Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. Averroes (1120-1198) ist für die Entwickelung der mittelalter-lichen Philosophie zwar von ungleich größerer Bedeutung gewesen als Avicenna; in Bezug auf seinen Einfluß als Verbreiter der aristoteli- schen Zoologie steht er aber diesem nach. Die von ihm betonte und für sein ganzes System charakteristische Trennung zwischen Philosophie und Theologie hat vielleicht hauptsächlich dazu beigetragen, den nur oder vorwiegend in averroistischem Gewande bekannten Naturhistoriker Ari- stoteles im zwölften und dreizehnten Jahrhundert zu verbieten111), bis er besonders durch die Form der Commentare des Averroes allgemeiner verbreitet von Albert dem Großen und Thomas von Aquino zu Ansehn und selbst kirchlicher Geltung gebracht wurde. Eine eingehende Kennt- niß der Zoologie des Aristoteles hat aber Averroes nicht vermittelt. Freilich hat er über sämmtliche zoologische Schriften des Stagiriten Commentare verfaßt112), welche sich meist als exegetische Erklärungen dem Texte anfügten und diesen nur seltener ausführlich paraphrasirten. Doch sind dieselben weder im Originale je gedruckt worden, noch jetzt sämmtlich erhalten. Der Commentar zu der Thiergeschichte fehlt und nur der zu den Schriften über die Theile und über die Zeugung ist nach hebräischen Uebersetzungen noch vorhanden, von denen bereits 1169 in Sevilla eine angefertigt wurde. Auch später noch werden hebräische Uebersetzungen gerade dieser Commentare, d. h. über das 11. bis 19. Buch der gesammten Zoologie des Aristoteles erwähnt, so die des Ja- cob ben-Machir (1300) und des Abba More Jarchi (um 1306), wäh- rend schon 1260 Moses Aben Tibbon seinen Religionsgenossen eine vollständige Uebersetzung der Commentare des Averroes gegeben hatte. Es ist aus dem Vorhergehenden ersichtlich, daß die Araber durch 111) So verordnete noch 1215 Robertus Carthonensis, legatus Papae den
Pariser Schülern und Lehrern: legant libros Aristotelis de dialectica tam ve- teri quam de nova in scholis ordinarie et non ad cursum; non legantur libri Aristotelis de metaphysica et naturali philosophia nec summa de eis- dem. vergl. Bulaeus, III, p. 82. Die Zoologie des Mittelalters. Averroes (1120-1198) iſt für die Entwickelung der mittelalter-lichen Philoſophie zwar von ungleich größerer Bedeutung geweſen als Avicenna; in Bezug auf ſeinen Einfluß als Verbreiter der ariſtoteli- ſchen Zoologie ſteht er aber dieſem nach. Die von ihm betonte und für ſein ganzes Syſtem charakteriſtiſche Trennung zwiſchen Philoſophie und Theologie hat vielleicht hauptſächlich dazu beigetragen, den nur oder vorwiegend in averroiſtiſchem Gewande bekannten Naturhiſtoriker Ari- ſtoteles im zwölften und dreizehnten Jahrhundert zu verbieten111), bis er beſonders durch die Form der Commentare des Averroes allgemeiner verbreitet von Albert dem Großen und Thomas von Aquino zu Anſehn und ſelbſt kirchlicher Geltung gebracht wurde. Eine eingehende Kennt- niß der Zoologie des Ariſtoteles hat aber Averroes nicht vermittelt. Freilich hat er über ſämmtliche zoologiſche Schriften des Stagiriten Commentare verfaßt112), welche ſich meiſt als exegetiſche Erklärungen dem Texte anfügten und dieſen nur ſeltener ausführlich paraphraſirten. Doch ſind dieſelben weder im Originale je gedruckt worden, noch jetzt ſämmtlich erhalten. Der Commentar zu der Thiergeſchichte fehlt und nur der zu den Schriften über die Theile und über die Zeugung iſt nach hebräiſchen Ueberſetzungen noch vorhanden, von denen bereits 1169 in Sevilla eine angefertigt wurde. Auch ſpäter noch werden hebräiſche Ueberſetzungen gerade dieſer Commentare, d. h. über das 11. bis 19. Buch der geſammten Zoologie des Ariſtoteles erwähnt, ſo die des Ja- cob ben-Machir (1300) und des Abba More Jarchi (um 1306), wäh- rend ſchon 1260 Moſes Aben Tibbon ſeinen Religionsgenoſſen eine vollſtändige Ueberſetzung der Commentare des Averroes gegeben hatte. Es iſt aus dem Vorhergehenden erſichtlich, daß die Araber durch 111) So verordnete noch 1215 Robertus Carthonensis, legatus Papae den
Pariſer Schülern und Lehrern: legant libros Aristotelis de dialectica tam ve- teri quam de nova in scholis ordinarie et non ad cursum; non legantur libri Aristotelis de metaphysica et naturali philosophia nec summa de eis- dem. vergl. Bulaeus, III, p. 82. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0185" n="174"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroes</persName></hi> (1120-1198) iſt für die Entwickelung der mittelalter-<lb/> lichen Philoſophie zwar von ungleich größerer Bedeutung geweſen als<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505254">Avicenna</persName>; in Bezug auf ſeinen Einfluß als Verbreiter der ariſtoteli-<lb/> ſchen Zoologie ſteht er aber dieſem nach. Die von ihm betonte und für<lb/> ſein ganzes Syſtem charakteriſtiſche Trennung zwiſchen Philoſophie und<lb/> Theologie hat vielleicht hauptſächlich dazu beigetragen, den nur oder<lb/> vorwiegend in averroiſtiſchem Gewande bekannten Naturhiſtoriker <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari-<lb/> ſtoteles</persName> im zwölften und dreizehnten Jahrhundert zu verbieten<note place="foot" n="111)">So verordnete noch 1215 <hi rendition="#aq"><persName ref="nognd">Robertus Carthonensis</persName>, legatus Papae</hi> den<lb/> Pariſer Schülern und Lehrern: <hi rendition="#aq">legant libros <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Aristotelis</persName> de dialectica tam ve-<lb/> teri quam de nova in scholis ordinarie et non ad cursum; <hi rendition="#g">non legantur</hi><lb/> libri <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Aristotelis</persName> de metaphysica et naturali philosophia nec summa de eis-<lb/> dem.</hi> vergl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/100062849 http://viaf.org/viaf/56664613">Bulaeus</persName></hi>, III, p. 82.</hi></note>, bis<lb/> er beſonders durch die Form der Commentare des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroes</persName> allgemeiner<lb/> verbreitet von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> dem Großen und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118622110">Thomas</persName> von Aquino zu Anſehn<lb/> und ſelbſt kirchlicher Geltung gebracht wurde. Eine eingehende Kennt-<lb/> niß der Zoologie des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> hat aber <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroes</persName> nicht vermittelt.<lb/> Freilich hat er über ſämmtliche zoologiſche Schriften des Stagiriten<lb/> Commentare verfaßt<note place="foot" n="112)">Belege ſ. bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118744496">Renan</persName></hi>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroes</persName>. p. 47, 17.</hi></note>, welche ſich meiſt als exegetiſche Erklärungen<lb/> dem Texte anfügten und dieſen nur ſeltener ausführlich paraphraſirten.<lb/> Doch ſind dieſelben weder im Originale je gedruckt worden, noch jetzt<lb/> ſämmtlich erhalten. Der Commentar zu der Thiergeſchichte fehlt und<lb/> nur der zu den Schriften über die Theile und über die Zeugung iſt nach<lb/> hebräiſchen Ueberſetzungen noch vorhanden, von denen bereits 1169<lb/> in Sevilla eine angefertigt wurde. Auch ſpäter noch werden hebräiſche<lb/> Ueberſetzungen gerade dieſer Commentare, d. h. über das 11. bis 19.<lb/> Buch der geſammten Zoologie des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> erwähnt, ſo die des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/104083220">Ja-<lb/> cob ben-Machir</persName> (1300) und des <persName ref="nognd">Abba More Jarchi</persName> (um 1306), wäh-<lb/> rend ſchon 1260 <persName ref="http://d-nb.info/gnd/121403114">Moſes Aben Tibbon</persName> ſeinen Religionsgenoſſen eine<lb/> vollſtändige Ueberſetzung der Commentare des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505238">Averroes</persName> gegeben hatte.</p><lb/> <p>Es iſt aus dem Vorhergehenden erſichtlich, daß die Araber durch<lb/> ihre eigenen Arbeiten zur Förderung der Zoologie nur äußerſt wenig<lb/> und nur in beſchränktem Sinne beitrugen, da ſich ſowohl in ihrem Na-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0185]
Die Zoologie des Mittelalters.
Averroes (1120-1198) iſt für die Entwickelung der mittelalter-
lichen Philoſophie zwar von ungleich größerer Bedeutung geweſen als
Avicenna; in Bezug auf ſeinen Einfluß als Verbreiter der ariſtoteli-
ſchen Zoologie ſteht er aber dieſem nach. Die von ihm betonte und für
ſein ganzes Syſtem charakteriſtiſche Trennung zwiſchen Philoſophie und
Theologie hat vielleicht hauptſächlich dazu beigetragen, den nur oder
vorwiegend in averroiſtiſchem Gewande bekannten Naturhiſtoriker Ari-
ſtoteles im zwölften und dreizehnten Jahrhundert zu verbieten 111), bis
er beſonders durch die Form der Commentare des Averroes allgemeiner
verbreitet von Albert dem Großen und Thomas von Aquino zu Anſehn
und ſelbſt kirchlicher Geltung gebracht wurde. Eine eingehende Kennt-
niß der Zoologie des Ariſtoteles hat aber Averroes nicht vermittelt.
Freilich hat er über ſämmtliche zoologiſche Schriften des Stagiriten
Commentare verfaßt 112), welche ſich meiſt als exegetiſche Erklärungen
dem Texte anfügten und dieſen nur ſeltener ausführlich paraphraſirten.
Doch ſind dieſelben weder im Originale je gedruckt worden, noch jetzt
ſämmtlich erhalten. Der Commentar zu der Thiergeſchichte fehlt und
nur der zu den Schriften über die Theile und über die Zeugung iſt nach
hebräiſchen Ueberſetzungen noch vorhanden, von denen bereits 1169
in Sevilla eine angefertigt wurde. Auch ſpäter noch werden hebräiſche
Ueberſetzungen gerade dieſer Commentare, d. h. über das 11. bis 19.
Buch der geſammten Zoologie des Ariſtoteles erwähnt, ſo die des Ja-
cob ben-Machir (1300) und des Abba More Jarchi (um 1306), wäh-
rend ſchon 1260 Moſes Aben Tibbon ſeinen Religionsgenoſſen eine
vollſtändige Ueberſetzung der Commentare des Averroes gegeben hatte.
Es iſt aus dem Vorhergehenden erſichtlich, daß die Araber durch
ihre eigenen Arbeiten zur Förderung der Zoologie nur äußerſt wenig
und nur in beſchränktem Sinne beitrugen, da ſich ſowohl in ihrem Na-
111) So verordnete noch 1215 Robertus Carthonensis, legatus Papae den
Pariſer Schülern und Lehrern: legant libros Aristotelis de dialectica tam ve-
teri quam de nova in scholis ordinarie et non ad cursum; non legantur
libri Aristotelis de metaphysica et naturali philosophia nec summa de eis-
dem. vergl. Bulaeus, III, p. 82.
112) Belege ſ. bei Renan, Averroes. p. 47, 17.
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