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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
land (von den Mittelmeerküsten ganz abgesehen) mit manchen größeren
Arten Beobachtungsmaterial hätte darbieten können, ist ebensowenig
mit einer Bemerkung bedacht, als es deren Bau und Entwickelung sind.

Unter den Insecten sind auch nur einzelne beobachtet worden. Im
Capitular Karls des Großen § 43 werden Scharlachwürmer erwähnt
ohne weitere Erklärung149). Im zwölften Jahrhunderte erhalten an
manchen Orten die Klöster bestimmte Abgaben an Scharlachwürmern.
Bereits im Jahre 550 hatten zwei Mönche die Eier des Seidenspin-
ners von China nach Constantinopel gebracht, wo Justinian die Sei-
denzucht als Geheimniß betrieb. Später kam der Seidenbau durch die
Araber nach Spanien und 1130 durch König Roger nach Sicilien,
aber erst im fünfzehnten Jahrhunderte nach Oberitalien und 1470,
ausgedehnter zu Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, nach Südfrank-
reich. (Die Wittwe des Herzogs Franz Otto von Braunschweig-Lüne-
burg und Tochter des Churfürsten Joachim II von Brandenburg, Eli-
sabeth Magdalena
, soll um 1590, wahrscheinlich behufs eines Versuchs
zur Seidenzucht, Maulbeerbäume angepflanzt haben150). -- Für die
Auffassung der systematischen Stellung der fliegenden Insecten ist es
nicht ohne Interesse, daß diese häufig als Vögel aufgeführt wurden151).
-- Die größte Aufmerksamkeit hatte die Biene erregt, deren Zucht schon
alt und sehr verbreitet war152). Schüttelte doch schon in der altgerma-
nischen Mythologie die Weltesche jeden Morgen Honigthau von ihren
Blättern, von dem sich die Bienen nährten! Bereits im salischen Ge-
setz wird der Bienen gedacht. Man kannte die dreierlei Formen der
Bienen, hielt aber die Königin für das Männchen, den König oder
Weisel, und die Arbeiter für eine eigne der Königin ähnliche Art (fucus

149) s. Fischer, Geschichte des deutschen Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 85.
150) Nach einer Notiz in Krünitz, Encyklop. (Artikel: Seide und Seiden-
bau) Bd. 152. S. 45.
151) so die Biene. s. Wackernagel, Voces variae animantium. 1867.
p. 30.
Anm. 91. "Rat, Ritter! Zehen Vögel guot." Antwort: "der drit ein Bien".
Ferner die Ameise. s. geistlicher Vogelgesang, bei Wackernagel, ebend. S.
49.
152) In England scheint sie im 13. und 14.
Jahrhundert selten gewesen zu
sein, denn Honig und Wachs waren theuer. s. Rodgers, a. a. O. Vol. 1. S. 18
und 66.

Die Zoologie des Mittelalters.
land (von den Mittelmeerküſten ganz abgeſehen) mit manchen größeren
Arten Beobachtungsmaterial hätte darbieten können, iſt ebenſowenig
mit einer Bemerkung bedacht, als es deren Bau und Entwickelung ſind.

Unter den Inſecten ſind auch nur einzelne beobachtet worden. Im
Capitular Karls des Großen § 43 werden Scharlachwürmer erwähnt
ohne weitere Erklärung149). Im zwölften Jahrhunderte erhalten an
manchen Orten die Klöſter beſtimmte Abgaben an Scharlachwürmern.
Bereits im Jahre 550 hatten zwei Mönche die Eier des Seidenſpin-
ners von China nach Conſtantinopel gebracht, wo Juſtinian die Sei-
denzucht als Geheimniß betrieb. Später kam der Seidenbau durch die
Araber nach Spanien und 1130 durch König Roger nach Sicilien,
aber erſt im fünfzehnten Jahrhunderte nach Oberitalien und 1470,
ausgedehnter zu Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts, nach Südfrank-
reich. (Die Wittwe des Herzogs Franz Otto von Braunſchweig-Lüne-
burg und Tochter des Churfürſten Joachim II von Brandenburg, Eli-
ſabeth Magdalena
, ſoll um 1590, wahrſcheinlich behufs eines Verſuchs
zur Seidenzucht, Maulbeerbäume angepflanzt haben150). — Für die
Auffaſſung der ſyſtematiſchen Stellung der fliegenden Inſecten iſt es
nicht ohne Intereſſe, daß dieſe häufig als Vögel aufgeführt wurden151).
— Die größte Aufmerkſamkeit hatte die Biene erregt, deren Zucht ſchon
alt und ſehr verbreitet war152). Schüttelte doch ſchon in der altgerma-
niſchen Mythologie die Welteſche jeden Morgen Honigthau von ihren
Blättern, von dem ſich die Bienen nährten! Bereits im ſaliſchen Ge-
ſetz wird der Bienen gedacht. Man kannte die dreierlei Formen der
Bienen, hielt aber die Königin für das Männchen, den König oder
Weiſel, und die Arbeiter für eine eigne der Königin ähnliche Art (fucus

149) ſ. Fiſcher, Geſchichte des deutſchen Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 85.
150) Nach einer Notiz in Krünitz, Encyklop. (Artikel: Seide und Seiden-
bau) Bd. 152. S. 45.
151) ſo die Biene. ſ. Wackernagel, Voces variae animantium. 1867.
p. 30.
Anm. 91. „Rat, Ritter! Zehen Vögel guot.“ Antwort: „der drit ein Bien“.
Ferner die Ameiſe. ſ. geiſtlicher Vogelgeſang, bei Wackernagel, ebend. S.
49.
152) In England ſcheint ſie im 13. und 14.
Jahrhundert ſelten geweſen zu
ſein, denn Honig und Wachs waren theuer. ſ. Rodgers, a. a. O. Vol. 1. S. 18
und 66.
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[188/0199] Die Zoologie des Mittelalters. land (von den Mittelmeerküſten ganz abgeſehen) mit manchen größeren Arten Beobachtungsmaterial hätte darbieten können, iſt ebenſowenig mit einer Bemerkung bedacht, als es deren Bau und Entwickelung ſind. Unter den Inſecten ſind auch nur einzelne beobachtet worden. Im Capitular Karls des Großen § 43 werden Scharlachwürmer erwähnt ohne weitere Erklärung 149). Im zwölften Jahrhunderte erhalten an manchen Orten die Klöſter beſtimmte Abgaben an Scharlachwürmern. Bereits im Jahre 550 hatten zwei Mönche die Eier des Seidenſpin- ners von China nach Conſtantinopel gebracht, wo Juſtinian die Sei- denzucht als Geheimniß betrieb. Später kam der Seidenbau durch die Araber nach Spanien und 1130 durch König Roger nach Sicilien, aber erſt im fünfzehnten Jahrhunderte nach Oberitalien und 1470, ausgedehnter zu Anfang des ſechszehnten Jahrhunderts, nach Südfrank- reich. (Die Wittwe des Herzogs Franz Otto von Braunſchweig-Lüne- burg und Tochter des Churfürſten Joachim II von Brandenburg, Eli- ſabeth Magdalena, ſoll um 1590, wahrſcheinlich behufs eines Verſuchs zur Seidenzucht, Maulbeerbäume angepflanzt haben 150). — Für die Auffaſſung der ſyſtematiſchen Stellung der fliegenden Inſecten iſt es nicht ohne Intereſſe, daß dieſe häufig als Vögel aufgeführt wurden 151). — Die größte Aufmerkſamkeit hatte die Biene erregt, deren Zucht ſchon alt und ſehr verbreitet war 152). Schüttelte doch ſchon in der altgerma- niſchen Mythologie die Welteſche jeden Morgen Honigthau von ihren Blättern, von dem ſich die Bienen nährten! Bereits im ſaliſchen Ge- ſetz wird der Bienen gedacht. Man kannte die dreierlei Formen der Bienen, hielt aber die Königin für das Männchen, den König oder Weiſel, und die Arbeiter für eine eigne der Königin ähnliche Art (fucus 149) ſ. Fiſcher, Geſchichte des deutſchen Handels. 1. Bd. 2. Aufl. S. 85. 150) Nach einer Notiz in Krünitz, Encyklop. (Artikel: Seide und Seiden- bau) Bd. 152. S. 45. 151) ſo die Biene. ſ. Wackernagel, Voces variae animantium. 1867. p. 30. Anm. 91. „Rat, Ritter! Zehen Vögel guot.“ Antwort: „der drit ein Bien“. Ferner die Ameiſe. ſ. geiſtlicher Vogelgeſang, bei Wackernagel, ebend. S. 49. 152) In England ſcheint ſie im 13. und 14. Jahrhundert ſelten geweſen zu ſein, denn Honig und Wachs waren theuer. ſ. Rodgers, a. a. O. Vol. 1. S. 18 und 66.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/199>, abgerufen am 17.05.2024.