurückführen ließe, die Uebersetzung des hebräischen Anaka mit Biber darbieten, wie sie, Kimchi zufolge, Rabbi Schalomon gibt47). Die Geschichte, welche der Physiologus von ihm vorbringt, daß er wenn er sich verfolgt sieht seine Testikel abbeißt und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig ziehen lassen, wird von mehreren alten Schriftstellern erzählt, so von Plinius (8, 109), Aelian (6, 34), Solinus (13, 2), Horapollo (2, 65).
Vom Hirsch wird in mehrfachen Abänderungen erzählt, daß er der Schlange Feind sei, sie aus ihrer Höhle hervortreibe und tödte und daß er dann zur Wasserquelle gehe, um des Giftes ledig zu werden. Man bezieht sich dabei meist auf den Anfang des 42. Psalms. Eine solche Beziehung zwischen Hirsch und Schlange scheint im Alterthume mehrfach angenommen worden zu sein. Dies geht aus Stellen hervor, wie Aelian 2, 9 und 8, 6, Lucrez 6, V. 766; Martial 12, Ep. 29.
Der Igel, zu dessen Erwähnung wohl Jesajas 14, 23 Veran- lassung gegeben hat, ist nicht ohne Bedeutung, da die Art, wie er an- geführt wird, auf die Heimath des Physiologus einiges Licht wirft. Wenn nämlich der griechische Physiologus, sowie Eustathius im Hexae- meron die Stacheln des Igels mit den Stacheln des Seeigels vergleicht, um die Beschreibung anschaulicher zu machen, so setzt dies jedenfalls beim Leser nahe Bekanntschaft mit Seethieren voraus. Und diese läßt sich doch nur in einem Küstenlande erwarten. Was übrigens der Phy- siologus vom Igel mittheilt, daß er auf Weinstöcke steigt, die Beeren löst und diese dann auf seine Stacheln spießt, führt schon Aelian an (3, 10), nur daß er statt der Beeren Feigen als die Frucht bezeichnet.
Das an mehreren Stellen der Bibel erwähnte Einhorn wird von mittelalterlichen Schriftstellern noch bis in das 15. Jahrhundert so geschildert, wie es der Physiologus thut. Die Erzählung, daß das
47) vergl. Bochart, Hierozoicon. I. col. 1067. s. auch Lewysohn, die Zoologie des Talmud. Frankfurt a. M. 1858. S. 98.
Phyſiologus.
im Phyſiologus gründet, iſt nicht ſicher nachzuweiſen, da in keiner der erhaltenen Ueberſetzungen dieſer Name vorkommt. Die einzige Erklä- rung würde, wenn ſich die Deutung auf frühere Quellen zurückführen ließe, die Ueberſetzung des hebräiſchen Anaka mit Biber darbieten, wie ſie, Kimchi zufolge, Rabbi Schalomon gibt47). Die Geſchichte, welche der Phyſiologus von ihm vorbringt, daß er wenn er ſich verfolgt ſieht ſeine Teſtikel abbeißt und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig ziehen laſſen, wird von mehreren alten Schriftſtellern erzählt, ſo von Plinius (8, 109), Aelian (6, 34), Solinus (13, 2), Horapollo (2, 65).
Vom Hirſch wird in mehrfachen Abänderungen erzählt, daß er der Schlange Feind ſei, ſie aus ihrer Höhle hervortreibe und tödte und daß er dann zur Waſſerquelle gehe, um des Giftes ledig zu werden. Man bezieht ſich dabei meiſt auf den Anfang des 42. Pſalms. Eine ſolche Beziehung zwiſchen Hirſch und Schlange ſcheint im Alterthume mehrfach angenommen worden zu ſein. Dies geht aus Stellen hervor, wie Aelian 2, 9 und 8, 6, Lucrez 6, V. 766; Martial 12, Ep. 29.
Der Igel, zu deſſen Erwähnung wohl Jeſajas 14, 23 Veran- laſſung gegeben hat, iſt nicht ohne Bedeutung, da die Art, wie er an- geführt wird, auf die Heimath des Phyſiologus einiges Licht wirft. Wenn nämlich der griechiſche Phyſiologus, ſowie Euſtathius im Hexae- meron die Stacheln des Igels mit den Stacheln des Seeigels vergleicht, um die Beſchreibung anſchaulicher zu machen, ſo ſetzt dies jedenfalls beim Leſer nahe Bekanntſchaft mit Seethieren voraus. Und dieſe läßt ſich doch nur in einem Küſtenlande erwarten. Was übrigens der Phy- ſiologus vom Igel mittheilt, daß er auf Weinſtöcke ſteigt, die Beeren löſt und dieſe dann auf ſeine Stacheln ſpießt, führt ſchon Aelian an (3, 10), nur daß er ſtatt der Beeren Feigen als die Frucht bezeichnet.
Das an mehreren Stellen der Bibel erwähnte Einhorn wird von mittelalterlichen Schriftſtellern noch bis in das 15. Jahrhundert ſo geſchildert, wie es der Phyſiologus thut. Die Erzählung, daß das
47) vergl. Bochart, Hierozoicon. I. col. 1067. ſ. auch Lewyſohn, die Zoologie des Talmud. Frankfurt a. M. 1858. S. 98.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0136"n="125"/><fwplace="top"type="header">Phyſiologus.</fw><lb/>
im Phyſiologus gründet, iſt nicht ſicher nachzuweiſen, da in keiner der<lb/>
erhaltenen Ueberſetzungen dieſer Name vorkommt. Die einzige Erklä-<lb/>
rung würde, wenn ſich die Deutung auf frühere Quellen zurückführen<lb/>
ließe, die Ueberſetzung des hebräiſchen Anaka mit Biber darbieten, wie<lb/>ſie, Kimchi zufolge, Rabbi Schalomon gibt<noteplace="foot"n="47)">vergl. <hirendition="#aq"><hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/124373208">Bochart</persName></hi>,<lb/>
Hierozoicon. I. col. 1067.</hi>ſ. auch <hirendition="#g"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/155568442">Lewyſohn</persName></hi>, die<lb/>
Zoologie des Talmud. Frankfurt a. M. 1858. S. 98.</note>. Die Geſchichte, welche<lb/>
der Phyſiologus von ihm vorbringt, daß er wenn er ſich verfolgt ſieht<lb/>ſeine Teſtikel abbeißt und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig<lb/>
ziehen laſſen, wird von mehreren alten Schriftſtellern erzählt, ſo von<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName> (8, 109), <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119160285">Aelian</persName> (6, 34), <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118797948">Solinus</persName> (13, 2), <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11952516X">Horapollo</persName><lb/>
(2, 65).</p><lb/><p>Vom <hirendition="#g">Hirſch</hi> wird in mehrfachen Abänderungen erzählt, daß er<lb/>
der Schlange Feind ſei, ſie aus ihrer Höhle hervortreibe und tödte und<lb/>
daß er dann zur Waſſerquelle gehe, um des Giftes ledig zu werden.<lb/>
Man bezieht ſich dabei meiſt auf den Anfang des 42. Pſalms. Eine<lb/>ſolche Beziehung zwiſchen Hirſch und Schlange ſcheint im Alterthume<lb/>
mehrfach angenommen worden zu ſein. Dies geht aus Stellen hervor,<lb/>
wie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119160285">Aelian</persName> 2, 9 und 8, 6, <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118575236">Lucrez</persName> 6, V. 766; <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11857826X">Martial</persName> 12, Ep. 29.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Igel</hi>, zu deſſen Erwähnung wohl Jeſajas 14, 23 Veran-<lb/>
laſſung gegeben hat, iſt nicht ohne Bedeutung, da die Art, wie er an-<lb/>
geführt wird, auf die Heimath des Phyſiologus einiges Licht wirft.<lb/>
Wenn nämlich der griechiſche Phyſiologus, ſowie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118682741">Euſtathius</persName> im Hexae-<lb/>
meron die Stacheln des Igels mit den Stacheln des Seeigels vergleicht,<lb/>
um die Beſchreibung anſchaulicher zu machen, ſo ſetzt dies jedenfalls<lb/>
beim Leſer nahe Bekanntſchaft mit Seethieren voraus. Und dieſe läßt<lb/>ſich doch nur in einem Küſtenlande erwarten. Was übrigens der Phy-<lb/>ſiologus vom Igel mittheilt, daß er auf Weinſtöcke ſteigt, die Beeren<lb/>
löſt und dieſe dann auf ſeine Stacheln ſpießt, führt ſchon <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119160285">Aelian</persName> an<lb/>
(3, 10), nur daß er ſtatt der Beeren Feigen als die Frucht bezeichnet.</p><lb/><p>Das an mehreren Stellen der Bibel erwähnte <hirendition="#g">Einhorn</hi> wird<lb/>
von mittelalterlichen Schriftſtellern noch bis in das 15. Jahrhundert<lb/>ſo geſchildert, wie es der Phyſiologus thut. Die Erzählung, daß das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[125/0136]
Phyſiologus.
im Phyſiologus gründet, iſt nicht ſicher nachzuweiſen, da in keiner der
erhaltenen Ueberſetzungen dieſer Name vorkommt. Die einzige Erklä-
rung würde, wenn ſich die Deutung auf frühere Quellen zurückführen
ließe, die Ueberſetzung des hebräiſchen Anaka mit Biber darbieten, wie
ſie, Kimchi zufolge, Rabbi Schalomon gibt 47). Die Geſchichte, welche
der Phyſiologus von ihm vorbringt, daß er wenn er ſich verfolgt ſieht
ſeine Teſtikel abbeißt und den Jägern hinwirft, welche ihn dann ruhig
ziehen laſſen, wird von mehreren alten Schriftſtellern erzählt, ſo von
Plinius (8, 109), Aelian (6, 34), Solinus (13, 2), Horapollo
(2, 65).
Vom Hirſch wird in mehrfachen Abänderungen erzählt, daß er
der Schlange Feind ſei, ſie aus ihrer Höhle hervortreibe und tödte und
daß er dann zur Waſſerquelle gehe, um des Giftes ledig zu werden.
Man bezieht ſich dabei meiſt auf den Anfang des 42. Pſalms. Eine
ſolche Beziehung zwiſchen Hirſch und Schlange ſcheint im Alterthume
mehrfach angenommen worden zu ſein. Dies geht aus Stellen hervor,
wie Aelian 2, 9 und 8, 6, Lucrez 6, V. 766; Martial 12, Ep. 29.
Der Igel, zu deſſen Erwähnung wohl Jeſajas 14, 23 Veran-
laſſung gegeben hat, iſt nicht ohne Bedeutung, da die Art, wie er an-
geführt wird, auf die Heimath des Phyſiologus einiges Licht wirft.
Wenn nämlich der griechiſche Phyſiologus, ſowie Euſtathius im Hexae-
meron die Stacheln des Igels mit den Stacheln des Seeigels vergleicht,
um die Beſchreibung anſchaulicher zu machen, ſo ſetzt dies jedenfalls
beim Leſer nahe Bekanntſchaft mit Seethieren voraus. Und dieſe läßt
ſich doch nur in einem Küſtenlande erwarten. Was übrigens der Phy-
ſiologus vom Igel mittheilt, daß er auf Weinſtöcke ſteigt, die Beeren
löſt und dieſe dann auf ſeine Stacheln ſpießt, führt ſchon Aelian an
(3, 10), nur daß er ſtatt der Beeren Feigen als die Frucht bezeichnet.
Das an mehreren Stellen der Bibel erwähnte Einhorn wird
von mittelalterlichen Schriftſtellern noch bis in das 15. Jahrhundert
ſo geſchildert, wie es der Phyſiologus thut. Die Erzählung, daß das
47) vergl. Bochart,
Hierozoicon. I. col. 1067. ſ. auch Lewyſohn, die
Zoologie des Talmud. Frankfurt a. M. 1858. S. 98.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/136>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.