Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. Schriften knüpft. Es soll damit nicht gesagt sein, daß die Uebersetzungder Thiergeschichten durch Michael Scotus auf seine Veranlassung entstanden ist. Dies läßt sich nicht direct beweisen. Gab er aber auch nicht dazu den Anstoß, so hatte er sie doch kennen gelernt und den Ge- nannten dann weitere Arbeiten in gleichem Sinne aufgetragen. Es ist ja bekannt, daß er der Universität Bologna die Werke des Aristoteles in Uebersetzung geschenkt hat. Friedrich's Einsicht blieb es nicht ver- schlossen, daß sowohl die Heilkunde als die Kenntniß der Thiere von einem Verständniß des Baues der belebten Körper ausgehen muß. Er gestattete daher zuerst Sectionen menschlicher Leichname; und wie sehr er den zoologischen Betrachtungen eine zootomische Grundlage zu geben suchte, das beweist seine Schrift von der Falkenjagd180). Daß er bei solchen Beschäftigungen und Ansichten, daneben auch der Astrologie zu- gethan, bei der Geistlichkeit und dem durch diese in seinem Urtheile ge- leiteten Theile des Volkes nicht in dem Rufe eines guten Christen stand und daß seine Helfer und Berather wohl in der Beurtheilung noch härter bedacht wurden, ist erklärlich181), noch dazu da mit ihm die Reaction gegen die päbstliche Obergewalt lebendiger aufzuflackern beginnt, wenn er gleich in andern Zügen von kirchlicher Ergebenheit ein Kind seiner Zeit ist. Erst in zweiter Linie ist ihm als Verdienst anzurechnen, daß er eine Anzahl ausländischer Thiere nach Europa kommen ließ. Be- sonders wird hier die Giraffe erwähnt. Es ist aber weder bekannt, daß er die fremden Formen zur wissenschaftlichen Vergleichung benutzt hätte, noch ist der Eindruck, welchen jene hervorriefen, allgemeiner und nach- haltig gewesen. Daß Aristoteles zuerst in Uebersetzungen bekannt wurde, welche 180) Reliqua librorum Friderici II. imperatoris de arte venandi cum avibus. ed. J. G. Schneider. T. I. II. Lipsiae, 1788, 89. 4°. 181) Dante läßt ihn daher in einem feurigen Grabe der Hölle ruhen, l'Inferno,
Canto X: Qua entro e lo secondo Federico. Michael Scotus wird noch tiefer in der Hölle mit den Wahrsagern, Necromanten u. s. w. zusammengestellt: l'Inferno, Canto XX: Quell' altro che ne' fianchi e cosi poco, Michele Scotto fu, che veramente Delle magiche frode seppe il giuoco. Die Zoologie des Mittelalters. Schriften knüpft. Es ſoll damit nicht geſagt ſein, daß die Ueberſetzungder Thiergeſchichten durch Michael Scotus auf ſeine Veranlaſſung entſtanden iſt. Dies läßt ſich nicht direct beweiſen. Gab er aber auch nicht dazu den Anſtoß, ſo hatte er ſie doch kennen gelernt und den Ge- nannten dann weitere Arbeiten in gleichem Sinne aufgetragen. Es iſt ja bekannt, daß er der Univerſität Bologna die Werke des Ariſtoteles in Ueberſetzung geſchenkt hat. Friedrich's Einſicht blieb es nicht ver- ſchloſſen, daß ſowohl die Heilkunde als die Kenntniß der Thiere von einem Verſtändniß des Baues der belebten Körper ausgehen muß. Er geſtattete daher zuerſt Sectionen menſchlicher Leichname; und wie ſehr er den zoologiſchen Betrachtungen eine zootomiſche Grundlage zu geben ſuchte, das beweiſt ſeine Schrift von der Falkenjagd180). Daß er bei ſolchen Beſchäftigungen und Anſichten, daneben auch der Aſtrologie zu- gethan, bei der Geiſtlichkeit und dem durch dieſe in ſeinem Urtheile ge- leiteten Theile des Volkes nicht in dem Rufe eines guten Chriſten ſtand und daß ſeine Helfer und Berather wohl in der Beurtheilung noch härter bedacht wurden, iſt erklärlich181), noch dazu da mit ihm die Reaction gegen die päbſtliche Obergewalt lebendiger aufzuflackern beginnt, wenn er gleich in andern Zügen von kirchlicher Ergebenheit ein Kind ſeiner Zeit iſt. Erſt in zweiter Linie iſt ihm als Verdienſt anzurechnen, daß er eine Anzahl ausländiſcher Thiere nach Europa kommen ließ. Be- ſonders wird hier die Giraffe erwähnt. Es iſt aber weder bekannt, daß er die fremden Formen zur wiſſenſchaftlichen Vergleichung benutzt hätte, noch iſt der Eindruck, welchen jene hervorriefen, allgemeiner und nach- haltig geweſen. Daß Ariſtoteles zuerſt in Ueberſetzungen bekannt wurde, welche 180) Reliqua librorum Friderici II. imperatoris de arte venandi cum avibus. ed. J. G. Schneider. T. I. II. Lipsiae, 1788, 89. 4°. 181) Dante läßt ihn daher in einem feurigen Grabe der Hölle ruhen, l'Inferno,
Canto X: Qua entro è lo secondo Federico. Michael Scotus wird noch tiefer in der Hölle mit den Wahrſagern, Necromanten u. ſ. w. zuſammengeſtellt: l'Inferno, Canto XX: Quell' altro che ne' fianchi è cosi poco, Michele Scotto fu, che veramente Delle magiche frode seppe il giuoco. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="206"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/> Schriften knüpft. Es ſoll damit nicht geſagt ſein, daß die Ueberſetzung<lb/> der Thiergeſchichten durch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118733613">Michael Scotus</persName></hi> auf ſeine Veranlaſſung<lb/> entſtanden iſt. Dies läßt ſich nicht direct beweiſen. Gab er aber auch<lb/> nicht dazu den Anſtoß, ſo hatte er ſie doch kennen gelernt und den Ge-<lb/> nannten dann weitere Arbeiten in gleichem Sinne aufgetragen. Es iſt<lb/> ja bekannt, daß er der Univerſität Bologna die Werke des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName><lb/> in Ueberſetzung geſchenkt hat. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118535765">Friedrich</persName></hi>'s Einſicht blieb es nicht ver-<lb/> ſchloſſen, daß ſowohl die Heilkunde als die Kenntniß der Thiere von<lb/> einem Verſtändniß des Baues der belebten Körper ausgehen muß. Er<lb/> geſtattete daher zuerſt Sectionen menſchlicher Leichname; und wie ſehr<lb/> er den zoologiſchen Betrachtungen eine zootomiſche Grundlage zu geben<lb/> ſuchte, das beweiſt ſeine Schrift von der Falkenjagd<note place="foot" n="180)"><hi rendition="#aq">Reliqua librorum Friderici II. imperatoris de arte venandi cum<lb/> avibus. ed. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/104117672">J. G. <hi rendition="#g">Schneider</hi></persName>. T. I. II. Lipsiae, 1788, 89. 4°.</hi></note>. Daß er bei<lb/> ſolchen Beſchäftigungen und Anſichten, daneben auch der Aſtrologie zu-<lb/> gethan, bei der Geiſtlichkeit und dem durch dieſe in ſeinem Urtheile ge-<lb/> leiteten Theile des Volkes nicht in dem Rufe eines guten Chriſten ſtand<lb/> und daß ſeine Helfer und Berather wohl in der Beurtheilung noch härter<lb/> bedacht wurden, iſt erklärlich<note place="foot" n="181)"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118523708">Dante</persName> läßt ihn daher in einem feurigen Grabe der Hölle ruhen, <hi rendition="#aq">l'Inferno,<lb/> Canto X: Qua entro è lo secondo Federico.</hi> <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118733613">Michael Scotus</persName></hi> wird noch<lb/> tiefer in der Hölle mit den Wahrſagern, Necromanten u. ſ. w. zuſammengeſtellt:<lb/><hi rendition="#aq">l'Inferno, Canto XX:<lb/><hi rendition="#et">Quell' altro che ne' fianchi è cosi poco,<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118733613">Michele Scotto</persName> fu, che veramente<lb/> Delle magiche frode seppe il giuoco.</hi></hi></note>, noch dazu da mit ihm die Reaction<lb/> gegen die päbſtliche Obergewalt lebendiger aufzuflackern beginnt, wenn<lb/> er gleich in andern Zügen von kirchlicher Ergebenheit ein Kind ſeiner<lb/> Zeit iſt. Erſt in zweiter Linie iſt ihm als Verdienſt anzurechnen, daß<lb/> er eine Anzahl ausländiſcher Thiere nach Europa kommen ließ. Be-<lb/> ſonders wird hier die Giraffe erwähnt. Es iſt aber weder bekannt, daß<lb/> er die fremden Formen zur wiſſenſchaftlichen Vergleichung benutzt hätte,<lb/> noch iſt der Eindruck, welchen jene hervorriefen, allgemeiner und nach-<lb/> haltig geweſen.</p><lb/> <p>Daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> zuerſt in Ueberſetzungen bekannt wurde, welche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0217]
Die Zoologie des Mittelalters.
Schriften knüpft. Es ſoll damit nicht geſagt ſein, daß die Ueberſetzung
der Thiergeſchichten durch Michael Scotus auf ſeine Veranlaſſung
entſtanden iſt. Dies läßt ſich nicht direct beweiſen. Gab er aber auch
nicht dazu den Anſtoß, ſo hatte er ſie doch kennen gelernt und den Ge-
nannten dann weitere Arbeiten in gleichem Sinne aufgetragen. Es iſt
ja bekannt, daß er der Univerſität Bologna die Werke des Ariſtoteles
in Ueberſetzung geſchenkt hat. Friedrich's Einſicht blieb es nicht ver-
ſchloſſen, daß ſowohl die Heilkunde als die Kenntniß der Thiere von
einem Verſtändniß des Baues der belebten Körper ausgehen muß. Er
geſtattete daher zuerſt Sectionen menſchlicher Leichname; und wie ſehr
er den zoologiſchen Betrachtungen eine zootomiſche Grundlage zu geben
ſuchte, das beweiſt ſeine Schrift von der Falkenjagd 180). Daß er bei
ſolchen Beſchäftigungen und Anſichten, daneben auch der Aſtrologie zu-
gethan, bei der Geiſtlichkeit und dem durch dieſe in ſeinem Urtheile ge-
leiteten Theile des Volkes nicht in dem Rufe eines guten Chriſten ſtand
und daß ſeine Helfer und Berather wohl in der Beurtheilung noch härter
bedacht wurden, iſt erklärlich 181), noch dazu da mit ihm die Reaction
gegen die päbſtliche Obergewalt lebendiger aufzuflackern beginnt, wenn
er gleich in andern Zügen von kirchlicher Ergebenheit ein Kind ſeiner
Zeit iſt. Erſt in zweiter Linie iſt ihm als Verdienſt anzurechnen, daß
er eine Anzahl ausländiſcher Thiere nach Europa kommen ließ. Be-
ſonders wird hier die Giraffe erwähnt. Es iſt aber weder bekannt, daß
er die fremden Formen zur wiſſenſchaftlichen Vergleichung benutzt hätte,
noch iſt der Eindruck, welchen jene hervorriefen, allgemeiner und nach-
haltig geweſen.
Daß Ariſtoteles zuerſt in Ueberſetzungen bekannt wurde, welche
180) Reliqua librorum Friderici II. imperatoris de arte venandi cum
avibus. ed. J. G. Schneider. T. I. II. Lipsiae, 1788, 89. 4°.
181) Dante läßt ihn daher in einem feurigen Grabe der Hölle ruhen, l'Inferno,
Canto X: Qua entro è lo secondo Federico. Michael Scotus wird noch
tiefer in der Hölle mit den Wahrſagern, Necromanten u. ſ. w. zuſammengeſtellt:
l'Inferno, Canto XX:
Quell' altro che ne' fianchi è cosi poco,
Michele Scotto fu, che veramente
Delle magiche frode seppe il giuoco.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |