Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. daß Albert ein System gehabt habe, so fehlt ihm auch der Ausgangs-punkt der Systematik, die naturhistorische Species. Zwar behauptet auch hier Pouchet226), daß Albert zuerst die Species als solche defi- nirt, auch gezeigt habe, wie mehrere Species ein Genus bilden. Es läßt sich aber aus zahlreichen Beispielen nachweisen, daß auch bei Al- bert die Begriffe Art und Gattung nur im formalen Sinne einer logi- schen Ueber- und Unterordnung angewendet wurden. Solche Stellen, wie: "der Specht ist keine Species, sondern ein Genus", können aller- dings zu einer andern Ansicht verführen. Liest man aber weiter, so stößt man auf Worte, welche keinen Zweifel lassen: "Da es indeß von diesem Vogel viele Gattungen gibt". Es sind also hier Gattungen an- dern Gattungen untergeordnet. Ebenso heißt es vom Cetus: "es ist dies ein Fisch von vielen Gattungen". "Von Reihern werden drei Gat- tungen bei uns gefunden". Die rein logisch-formale Bedeutung des genus und der species geht aber zur Evidenz aus Stellen hervor, wo er die Art sogar zweierlei generischen Formen gegenüberstellt, einem näch- sten Genus und einem entfernten227). Man hat also auch hier in Folge einer besondern Vorliebe für Albert etwas in ihm gesucht, was gemäß der Entwickelungsweise naturwissenschaftlicher Ideen noch gar nicht bei ihm zu finden sein kann und dessen Mangel seine Verdienste nicht schmälert. Während Albert in den bis jetzt geschilderten Theilen seines großen 226) a. a. O. S. 279. Er beruft sich hier auf eine Angabe bei Blainville, Hist. des scienc. de l'organisation T. II. (Paris, 1845) p. 86. Aber der hierher zu beziehende Satz: "l'espece, dit Albert, est la reunion des individus qui naissent les uns des autres, ist sicher nicht bei Albert in dem Sinne zu finden, wie er ihm hier beigelegt wird. 227) diximus quod homo non solum specifica differentia differt ab aliis
animalibus, sed etiam secundum esse generis proximi et secundum esse generis remoti.. genus proximum est sensibile, genus remotum est vivum. a. a. O. p. 562. Die Zoologie des Mittelalters. daß Albert ein Syſtem gehabt habe, ſo fehlt ihm auch der Ausgangs-punkt der Syſtematik, die naturhiſtoriſche Species. Zwar behauptet auch hier Pouchet226), daß Albert zuerſt die Species als ſolche defi- nirt, auch gezeigt habe, wie mehrere Species ein Genus bilden. Es läßt ſich aber aus zahlreichen Beiſpielen nachweiſen, daß auch bei Al- bert die Begriffe Art und Gattung nur im formalen Sinne einer logi- ſchen Ueber- und Unterordnung angewendet wurden. Solche Stellen, wie: „der Specht iſt keine Species, ſondern ein Genus“, können aller- dings zu einer andern Anſicht verführen. Lieſt man aber weiter, ſo ſtößt man auf Worte, welche keinen Zweifel laſſen: „Da es indeß von dieſem Vogel viele Gattungen gibt“. Es ſind alſo hier Gattungen an- dern Gattungen untergeordnet. Ebenſo heißt es vom Cetus: „es iſt dies ein Fiſch von vielen Gattungen“. „Von Reihern werden drei Gat- tungen bei uns gefunden“. Die rein logiſch-formale Bedeutung des genus und der species geht aber zur Evidenz aus Stellen hervor, wo er die Art ſogar zweierlei generiſchen Formen gegenüberſtellt, einem näch- ſten Genus und einem entfernten227). Man hat alſo auch hier in Folge einer beſondern Vorliebe für Albert etwas in ihm geſucht, was gemäß der Entwickelungsweiſe naturwiſſenſchaftlicher Ideen noch gar nicht bei ihm zu finden ſein kann und deſſen Mangel ſeine Verdienſte nicht ſchmälert. Während Albert in den bis jetzt geſchilderten Theilen ſeines großen 226) a. a. O. S. 279. Er beruft ſich hier auf eine Angabe bei Blainville, Hist. des scienc. de l'organisation T. II. (Paris, 1845) p. 86. Aber der hierher zu beziehende Satz: „l'espèce, dit Albert, est la réunion des individus qui naissent les uns des autres, iſt ſicher nicht bei Albert in dem Sinne zu finden, wie er ihm hier beigelegt wird. 227) diximus quod homo non solum specifica differentia differt ab aliis
animalibus, sed etiam secundum esse generis proximi et secundum esse generis remoti.. genus proximum est sensibile, genus remotum est vivum. a. a. O. p. 562. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0245" n="234"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/> daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> ein Syſtem gehabt habe, ſo fehlt ihm auch der Ausgangs-<lb/> punkt der Syſtematik, die naturhiſtoriſche Species. Zwar behauptet<lb/> auch hier <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117716227">Pouchet</persName></hi><note place="foot" n="226)">a. a. O. S. 279. Er beruft ſich hier auf eine Angabe bei <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116234563">Blainville</persName></hi>,<lb/> Hist. des scienc. de l'organisation T. II. (Paris, 1845) p. 86.</hi> Aber der hierher<lb/> zu beziehende Satz: <hi rendition="#aq">„l'espèce, dit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName>, est la réunion des individus qui<lb/> naissent les uns des autres,</hi> iſt ſicher nicht bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> in dem Sinne zu finden,<lb/> wie er ihm hier beigelegt wird.</note>, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> zuerſt die Species als ſolche defi-<lb/> nirt, auch gezeigt habe, wie mehrere Species ein Genus bilden. Es<lb/> läßt ſich aber aus zahlreichen Beiſpielen nachweiſen, daß auch bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Al-<lb/> bert</persName> die Begriffe Art und Gattung nur im formalen Sinne einer logi-<lb/> ſchen Ueber- und Unterordnung angewendet wurden. Solche Stellen,<lb/> wie: „der Specht iſt keine Species, ſondern ein Genus“, können aller-<lb/> dings zu einer andern Anſicht verführen. Lieſt man aber weiter, ſo<lb/> ſtößt man auf Worte, welche keinen Zweifel laſſen: „Da es indeß von<lb/> dieſem Vogel viele Gattungen gibt“. Es ſind alſo hier Gattungen an-<lb/> dern Gattungen untergeordnet. Ebenſo heißt es vom Cetus: „es iſt<lb/> dies ein Fiſch von vielen Gattungen“. „Von Reihern werden drei Gat-<lb/> tungen bei uns gefunden“. Die rein logiſch-formale Bedeutung des<lb/><hi rendition="#aq">genus</hi> und der <hi rendition="#aq">species</hi> geht aber zur Evidenz aus Stellen hervor, wo er<lb/> die Art ſogar zweierlei generiſchen Formen gegenüberſtellt, einem näch-<lb/> ſten Genus und einem entfernten<note place="foot" n="227)"><hi rendition="#aq">diximus quod homo non solum specifica differentia differt ab aliis<lb/> animalibus, sed etiam secundum esse generis proximi et secundum esse<lb/> generis remoti.. genus proximum est sensibile, genus remotum est vivum.</hi><lb/> a. a. O. <hi rendition="#aq">p. 562.</hi></note>. Man hat alſo auch hier in Folge<lb/> einer beſondern Vorliebe für <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> etwas in ihm geſucht, was gemäß<lb/> der Entwickelungsweiſe naturwiſſenſchaftlicher Ideen noch gar nicht bei<lb/> ihm zu finden ſein kann und deſſen Mangel ſeine Verdienſte nicht ſchmälert.</p><lb/> <p>Während <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albert</persName> in den bis jetzt geſchilderten Theilen ſeines großen<lb/> Thierbuchs ſich kaum vom Texte des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName>, den er zu commenti-<lb/> ren unternommen hatte, entfernt und nur einzelne Details oder Spe-<lb/> culationen allgemeiner Art zugibt, iſt der letzte Abſchnitt, die Einzel-<lb/> ſchilderungen enthaltend, dadurch von beſonderem Intereſſe, daß man<lb/> hieraus nicht bloß den Umfang der Thierkenntniß, die ihm zu Gebote<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0245]
Die Zoologie des Mittelalters.
daß Albert ein Syſtem gehabt habe, ſo fehlt ihm auch der Ausgangs-
punkt der Syſtematik, die naturhiſtoriſche Species. Zwar behauptet
auch hier Pouchet 226), daß Albert zuerſt die Species als ſolche defi-
nirt, auch gezeigt habe, wie mehrere Species ein Genus bilden. Es
läßt ſich aber aus zahlreichen Beiſpielen nachweiſen, daß auch bei Al-
bert die Begriffe Art und Gattung nur im formalen Sinne einer logi-
ſchen Ueber- und Unterordnung angewendet wurden. Solche Stellen,
wie: „der Specht iſt keine Species, ſondern ein Genus“, können aller-
dings zu einer andern Anſicht verführen. Lieſt man aber weiter, ſo
ſtößt man auf Worte, welche keinen Zweifel laſſen: „Da es indeß von
dieſem Vogel viele Gattungen gibt“. Es ſind alſo hier Gattungen an-
dern Gattungen untergeordnet. Ebenſo heißt es vom Cetus: „es iſt
dies ein Fiſch von vielen Gattungen“. „Von Reihern werden drei Gat-
tungen bei uns gefunden“. Die rein logiſch-formale Bedeutung des
genus und der species geht aber zur Evidenz aus Stellen hervor, wo er
die Art ſogar zweierlei generiſchen Formen gegenüberſtellt, einem näch-
ſten Genus und einem entfernten 227). Man hat alſo auch hier in Folge
einer beſondern Vorliebe für Albert etwas in ihm geſucht, was gemäß
der Entwickelungsweiſe naturwiſſenſchaftlicher Ideen noch gar nicht bei
ihm zu finden ſein kann und deſſen Mangel ſeine Verdienſte nicht ſchmälert.
Während Albert in den bis jetzt geſchilderten Theilen ſeines großen
Thierbuchs ſich kaum vom Texte des Ariſtoteles, den er zu commenti-
ren unternommen hatte, entfernt und nur einzelne Details oder Spe-
culationen allgemeiner Art zugibt, iſt der letzte Abſchnitt, die Einzel-
ſchilderungen enthaltend, dadurch von beſonderem Intereſſe, daß man
hieraus nicht bloß den Umfang der Thierkenntniß, die ihm zu Gebote
226) a. a. O. S. 279. Er beruft ſich hier auf eine Angabe bei Blainville,
Hist. des scienc. de l'organisation T. II. (Paris, 1845) p. 86. Aber der hierher
zu beziehende Satz: „l'espèce, dit Albert, est la réunion des individus qui
naissent les uns des autres, iſt ſicher nicht bei Albert in dem Sinne zu finden,
wie er ihm hier beigelegt wird.
227) diximus quod homo non solum specifica differentia differt ab aliis
animalibus, sed etiam secundum esse generis proximi et secundum esse
generis remoti.. genus proximum est sensibile, genus remotum est vivum.
a. a. O. p. 562.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |