Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Das dreizehnte Jahrhundert. ist natürlich nicht zu erwarten, daß er sämmtliche zu seiner Zeit be-kannte Formen aufzählt. Von vierfüßigen Thieren werden 110 er- wähnt, wobei jedoch zu bemerken ist, daß, wahrscheinlich nach der Ver- schiedenheit der benutzten Quellen, ein Thier zuweilen unter mehreren Namen vorkommt. So ist bonachus (bonasus Aristoteles), duran und hemchires dasselbe Thier, dieselben Geschichten werden auch von den zubrones angeführt (also Alles ist der Wisent oder Zubr), gali und mustela dürften gleichfalls auf dieselbe Form oder nahe verwandte zurückzuführen sein. Die Vögel werden in 114 Formen dargestellt; darunter findet sich freilich auch die Fledermaus. Auch hier ist lucina und philomena wohl identisch. Die Zahl der Seeungeheuer beträgt 57; zwischen foca, helcus und koky besteht kaum ein Unterschied. Darunter findet sich nach Plinius die Platanista aus dem Ganges wie- der. Welch merkwürdige Mischung verschiedener Formen hier vorliegt beweist die Nebeneinanderstellung des Polypus (Cephalopod), Chilon (Fisch), Robbe, Delphin, Fastaleon (Aspidochelone?) und Meerschild- kröte. Unter den 85 Fischen, d. h. hier auch noch Wasserthieren, fin- den sich Fische neben Cephalopoden (Loligo, Sepia), Muscheln (Perlen), Krebsen und Echinodermen, wenn Stella wirklich auf Seestern zu be- ziehen ist. Das Buch von den Schlangen, unter welchem Namen 44 Formen aufgeführt werden, enthält auch Eidechsen, Tausendfüße, Skorpione und Tarantel. Wie wenig sich dabei Thomas vor einem weitgehenden Anthropomorphismus gefürchtet hat, zeigt die Notiz, daß beim Skorpion, wenn er die eine Art Stellio erblickt, vor Furcht ein kalter Schweiß ausbricht. Unter den 50 Würmern werden Bienen, Wespen, Ameisen, Mücken, Käfer, Heuschrecken, Cicaden, Wanzen, Tausendfüße, Spinnen, Frösche, Kröten, Blutegel u. s. f. neben ein- ander aufgezählt. Es ist kein Wunder, daß in den einzelnen Abschnitten neben den Das dreizehnte Jahrhundert. iſt natürlich nicht zu erwarten, daß er ſämmtliche zu ſeiner Zeit be-kannte Formen aufzählt. Von vierfüßigen Thieren werden 110 er- wähnt, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß, wahrſcheinlich nach der Ver- ſchiedenheit der benutzten Quellen, ein Thier zuweilen unter mehreren Namen vorkommt. So iſt bonachus (bonasus Ariſtoteles), duran und hemchires daſſelbe Thier, dieſelben Geſchichten werden auch von den zubrones angeführt (alſo Alles iſt der Wiſent oder Zubr), gali und mustela dürften gleichfalls auf dieſelbe Form oder nahe verwandte zurückzuführen ſein. Die Vögel werden in 114 Formen dargeſtellt; darunter findet ſich freilich auch die Fledermaus. Auch hier iſt lucina und philomena wohl identiſch. Die Zahl der Seeungeheuer beträgt 57; zwiſchen foca, helcus und koky beſteht kaum ein Unterſchied. Darunter findet ſich nach Plinius die Plataniſta aus dem Ganges wie- der. Welch merkwürdige Miſchung verſchiedener Formen hier vorliegt beweiſt die Nebeneinanderſtellung des Polypus (Cephalopod), Chilon (Fiſch), Robbe, Delphin, Faſtaleon (Aspidochelone?) und Meerſchild- kröte. Unter den 85 Fiſchen, d. h. hier auch noch Waſſerthieren, fin- den ſich Fiſche neben Cephalopoden (Loligo, Sepia), Muſcheln (Perlen), Krebſen und Echinodermen, wenn Stella wirklich auf Seeſtern zu be- ziehen iſt. Das Buch von den Schlangen, unter welchem Namen 44 Formen aufgeführt werden, enthält auch Eidechſen, Tauſendfüße, Skorpione und Tarantel. Wie wenig ſich dabei Thomas vor einem weitgehenden Anthropomorphismus gefürchtet hat, zeigt die Notiz, daß beim Skorpion, wenn er die eine Art Stellio erblickt, vor Furcht ein kalter Schweiß ausbricht. Unter den 50 Würmern werden Bienen, Wespen, Ameiſen, Mücken, Käfer, Heuſchrecken, Cicaden, Wanzen, Tauſendfüße, Spinnen, Fröſche, Kröten, Blutegel u. ſ. f. neben ein- ander aufgezählt. Es iſt kein Wunder, daß in den einzelnen Abſchnitten neben den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="217"/><fw place="top" type="header">Das dreizehnte Jahrhundert.</fw><lb/> iſt natürlich nicht zu erwarten, daß er ſämmtliche zu ſeiner Zeit be-<lb/> kannte Formen aufzählt. Von vierfüßigen Thieren werden 110 er-<lb/> wähnt, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß, wahrſcheinlich nach der Ver-<lb/> ſchiedenheit der benutzten Quellen, ein Thier zuweilen unter mehreren<lb/> Namen vorkommt. So iſt <hi rendition="#aq">bonachus</hi> (<hi rendition="#aq">bonasus</hi> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName>), <hi rendition="#aq">duran</hi><lb/> und <hi rendition="#aq">hemchires</hi> daſſelbe Thier, dieſelben Geſchichten werden auch von<lb/> den <hi rendition="#aq">zubrones</hi> angeführt (alſo Alles iſt der Wiſent oder Zubr), <hi rendition="#aq">gali</hi><lb/> und <hi rendition="#aq">mustela</hi> dürften gleichfalls auf dieſelbe Form oder nahe verwandte<lb/> zurückzuführen ſein. Die Vögel werden in 114 Formen dargeſtellt;<lb/> darunter findet ſich freilich auch die Fledermaus. Auch hier iſt <hi rendition="#aq">lucina</hi><lb/> und <hi rendition="#aq">philomena</hi> wohl identiſch. Die Zahl der Seeungeheuer beträgt<lb/> 57; zwiſchen <hi rendition="#aq">foca, helcus</hi> und <hi rendition="#aq">koky</hi> beſteht kaum ein Unterſchied.<lb/> Darunter findet ſich nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName> die Plataniſta aus dem Ganges wie-<lb/> der. Welch merkwürdige Miſchung verſchiedener Formen hier vorliegt<lb/> beweiſt die Nebeneinanderſtellung des Polypus (Cephalopod), Chilon<lb/> (Fiſch), Robbe, Delphin, Faſtaleon (Aspidochelone?) und Meerſchild-<lb/> kröte. Unter den 85 Fiſchen, d. h. hier auch noch Waſſerthieren, fin-<lb/> den ſich Fiſche neben Cephalopoden (Loligo, Sepia), Muſcheln (Perlen),<lb/> Krebſen und Echinodermen, wenn Stella wirklich auf Seeſtern zu be-<lb/> ziehen iſt. Das Buch von den Schlangen, unter welchem Namen 44<lb/> Formen aufgeführt werden, enthält auch Eidechſen, Tauſendfüße,<lb/> Skorpione und Tarantel. Wie wenig ſich dabei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> vor einem<lb/> weitgehenden Anthropomorphismus gefürchtet hat, zeigt die Notiz, daß<lb/> beim Skorpion, wenn er die eine Art Stellio erblickt, vor Furcht ein<lb/> kalter Schweiß ausbricht. Unter den 50 Würmern werden Bienen,<lb/> Wespen, Ameiſen, Mücken, Käfer, Heuſchrecken, Cicaden, Wanzen,<lb/> Tauſendfüße, Spinnen, Fröſche, Kröten, Blutegel u. ſ. f. neben ein-<lb/> ander aufgezählt.</p><lb/> <p>Es iſt kein Wunder, daß in den einzelnen Abſchnitten neben den<lb/> aus <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> übernommenen Beſchreibungen zahlreiche fabelhafte<lb/> Berichte überliefert werden. Die Kritik hatte eben die Naturauffaſſung<lb/> noch nicht von dem Autoritätsglauben und dem Glauben an die Wahr-<lb/> heit alter Ueberlieferungen befreit. Es finden ſich daher zahlreiche alte<lb/> Bekannte wieder, wie Sirenen, Onocentauren, Baumgänſe, der Phö-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0228]
Das dreizehnte Jahrhundert.
iſt natürlich nicht zu erwarten, daß er ſämmtliche zu ſeiner Zeit be-
kannte Formen aufzählt. Von vierfüßigen Thieren werden 110 er-
wähnt, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß, wahrſcheinlich nach der Ver-
ſchiedenheit der benutzten Quellen, ein Thier zuweilen unter mehreren
Namen vorkommt. So iſt bonachus (bonasus Ariſtoteles), duran
und hemchires daſſelbe Thier, dieſelben Geſchichten werden auch von
den zubrones angeführt (alſo Alles iſt der Wiſent oder Zubr), gali
und mustela dürften gleichfalls auf dieſelbe Form oder nahe verwandte
zurückzuführen ſein. Die Vögel werden in 114 Formen dargeſtellt;
darunter findet ſich freilich auch die Fledermaus. Auch hier iſt lucina
und philomena wohl identiſch. Die Zahl der Seeungeheuer beträgt
57; zwiſchen foca, helcus und koky beſteht kaum ein Unterſchied.
Darunter findet ſich nach Plinius die Plataniſta aus dem Ganges wie-
der. Welch merkwürdige Miſchung verſchiedener Formen hier vorliegt
beweiſt die Nebeneinanderſtellung des Polypus (Cephalopod), Chilon
(Fiſch), Robbe, Delphin, Faſtaleon (Aspidochelone?) und Meerſchild-
kröte. Unter den 85 Fiſchen, d. h. hier auch noch Waſſerthieren, fin-
den ſich Fiſche neben Cephalopoden (Loligo, Sepia), Muſcheln (Perlen),
Krebſen und Echinodermen, wenn Stella wirklich auf Seeſtern zu be-
ziehen iſt. Das Buch von den Schlangen, unter welchem Namen 44
Formen aufgeführt werden, enthält auch Eidechſen, Tauſendfüße,
Skorpione und Tarantel. Wie wenig ſich dabei Thomas vor einem
weitgehenden Anthropomorphismus gefürchtet hat, zeigt die Notiz, daß
beim Skorpion, wenn er die eine Art Stellio erblickt, vor Furcht ein
kalter Schweiß ausbricht. Unter den 50 Würmern werden Bienen,
Wespen, Ameiſen, Mücken, Käfer, Heuſchrecken, Cicaden, Wanzen,
Tauſendfüße, Spinnen, Fröſche, Kröten, Blutegel u. ſ. f. neben ein-
ander aufgezählt.
Es iſt kein Wunder, daß in den einzelnen Abſchnitten neben den
aus Ariſtoteles übernommenen Beſchreibungen zahlreiche fabelhafte
Berichte überliefert werden. Die Kritik hatte eben die Naturauffaſſung
noch nicht von dem Autoritätsglauben und dem Glauben an die Wahr-
heit alter Ueberlieferungen befreit. Es finden ſich daher zahlreiche alte
Bekannte wieder, wie Sirenen, Onocentauren, Baumgänſe, der Phö-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |