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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
nung, aus einer nähern Kenntniß der Naturgeschichte der Thiere Vor-
theile für ihre eigenen Zwecke zu ziehen. Indeß wurde dies nur in
allgemein biologischer oder therapeutischer, nicht etwa in vergleichenr
physiologischer Beziehung aufgefaßt.

Jenem Bedürfniß nach sichererer Gründung der Zoologie auf dem
neu erlangten, sich unverfälscht darstellenden Wissenschatze der alten
Welt versuchte man nun Genüge zu leisten und zwar auch hier wieder,
wie drei Jahrhunderte früher nach dem ersten Bekanntwerden mit Ari-
stoteles
, in der Form allgemeiner, alless damals Wißbare über die Thiere
umfassender Gesammtdarstellungen. Die in Folge der Buchdruckerei
lebhafter erwachenden Mittheilungen, der regere Verkehr und Aus-
tausch zwischen verschiedenen Ländern führten aber andererseits zu dem
Bestreben, die Kenntniß der thierischen Welt durch directe Beobachtun-
gen zu erweitern und damit der Autorität der alten Meister durch eigne
sinnliche Erfahrungen eine neue Unterstützung zu geben.

Die allseitigere Anerkennung der individuellen Berechtigung zu
selbständigem Denken und Forschen hatte ferner eine freiere Mittheilung
der Individuen untereinander zur Folge. Es fiengen wissenschaftliche
Kreise sich zu bilden an, von denen im Mittelalter kaum in einem an-
dern Sinne als in dem von Schulen die Rede sein konnte. Kann man
auch den um Johann von Dalberg in Heidelberg und zeitweise in Mainz,
den um Cosmo Medici in Florenz sich sammelnden Kreis von Gelehr-
ten, wenn letzerer auch platonische Akademie genannt wurde, ebenso
wie die von Bittorino da Feltre in Mantua gestiftete Akademie, noch
nicht direct als die ersten gelehrten Gesellschaften im neueren Sinne be-
trachten -- es fehlte ihnen die Organisation und die Auffstellung eines
concreten Zweckes -- , so waren sie doch die Vorläufer solcher und wei-
sen auf das Bestreben hin, daß man nun mit vereinten Kräften, viel-
leicht auch nach dem Grundsatz einer wissenschaftlichen Arbeitstheilung
an die Erforschung dunkler Gebiete des menschlichen Wissens gehn
wollte. Auch hier gieng Italien den andern Ländern voran. Der pla-
tonischen Akademie folgten die Akademie der Wissenschaften in Padua
(1520), die Academia secretorum naturae (1560) und die Ponta-
ni'sche Akademie in Neapel, welche erstere freilich nach kurzem Bestehn

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
nung, aus einer nähern Kenntniß der Naturgeſchichte der Thiere Vor-
theile für ihre eigenen Zwecke zu ziehen. Indeß wurde dies nur in
allgemein biologiſcher oder therapeutiſcher, nicht etwa in vergleichenr
phyſiologiſcher Beziehung aufgefaßt.

Jenem Bedürfniß nach ſichererer Gründung der Zoologie auf dem
neu erlangten, ſich unverfälſcht darſtellenden Wiſſenſchatze der alten
Welt verſuchte man nun Genüge zu leiſten und zwar auch hier wieder,
wie drei Jahrhunderte früher nach dem erſten Bekanntwerden mit Ari-
ſtoteles
, in der Form allgemeiner, alleſs damals Wißbare über die Thiere
umfaſſender Geſammtdarſtellungen. Die in Folge der Buchdruckerei
lebhafter erwachenden Mittheilungen, der regere Verkehr und Aus-
tauſch zwiſchen verſchiedenen Ländern führten aber andererſeits zu dem
Beſtreben, die Kenntniß der thieriſchen Welt durch directe Beobachtun-
gen zu erweitern und damit der Autorität der alten Meiſter durch eigne
ſinnliche Erfahrungen eine neue Unterſtützung zu geben.

Die allſeitigere Anerkennung der individuellen Berechtigung zu
ſelbſtändigem Denken und Forſchen hatte ferner eine freiere Mittheilung
der Individuen untereinander zur Folge. Es fiengen wiſſenſchaftliche
Kreiſe ſich zu bilden an, von denen im Mittelalter kaum in einem an-
dern Sinne als in dem von Schulen die Rede ſein konnte. Kann man
auch den um Johann von Dalberg in Heidelberg und zeitweiſe in Mainz,
den um Cosmo Medici in Florenz ſich ſammelnden Kreis von Gelehr-
ten, wenn letzerer auch platoniſche Akademie genannt wurde, ebenſo
wie die von Bittorino da Feltre in Mantua geſtiftete Akademie, noch
nicht direct als die erſten gelehrten Geſellſchaften im neueren Sinne be-
trachten — es fehlte ihnen die Organiſation und die Auffſtellung eines
concreten Zweckes — , ſo waren ſie doch die Vorläufer ſolcher und wei-
ſen auf das Beſtreben hin, daß man nun mit vereinten Kräften, viel-
leicht auch nach dem Grundſatz einer wiſſenſchaftlichen Arbeitstheilung
an die Erforſchung dunkler Gebiete des menſchlichen Wiſſens gehn
wollte. Auch hier gieng Italien den andern Ländern voran. Der pla-
toniſchen Akademie folgten die Akademie der Wiſſenſchaften in Padua
(1520), die Academia secretorum naturae (1560) und die Ponta-
ni'ſche Akademie in Neapel, welche erſtere freilich nach kurzem Beſtehn

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[260/0271] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. nung, aus einer nähern Kenntniß der Naturgeſchichte der Thiere Vor- theile für ihre eigenen Zwecke zu ziehen. Indeß wurde dies nur in allgemein biologiſcher oder therapeutiſcher, nicht etwa in vergleichenr phyſiologiſcher Beziehung aufgefaßt. Jenem Bedürfniß nach ſichererer Gründung der Zoologie auf dem neu erlangten, ſich unverfälſcht darſtellenden Wiſſenſchatze der alten Welt verſuchte man nun Genüge zu leiſten und zwar auch hier wieder, wie drei Jahrhunderte früher nach dem erſten Bekanntwerden mit Ari- ſtoteles, in der Form allgemeiner, alleſs damals Wißbare über die Thiere umfaſſender Geſammtdarſtellungen. Die in Folge der Buchdruckerei lebhafter erwachenden Mittheilungen, der regere Verkehr und Aus- tauſch zwiſchen verſchiedenen Ländern führten aber andererſeits zu dem Beſtreben, die Kenntniß der thieriſchen Welt durch directe Beobachtun- gen zu erweitern und damit der Autorität der alten Meiſter durch eigne ſinnliche Erfahrungen eine neue Unterſtützung zu geben. Die allſeitigere Anerkennung der individuellen Berechtigung zu ſelbſtändigem Denken und Forſchen hatte ferner eine freiere Mittheilung der Individuen untereinander zur Folge. Es fiengen wiſſenſchaftliche Kreiſe ſich zu bilden an, von denen im Mittelalter kaum in einem an- dern Sinne als in dem von Schulen die Rede ſein konnte. Kann man auch den um Johann von Dalberg in Heidelberg und zeitweiſe in Mainz, den um Cosmo Medici in Florenz ſich ſammelnden Kreis von Gelehr- ten, wenn letzerer auch platoniſche Akademie genannt wurde, ebenſo wie die von Bittorino da Feltre in Mantua geſtiftete Akademie, noch nicht direct als die erſten gelehrten Geſellſchaften im neueren Sinne be- trachten — es fehlte ihnen die Organiſation und die Auffſtellung eines concreten Zweckes — , ſo waren ſie doch die Vorläufer ſolcher und wei- ſen auf das Beſtreben hin, daß man nun mit vereinten Kräften, viel- leicht auch nach dem Grundſatz einer wiſſenſchaftlichen Arbeitstheilung an die Erforſchung dunkler Gebiete des menſchlichen Wiſſens gehn wollte. Auch hier gieng Italien den andern Ländern voran. Der pla- toniſchen Akademie folgten die Akademie der Wiſſenſchaften in Padua (1520), die Academia secretorum naturae (1560) und die Ponta- ni'ſche Akademie in Neapel, welche erſtere freilich nach kurzem Beſtehn

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/271>, abgerufen am 22.11.2024.