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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Das dreizehnte Jahrhundert.
api similis). Man hatte verschiedene Arten von Stöcken, solche von
Holz, von Rinde und von Geflecht153).

In Bezug auf fossile Formen hatte man keine Ahnung eines rich-
tigen Verständnisses. Der Bernstein war zwar am geschätztesten, wenn
sich einige Insecten von der Natur darauf gebildet fanden154). Doch
machte man sich über die Erklärung dieser Erscheinung keine Gedanken.
Auch die Funde größerer Knochen wurden nur als merkwürdige Vor-
kommnisse chronistisch verzeichnet155).

Bei der im Ganzen sehr wenig ausgedehnten Bekanntschaft mit
der Eigenartigkeit der Thierwelt und dem Fehlen zuverlässiger Berichte
aus früherer Zeit war es nur natürlich, daß sich Märchen und Fabeln
von Thieren leicht verbreiten und in die Litteratur fest einwurzeln konn-
ten. Was von den Schriftstellern des Alterthums bekannt war, be-
schränkte sich entweder auf Dinge, welche der Naturbeobachtung fern
lagen, oder wo naturhistorische Autoren herangezogen wurden, waren
es mit allerhand Zuthaten verbrämte Auszüge oder Pseudepigrapha.
So enthält z. B. das nach Letronne im Jahre 825 geschriebene Werk
des irischen Geistlichen Dicuil156) vorzugsweise naturgeschichtliche
Auszüge aus Solinus, welcher selbst wieder Epitomator des Plinius
war. In die Reihe derartiger Schriften, durch welche mit andern nicht
historischen Erzählungen auch zoologische Fabeln verbreitet wurden, ge-
hört der Pseudocallisthenes, überhaupt die ganze Gruppe der die
Alexandersage bearbeitenden Schriftsteller157). Die etwa um 200 n.
Chr. in Aegypten entstandene Sage wurde der nicht griechisch verstehen-

153) Lex Bajuw. in Pertz, Monumenta, Legum Tom. III. p. 333. (Erster
Text, Tit. XXII) und p. 448. (Dritter Text, Tit. XXI) cap. 9.
154) Fischer, Gesch. d. deutsch. Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 182.
155) So z. B. in den Kolmarer Annalen von 1253 und 1261. a. a. O. Vor-
rede S. IX und S. 4.
156) Letronne, Recherches geographiques et critiques sur le livre
De mensura orbis terrae .. par Dicuil, suivies du texte restitue. Paris,

1814. p. 30, 40, 47, 48, 49, 52 u. a. O., wo meist Julius, d. i. Solinus als
Gewährsmann für Angaben über Thiere in Deutschland, Africa, über Elefanten
Indiens und der Insel Taprobane u. s. w. angezogen wird.
157) Pseudocallisthenes. Forschungen zur Kritik und Geschichte der älte-
sten Aufzeichnung der Alexandersage; von Jul. Zacher, Halle, 1867.

Das dreizehnte Jahrhundert.
api similis). Man hatte verſchiedene Arten von Stöcken, ſolche von
Holz, von Rinde und von Geflecht153).

In Bezug auf foſſile Formen hatte man keine Ahnung eines rich-
tigen Verſtändniſſes. Der Bernſtein war zwar am geſchätzteſten, wenn
ſich einige Inſecten von der Natur darauf gebildet fanden154). Doch
machte man ſich über die Erklärung dieſer Erſcheinung keine Gedanken.
Auch die Funde größerer Knochen wurden nur als merkwürdige Vor-
kommniſſe chroniſtiſch verzeichnet155).

Bei der im Ganzen ſehr wenig ausgedehnten Bekanntſchaft mit
der Eigenartigkeit der Thierwelt und dem Fehlen zuverläſſiger Berichte
aus früherer Zeit war es nur natürlich, daß ſich Märchen und Fabeln
von Thieren leicht verbreiten und in die Litteratur feſt einwurzeln konn-
ten. Was von den Schriftſtellern des Alterthums bekannt war, be-
ſchränkte ſich entweder auf Dinge, welche der Naturbeobachtung fern
lagen, oder wo naturhiſtoriſche Autoren herangezogen wurden, waren
es mit allerhand Zuthaten verbrämte Auszüge oder Pſeudepigrapha.
So enthält z. B. das nach Letronne im Jahre 825 geſchriebene Werk
des iriſchen Geiſtlichen Dicuil156) vorzugsweiſe naturgeſchichtliche
Auszüge aus Solinus, welcher ſelbſt wieder Epitomator des Plinius
war. In die Reihe derartiger Schriften, durch welche mit andern nicht
hiſtoriſchen Erzählungen auch zoologiſche Fabeln verbreitet wurden, ge-
hört der Pſeudocalliſthenes, überhaupt die ganze Gruppe der die
Alexanderſage bearbeitenden Schriftſteller157). Die etwa um 200 n.
Chr. in Aegypten entſtandene Sage wurde der nicht griechiſch verſtehen-

153) Lex Bajuw. in Pertz, Monumenta, Legum Tom. III. p. 333. (Erſter
Text, Tit. XXII) und p. 448. (Dritter Text, Tit. XXI) cap. 9.
154) Fiſcher, Geſch. d. deutſch. Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 182.
155) So z. B. in den Kolmarer Annalen von 1253 und 1261. a. a. O. Vor-
rede S. IX und S. 4.
156) Letronne, Recherches géographiques et critiques sur le livre
De mensura orbis terrae .. par Dicuil, suivies du texte restitué. Paris,

1814. p. 30, 40, 47, 48, 49, 52 u. a. O., wo meiſt Julius, d. i. Solinus als
Gewährsmann für Angaben über Thiere in Deutſchland, Africa, über Elefanten
Indiens und der Inſel Taprobane u. ſ. w. angezogen wird.
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[189/0200] Das dreizehnte Jahrhundert. api similis). Man hatte verſchiedene Arten von Stöcken, ſolche von Holz, von Rinde und von Geflecht 153). In Bezug auf foſſile Formen hatte man keine Ahnung eines rich- tigen Verſtändniſſes. Der Bernſtein war zwar am geſchätzteſten, wenn ſich einige Inſecten von der Natur darauf gebildet fanden 154). Doch machte man ſich über die Erklärung dieſer Erſcheinung keine Gedanken. Auch die Funde größerer Knochen wurden nur als merkwürdige Vor- kommniſſe chroniſtiſch verzeichnet 155). Bei der im Ganzen ſehr wenig ausgedehnten Bekanntſchaft mit der Eigenartigkeit der Thierwelt und dem Fehlen zuverläſſiger Berichte aus früherer Zeit war es nur natürlich, daß ſich Märchen und Fabeln von Thieren leicht verbreiten und in die Litteratur feſt einwurzeln konn- ten. Was von den Schriftſtellern des Alterthums bekannt war, be- ſchränkte ſich entweder auf Dinge, welche der Naturbeobachtung fern lagen, oder wo naturhiſtoriſche Autoren herangezogen wurden, waren es mit allerhand Zuthaten verbrämte Auszüge oder Pſeudepigrapha. So enthält z. B. das nach Letronne im Jahre 825 geſchriebene Werk des iriſchen Geiſtlichen Dicuil 156) vorzugsweiſe naturgeſchichtliche Auszüge aus Solinus, welcher ſelbſt wieder Epitomator des Plinius war. In die Reihe derartiger Schriften, durch welche mit andern nicht hiſtoriſchen Erzählungen auch zoologiſche Fabeln verbreitet wurden, ge- hört der Pſeudocalliſthenes, überhaupt die ganze Gruppe der die Alexanderſage bearbeitenden Schriftſteller 157). Die etwa um 200 n. Chr. in Aegypten entſtandene Sage wurde der nicht griechiſch verſtehen- 153) Lex Bajuw. in Pertz, Monumenta, Legum Tom. III. p. 333. (Erſter Text, Tit. XXII) und p. 448. (Dritter Text, Tit. XXI) cap. 9. 154) Fiſcher, Geſch. d. deutſch. Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 182. 155) So z. B. in den Kolmarer Annalen von 1253 und 1261. a. a. O. Vor- rede S. IX und S. 4. 156) Letronne, Recherches géographiques et critiques sur le livre De mensura orbis terrae .. par Dicuil, suivies du texte restitué. Paris, 1814. p. 30, 40, 47, 48, 49, 52 u. a. O., wo meiſt Julius, d. i. Solinus als Gewährsmann für Angaben über Thiere in Deutſchland, Africa, über Elefanten Indiens und der Inſel Taprobane u. ſ. w. angezogen wird. 157) Pſeudocalliſthenes. Forſchungen zur Kritik und Geſchichte der älte- ſten Aufzeichnung der Alexanderſage; von Jul. Zacher, Halle, 1867.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/200>, abgerufen am 21.05.2024.