richtig als eine Form der Störe und führt den Namen nur beiläufig auf. Ob aber Glanis und Silurus identisch sind, ist ihm nicht ganz überzeugend erschienen. Zu Urtica bringt er die Rondelet'schen Figuren der Actinien und Medusen, zu Pudendum die Figur desselben von As- cidien, während der Trivialname ursprünglich für Holothurien galt, wie noch heute an den italienischen Küsten. Hier sind ihm auch Wie- derholungen untergelaufen, indem er einige Frösche und Schlangen so- wohl unter den Wasserthieren, als in den andern sie betreffenden Thei- len aufführt.
Frägt man nun nach der Bedeutung des Gesner'schen Werkes, so darf man hier nicht den Maßstab eines modernen zoologischen Werkes anlegen wollen. Jedenfalls hat es das unbestreitbar große Verdienst, zum ersten Male die zur Zeit seiner Abfassung bekannten Thierformen von einem wirklich naturhistorischen Standpunkte aus geschildert zu ha- ben. Zur Sicherstellung seiner Beschreibungen fehlte ihm freilich noch der Artbegriff und eine strenge Terminologie und Nomenclatur. Die Namen, deren er mehrere selbst machen mußte, schließen sich noch wie früher der populären Namengebung an. Eine Art im spätern Sinne hat Gesner so wenig wie Aristoteles und Albert der Große. Seine Species und Genera sind noch ebenso formale Bezeichnungen für über- und untergeordnete Formen, was durch viele Beispiele erhärtet werden kann18). Durch das Schwanken dieser Bezeichnungen entgieng ihm die Ausgangsform der systematischen Anordnung. Da er nun aber eben so wenig feste Eintheilungsgründe entwickelte, nach welchen er etwa das Thierreich von oben herab hätte in natürlichen Gruppen außer den zweifellosen, vom Sprachgebrauch gebotenen Wirbelthier- classen) spalten können, so fehlt ihm die sichere systematische Uebersicht. Doch lag zu seiner Zeit das Bedürfniß noch nicht so dringend vor wie ein Jahrhundert später, und diese offenbaren Lücken in seiner Darstel- lung werden reichlich ausgeglichen dadurch, daß er zum erstenmal plan-
18)Mixti canes vocari possunt, qui ex utroque parente cane, sed diver- sorum generum ut ex Molosso et Laconico nascuntur. -- Tria dicunt esse Cervorum genera, schreibt ihm Georg Fabricius; und weitere andre gleiche Sätze.
richtig als eine Form der Störe und führt den Namen nur beiläufig auf. Ob aber Glanis und Silurus identiſch ſind, iſt ihm nicht ganz überzeugend erſchienen. Zu Urtica bringt er die Rondelet'ſchen Figuren der Actinien und Meduſen, zu Pudendum die Figur deſſelben von As- cidien, während der Trivialname urſprünglich für Holothurien galt, wie noch heute an den italieniſchen Küſten. Hier ſind ihm auch Wie- derholungen untergelaufen, indem er einige Fröſche und Schlangen ſo- wohl unter den Waſſerthieren, als in den andern ſie betreffenden Thei- len aufführt.
Frägt man nun nach der Bedeutung des Gesner'ſchen Werkes, ſo darf man hier nicht den Maßſtab eines modernen zoologiſchen Werkes anlegen wollen. Jedenfalls hat es das unbeſtreitbar große Verdienſt, zum erſten Male die zur Zeit ſeiner Abfaſſung bekannten Thierformen von einem wirklich naturhiſtoriſchen Standpunkte aus geſchildert zu ha- ben. Zur Sicherſtellung ſeiner Beſchreibungen fehlte ihm freilich noch der Artbegriff und eine ſtrenge Terminologie und Nomenclatur. Die Namen, deren er mehrere ſelbſt machen mußte, ſchließen ſich noch wie früher der populären Namengebung an. Eine Art im ſpätern Sinne hat Gesner ſo wenig wie Ariſtoteles und Albert der Große. Seine Species und Genera ſind noch ebenſo formale Bezeichnungen für über- und untergeordnete Formen, was durch viele Beiſpiele erhärtet werden kann18). Durch das Schwanken dieſer Bezeichnungen entgieng ihm die Ausgangsform der ſyſtematiſchen Anordnung. Da er nun aber eben ſo wenig feſte Eintheilungsgründe entwickelte, nach welchen er etwa das Thierreich von oben herab hätte in natürlichen Gruppen außer den zweifelloſen, vom Sprachgebrauch gebotenen Wirbelthier- claſſen) ſpalten können, ſo fehlt ihm die ſichere ſyſtematiſche Ueberſicht. Doch lag zu ſeiner Zeit das Bedürfniß noch nicht ſo dringend vor wie ein Jahrhundert ſpäter, und dieſe offenbaren Lücken in ſeiner Darſtel- lung werden reichlich ausgeglichen dadurch, daß er zum erſtenmal plan-
18)Mixti canes vocari possunt, qui ex utroque parente cane, sed diver- sorum generum ut ex Molosso et Laconico nascuntur. — Tria dicunt esse Cervorum genera, ſchreibt ihm Georg Fabricius; und weitere andre gleiche Sätze.
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Conrad Gesner.
richtig als eine Form der Störe und führt den Namen nur beiläufig
auf. Ob aber Glanis und Silurus identiſch ſind, iſt ihm nicht ganz
überzeugend erſchienen. Zu Urtica bringt er die Rondelet'ſchen Figuren
der Actinien und Meduſen, zu Pudendum die Figur deſſelben von As-
cidien, während der Trivialname urſprünglich für Holothurien galt,
wie noch heute an den italieniſchen Küſten. Hier ſind ihm auch Wie-
derholungen untergelaufen, indem er einige Fröſche und Schlangen ſo-
wohl unter den Waſſerthieren, als in den andern ſie betreffenden Thei-
len aufführt.
Frägt man nun nach der Bedeutung des Gesner'ſchen Werkes, ſo
darf man hier nicht den Maßſtab eines modernen zoologiſchen Werkes
anlegen wollen. Jedenfalls hat es das unbeſtreitbar große Verdienſt,
zum erſten Male die zur Zeit ſeiner Abfaſſung bekannten Thierformen
von einem wirklich naturhiſtoriſchen Standpunkte aus geſchildert zu ha-
ben. Zur Sicherſtellung ſeiner Beſchreibungen fehlte ihm freilich noch
der Artbegriff und eine ſtrenge Terminologie und Nomenclatur. Die
Namen, deren er mehrere ſelbſt machen mußte, ſchließen ſich noch wie
früher der populären Namengebung an. Eine Art im ſpätern Sinne
hat Gesner ſo wenig wie Ariſtoteles und Albert der Große. Seine
Species und Genera ſind noch ebenſo formale Bezeichnungen für über-
und untergeordnete Formen, was durch viele Beiſpiele erhärtet werden
kann 18). Durch das Schwanken dieſer Bezeichnungen entgieng ihm
die Ausgangsform der ſyſtematiſchen Anordnung. Da er nun aber
eben ſo wenig feſte Eintheilungsgründe entwickelte, nach welchen er
etwa das Thierreich von oben herab hätte in natürlichen Gruppen
außer den zweifelloſen, vom Sprachgebrauch gebotenen Wirbelthier-
claſſen) ſpalten können, ſo fehlt ihm die ſichere ſyſtematiſche Ueberſicht.
Doch lag zu ſeiner Zeit das Bedürfniß noch nicht ſo dringend vor wie
ein Jahrhundert ſpäter, und dieſe offenbaren Lücken in ſeiner Darſtel-
lung werden reichlich ausgeglichen dadurch, daß er zum erſtenmal plan-
18) Mixti canes vocari possunt, qui ex utroque parente cane, sed diver-
sorum generum ut ex Molosso et Laconico nascuntur. — Tria dicunt esse
Cervorum genera, ſchreibt ihm Georg Fabricius; und weitere andre gleiche
Sätze.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/294>, abgerufen am 22.11.2024.
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