Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der encyklopädischen Darstellungen.
Tochter des Buchhändler Christian Egenolph und starb 1586. Seine
Heirath wird erwähnt, weil die derselben vorausgehende Bekanntschaft
mit Egenolph vielleicht Veranlassung war, Lonicer zur Herausgabe sei-
nes compilatorischen Werkes zu bewegen, da Egenolph mehrere natur-
historische, mit öfter benutzten Holzschnitten versehene Werke bereits
verlegt hatte. Lonicer's Werk erschien 1551 unter dem Titel Naturalis
Historiae Opus novum
10). Verglichen mit dem ausführlichen und um-
fangreichen botanischen Theil, welcher 268 Blätter erfüllt, tritt der
zoologische mit 41 Blättern an Umfang sehr zurück. Er beginnt ohne
weitere zoologische Einleitung mit einer diätetisch - medicinischen Schil-
derung der Eigenschaften der verschiedenen Theile und Säfte der Säu-
gethiere; es werden nach einander Fleisch, Blut, Milch, Butter, Käse,
Fett, Mark, Harn und Koth besprochen. Nun wird ein Abschnitt über
den Honig eingeschaltet, auf welchen dann eine Aufzählung einiger zu
medicinischen Zwecken verwendbarer Theile des Menschen folgt. Die
Reihe der sich hieran schließenden übrigen Landthiere beginnt das Schaf,
dem zunächst die andern Hausthiere, Rind, Büffel, Ziege, Schwein,
Pferd, Esel, Maulesel, Hund und Katze folgen. Wie bei den folgenden
wilden Thieren ist auch hier die Beschreibung sehr kurz und durchaus
nicht auf irgend wie constant herausgehobene Merkmale gegründet, son-

10) Schon der ausführlichere Titel weist auf die Tendenz hin; es heißt darin
de vera cognitione, delectu et usu omnium simplicium medicamentorum
quorum et medicis et officinis usu esse debet.
Natürlich verlegte es Chst.
Egenolph
in Frankfurt. Deutsch erschien es unter dem Titel "Kräuterbuch", um-
faßte aber ebenso auch Thiere. Es wurde später von P. Uffenbach herausgegeben
und erlebte noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen. Wie leichtfertig man dabei
zuweilen mit den Holzschnitten verfuhr, beweist z. B. der Umstand, daß (in der
Ausgabe: Ulm, 1716) die Copie einer zuerst von Clusius veröffentlichten Fi-
gur eines Gürtelthieres hier (S. 606) für die einer Zibethkatze ausgegeben wird. --
Was übrigens die medicinische Bedeutung der Schrift Lonicer's betrifft, so ist daran
zu erinnern, daß in jener Zeit außer den oben erwähnten allgemeineren Naturbü-
chern Werke über Heilmittellehre, worin ebensogut Thiere abgehandelt wurden,
oft im Druck erschienen. Es sei hier nur an den Ortus sanitatis und dessen
deutsche Bearbeitung, den Gart der Gesundheit, an den Aggregator practicus de
simplicibus
und den Experimentarius medicinae erinnert, in welchem letzteren
unter Andern die Physica der h. Hildegard wieder abgedruckt ist. In ähnlicher
Weise berücksichtigen auch Matthioli (Dioskorides), Bauhin u. A. die Thiere.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
Tochter des Buchhändler Chriſtian Egenolph und ſtarb 1586. Seine
Heirath wird erwähnt, weil die derſelben vorausgehende Bekanntſchaft
mit Egenolph vielleicht Veranlaſſung war, Lonicer zur Herausgabe ſei-
nes compilatoriſchen Werkes zu bewegen, da Egenolph mehrere natur-
hiſtoriſche, mit öfter benutzten Holzſchnitten verſehene Werke bereits
verlegt hatte. Lonicer's Werk erſchien 1551 unter dem Titel Naturalis
Historiae Opus novum
10). Verglichen mit dem ausführlichen und um-
fangreichen botaniſchen Theil, welcher 268 Blätter erfüllt, tritt der
zoologiſche mit 41 Blättern an Umfang ſehr zurück. Er beginnt ohne
weitere zoologiſche Einleitung mit einer diätetiſch - mediciniſchen Schil-
derung der Eigenſchaften der verſchiedenen Theile und Säfte der Säu-
gethiere; es werden nach einander Fleiſch, Blut, Milch, Butter, Käſe,
Fett, Mark, Harn und Koth beſprochen. Nun wird ein Abſchnitt über
den Honig eingeſchaltet, auf welchen dann eine Aufzählung einiger zu
mediciniſchen Zwecken verwendbarer Theile des Menſchen folgt. Die
Reihe der ſich hieran ſchließenden übrigen Landthiere beginnt das Schaf,
dem zunächſt die andern Hausthiere, Rind, Büffel, Ziege, Schwein,
Pferd, Eſel, Mauleſel, Hund und Katze folgen. Wie bei den folgenden
wilden Thieren iſt auch hier die Beſchreibung ſehr kurz und durchaus
nicht auf irgend wie conſtant herausgehobene Merkmale gegründet, ſon-

10) Schon der ausführlichere Titel weiſt auf die Tendenz hin; es heißt darin
de vera cognitione, delectu et usu omnium simplicium medicamentorum
quorum et medicis et officinis usu esse debet.
Natürlich verlegte es Chſt.
Egenolph
in Frankfurt. Deutſch erſchien es unter dem Titel „Kräuterbuch“, um-
faßte aber ebenſo auch Thiere. Es wurde ſpäter von P. Uffenbach herausgegeben
und erlebte noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen. Wie leichtfertig man dabei
zuweilen mit den Holzſchnitten verfuhr, beweiſt z. B. der Umſtand, daß (in der
Ausgabe: Ulm, 1716) die Copie einer zuerſt von Cluſius veröffentlichten Fi-
gur eines Gürtelthieres hier (S. 606) für die einer Zibethkatze ausgegeben wird. —
Was übrigens die mediciniſche Bedeutung der Schrift Lonicer's betrifft, ſo iſt daran
zu erinnern, daß in jener Zeit außer den oben erwähnten allgemeineren Naturbü-
chern Werke über Heilmittellehre, worin ebenſogut Thiere abgehandelt wurden,
oft im Druck erſchienen. Es ſei hier nur an den Ortus sanitatis und deſſen
deutſche Bearbeitung, den Gart der Geſundheit, an den Aggregator practicus de
simplicibus
und den Experimentarius medicinae erinnert, in welchem letzteren
unter Andern die Physica der h. Hildegard wieder abgedruckt iſt. In ähnlicher
Weiſe berückſichtigen auch Matthioli (Dioskorides), Bauhin u. A. die Thiere.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0283" n="272"/><fw place="top" type="header">Periode der encyklopädi&#x017F;chen Dar&#x017F;tellungen.</fw><lb/>
Tochter des Buchhändler <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122968468">Chri&#x017F;tian Egenolph</persName> und &#x017F;tarb 1586. Seine<lb/>
Heirath wird erwähnt, weil die der&#x017F;elben vorausgehende Bekannt&#x017F;chaft<lb/>
mit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122968468">Egenolph</persName> vielleicht Veranla&#x017F;&#x017F;ung war, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119003333">Lonicer</persName> zur Herausgabe &#x017F;ei-<lb/>
nes compilatori&#x017F;chen Werkes zu bewegen, da <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122968468">Egenolph</persName> mehrere natur-<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;che, mit öfter benutzten Holz&#x017F;chnitten ver&#x017F;ehene Werke bereits<lb/>
verlegt hatte. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119003333">Lonicer</persName>'s Werk er&#x017F;chien 1551 unter dem Titel <hi rendition="#aq">Naturalis<lb/>
Historiae Opus novum</hi><note place="foot" n="10)">Schon der ausführlichere Titel wei&#x017F;t auf die Tendenz hin; es heißt darin<lb/><hi rendition="#aq">de vera cognitione, delectu et usu omnium simplicium medicamentorum<lb/>
quorum et medicis et officinis usu esse debet.</hi> Natürlich verlegte es C<persName ref="http://d-nb.info/gnd/122968468">h&#x017F;t.<lb/>
Egenolph</persName> in Frankfurt. Deut&#x017F;ch er&#x017F;chien es unter dem Titel &#x201E;Kräuterbuch&#x201C;, um-<lb/>
faßte aber eben&#x017F;o auch Thiere. Es wurde &#x017F;päter von P. <hi rendition="#g">Uffenbach</hi> herausgegeben<lb/>
und erlebte noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen. Wie leichtfertig man dabei<lb/>
zuweilen mit den Holz&#x017F;chnitten verfuhr, bewei&#x017F;t z. B. der Um&#x017F;tand, daß (in der<lb/>
Ausgabe: Ulm, 1716) die Copie einer zuer&#x017F;t von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118890646">Clu&#x017F;ius</persName></hi> veröffentlichten Fi-<lb/>
gur eines Gürtelthieres hier (S. 606) für die einer Zibethkatze ausgegeben wird. &#x2014;<lb/>
Was übrigens die medicini&#x017F;che Bedeutung der Schrift <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119003333">Lonicer</persName>'s betrifft, &#x017F;o i&#x017F;t daran<lb/>
zu erinnern, daß in jener Zeit außer den oben erwähnten allgemeineren Naturbü-<lb/>
chern Werke über Heilmittellehre, worin eben&#x017F;ogut Thiere abgehandelt wurden,<lb/>
oft im Druck er&#x017F;chienen. Es &#x017F;ei hier nur an den <hi rendition="#aq">Ortus sanitatis</hi> und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
deut&#x017F;che Bearbeitung, den Gart der Ge&#x017F;undheit, an den <hi rendition="#aq">Aggregator practicus de<lb/>
simplicibus</hi> und den <hi rendition="#aq">Experimentarius medicinae</hi> erinnert, in welchem letzteren<lb/>
unter Andern die <hi rendition="#aq">Physica</hi> der h. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118550993">Hildegard</persName> wieder abgedruckt i&#x017F;t. In ähnlicher<lb/>
Wei&#x017F;e berück&#x017F;ichtigen auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118731912">Matthioli</persName> (<persName ref="http://d-nb.info/gnd/118843400">Dioskorides</persName>), <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11884962X">Bauhin</persName> u. A. die Thiere.</note>. Verglichen mit dem ausführlichen und um-<lb/>
fangreichen botani&#x017F;chen Theil, welcher 268 Blätter erfüllt, tritt der<lb/>
zoologi&#x017F;che mit 41 Blättern an Umfang &#x017F;ehr zurück. Er beginnt ohne<lb/>
weitere zoologi&#x017F;che Einleitung mit einer diäteti&#x017F;ch - medicini&#x017F;chen Schil-<lb/>
derung der Eigen&#x017F;chaften der ver&#x017F;chiedenen Theile und Säfte der Säu-<lb/>
gethiere; es werden nach einander Flei&#x017F;ch, Blut, Milch, Butter, Kä&#x017F;e,<lb/>
Fett, Mark, Harn und Koth be&#x017F;prochen. Nun wird ein Ab&#x017F;chnitt über<lb/>
den Honig einge&#x017F;chaltet, auf welchen dann eine Aufzählung einiger zu<lb/>
medicini&#x017F;chen Zwecken verwendbarer Theile des Men&#x017F;chen folgt. Die<lb/>
Reihe der &#x017F;ich hieran &#x017F;chließenden übrigen Landthiere beginnt das Schaf,<lb/>
dem zunäch&#x017F;t die andern Hausthiere, Rind, Büffel, Ziege, Schwein,<lb/>
Pferd, E&#x017F;el, Maule&#x017F;el, Hund und Katze folgen. Wie bei den folgenden<lb/>
wilden Thieren i&#x017F;t auch hier die Be&#x017F;chreibung &#x017F;ehr kurz und durchaus<lb/>
nicht auf irgend wie con&#x017F;tant herausgehobene Merkmale gegründet, &#x017F;on-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0283] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. Tochter des Buchhändler Chriſtian Egenolph und ſtarb 1586. Seine Heirath wird erwähnt, weil die derſelben vorausgehende Bekanntſchaft mit Egenolph vielleicht Veranlaſſung war, Lonicer zur Herausgabe ſei- nes compilatoriſchen Werkes zu bewegen, da Egenolph mehrere natur- hiſtoriſche, mit öfter benutzten Holzſchnitten verſehene Werke bereits verlegt hatte. Lonicer's Werk erſchien 1551 unter dem Titel Naturalis Historiae Opus novum 10). Verglichen mit dem ausführlichen und um- fangreichen botaniſchen Theil, welcher 268 Blätter erfüllt, tritt der zoologiſche mit 41 Blättern an Umfang ſehr zurück. Er beginnt ohne weitere zoologiſche Einleitung mit einer diätetiſch - mediciniſchen Schil- derung der Eigenſchaften der verſchiedenen Theile und Säfte der Säu- gethiere; es werden nach einander Fleiſch, Blut, Milch, Butter, Käſe, Fett, Mark, Harn und Koth beſprochen. Nun wird ein Abſchnitt über den Honig eingeſchaltet, auf welchen dann eine Aufzählung einiger zu mediciniſchen Zwecken verwendbarer Theile des Menſchen folgt. Die Reihe der ſich hieran ſchließenden übrigen Landthiere beginnt das Schaf, dem zunächſt die andern Hausthiere, Rind, Büffel, Ziege, Schwein, Pferd, Eſel, Mauleſel, Hund und Katze folgen. Wie bei den folgenden wilden Thieren iſt auch hier die Beſchreibung ſehr kurz und durchaus nicht auf irgend wie conſtant herausgehobene Merkmale gegründet, ſon- 10) Schon der ausführlichere Titel weiſt auf die Tendenz hin; es heißt darin de vera cognitione, delectu et usu omnium simplicium medicamentorum quorum et medicis et officinis usu esse debet. Natürlich verlegte es Chſt. Egenolph in Frankfurt. Deutſch erſchien es unter dem Titel „Kräuterbuch“, um- faßte aber ebenſo auch Thiere. Es wurde ſpäter von P. Uffenbach herausgegeben und erlebte noch im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen. Wie leichtfertig man dabei zuweilen mit den Holzſchnitten verfuhr, beweiſt z. B. der Umſtand, daß (in der Ausgabe: Ulm, 1716) die Copie einer zuerſt von Cluſius veröffentlichten Fi- gur eines Gürtelthieres hier (S. 606) für die einer Zibethkatze ausgegeben wird. — Was übrigens die mediciniſche Bedeutung der Schrift Lonicer's betrifft, ſo iſt daran zu erinnern, daß in jener Zeit außer den oben erwähnten allgemeineren Naturbü- chern Werke über Heilmittellehre, worin ebenſogut Thiere abgehandelt wurden, oft im Druck erſchienen. Es ſei hier nur an den Ortus sanitatis und deſſen deutſche Bearbeitung, den Gart der Geſundheit, an den Aggregator practicus de simplicibus und den Experimentarius medicinae erinnert, in welchem letzteren unter Andern die Physica der h. Hildegard wieder abgedruckt iſt. In ähnlicher Weiſe berückſichtigen auch Matthioli (Dioskorides), Bauhin u. A. die Thiere.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/283
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/283>, abgerufen am 22.11.2024.