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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
mäßig beobachtete und danach seine Beschreibungen abfaßte, nicht bloß
zur beiläufigen Bestätigung überlieferter Angaben, denen zu Liebe Frühere
selbst directen Beobachtungen gern Zwang angethan hätten. Gesner
war kritisch und zweifelte, freilich noch nicht mit der Unabhängigkeit
des Urtheils, wie es später zur Verificirung der Thatsachen angewandt
wurde. Wenn er noch fabelhafte Thiere anführt und von andern Thie-
ren Wundergeschichten berichtet, so versäumt er selten, seine Meinung
über das Bedenkliche solcher Angaben auszusprechen. In dieser Hinsicht
ist er, wie es scheint, nur seinen Freunden und Correspondenten gegen-
über, deren briefliche Mittheilungen er anführt, nachsichtiger, da er
vermuthlich bei ihnen eine gleiche Gewissenhaftigkeit wie seine eigne vor-
aussetzte19).

Was bei Gesner entschieden fehlt, das ist die breitere Auffassung
des Thierreichs als eines großen Ganzen. Ueber die an sich äußerst ver-
dienstliche und als Grundlage zur weitern wissenschaftlichen Entwicke-
lung der Ansichten über die Thiere sogar nothwendige Aufarbeitung
des vorhandenen Materials ließ er die Zusammenfassung der Thatsa-
chen unter allgemeinere Gesichtspunkte außer Auge. Sein Werk war
verbreiteter und durch Uebersetzungen, Auszüge und Wiederabdrücke in
einem weiteren Kreise wirksam als manche der so bedeutend weniger um-
fangreichen Einzelarbeiten, von denen er z. B. die von Belon und Ron-
delet über die Wasserthiere fast vollständig seinem Werke einverleibte. Von
derartigen Vorarbeiten, welche nachher noch specieller werden erwähnt
werden, hat er nur das reiche Detail aufgenommen. Gesner hat auch noch
nach der Herausgabe der ersten Bände seiner Thiergeschichte in gleicher
Weise zu sammeln fortgefahren; denn sowohl die während seines Lebens
erschienenen als die lange nach seinem Tode herausgegebenen Auflagen

19) So erklärt er die Fabel von der Zähmung des Einhorns ähnlich wie Bo-
chart
(s. oben S. 126). In Bezug auf die Baumgans führt er einen Brief
Will. Turner's an, welcher einen Geistlichen gefragt hatte, ob die von Giral-
dus
erzählte Geschichte wahr sei. Dieser "per ipsum jurans, quod profitebatur
evangelium, respondit verissimum esse, quod de generatione hujus avis Gy-
raldus tradidit.
Gegenüber einem solchen Zeugniß schweigt nun Gesner. Die
Zweiköpfigkeit der Amphisbaena erklärt er für eine Fabel. Dagegen führt er wun-
derbare Fische an, die er an der Mittelmeerküste gesehen haben will.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
mäßig beobachtete und danach ſeine Beſchreibungen abfaßte, nicht bloß
zur beiläufigen Beſtätigung überlieferter Angaben, denen zu Liebe Frühere
ſelbſt directen Beobachtungen gern Zwang angethan hätten. Gesner
war kritiſch und zweifelte, freilich noch nicht mit der Unabhängigkeit
des Urtheils, wie es ſpäter zur Verificirung der Thatſachen angewandt
wurde. Wenn er noch fabelhafte Thiere anführt und von andern Thie-
ren Wundergeſchichten berichtet, ſo verſäumt er ſelten, ſeine Meinung
über das Bedenkliche ſolcher Angaben auszuſprechen. In dieſer Hinſicht
iſt er, wie es ſcheint, nur ſeinen Freunden und Correſpondenten gegen-
über, deren briefliche Mittheilungen er anführt, nachſichtiger, da er
vermuthlich bei ihnen eine gleiche Gewiſſenhaftigkeit wie ſeine eigne vor-
ausſetzte19).

Was bei Gesner entſchieden fehlt, das iſt die breitere Auffaſſung
des Thierreichs als eines großen Ganzen. Ueber die an ſich äußerſt ver-
dienſtliche und als Grundlage zur weitern wiſſenſchaftlichen Entwicke-
lung der Anſichten über die Thiere ſogar nothwendige Aufarbeitung
des vorhandenen Materials ließ er die Zuſammenfaſſung der Thatſa-
chen unter allgemeinere Geſichtspunkte außer Auge. Sein Werk war
verbreiteter und durch Ueberſetzungen, Auszüge und Wiederabdrücke in
einem weiteren Kreiſe wirkſam als manche der ſo bedeutend weniger um-
fangreichen Einzelarbeiten, von denen er z. B. die von Belon und Ron-
delet über die Waſſerthiere faſt vollſtändig ſeinem Werke einverleibte. Von
derartigen Vorarbeiten, welche nachher noch ſpecieller werden erwähnt
werden, hat er nur das reiche Detail aufgenommen. Gesner hat auch noch
nach der Herausgabe der erſten Bände ſeiner Thiergeſchichte in gleicher
Weiſe zu ſammeln fortgefahren; denn ſowohl die während ſeines Lebens
erſchienenen als die lange nach ſeinem Tode herausgegebenen Auflagen

19) So erklärt er die Fabel von der Zähmung des Einhorns ähnlich wie Bo-
chart
(ſ. oben S. 126). In Bezug auf die Baumgans führt er einen Brief
Will. Turner's an, welcher einen Geiſtlichen gefragt hatte, ob die von Giral-
dus
erzählte Geſchichte wahr ſei. Dieſer „per ipsum jurans, quod profitebatur
evangelium, respondit verissimum esse, quod de generatione hujus avis Gy-
raldus tradidit.
Gegenüber einem ſolchen Zeugniß ſchweigt nun Gesner. Die
Zweiköpfigkeit der Amphisbaena erklärt er für eine Fabel. Dagegen führt er wun-
derbare Fiſche an, die er an der Mittelmeerküſte geſehen haben will.
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[284/0295] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. mäßig beobachtete und danach ſeine Beſchreibungen abfaßte, nicht bloß zur beiläufigen Beſtätigung überlieferter Angaben, denen zu Liebe Frühere ſelbſt directen Beobachtungen gern Zwang angethan hätten. Gesner war kritiſch und zweifelte, freilich noch nicht mit der Unabhängigkeit des Urtheils, wie es ſpäter zur Verificirung der Thatſachen angewandt wurde. Wenn er noch fabelhafte Thiere anführt und von andern Thie- ren Wundergeſchichten berichtet, ſo verſäumt er ſelten, ſeine Meinung über das Bedenkliche ſolcher Angaben auszuſprechen. In dieſer Hinſicht iſt er, wie es ſcheint, nur ſeinen Freunden und Correſpondenten gegen- über, deren briefliche Mittheilungen er anführt, nachſichtiger, da er vermuthlich bei ihnen eine gleiche Gewiſſenhaftigkeit wie ſeine eigne vor- ausſetzte 19). Was bei Gesner entſchieden fehlt, das iſt die breitere Auffaſſung des Thierreichs als eines großen Ganzen. Ueber die an ſich äußerſt ver- dienſtliche und als Grundlage zur weitern wiſſenſchaftlichen Entwicke- lung der Anſichten über die Thiere ſogar nothwendige Aufarbeitung des vorhandenen Materials ließ er die Zuſammenfaſſung der Thatſa- chen unter allgemeinere Geſichtspunkte außer Auge. Sein Werk war verbreiteter und durch Ueberſetzungen, Auszüge und Wiederabdrücke in einem weiteren Kreiſe wirkſam als manche der ſo bedeutend weniger um- fangreichen Einzelarbeiten, von denen er z. B. die von Belon und Ron- delet über die Waſſerthiere faſt vollſtändig ſeinem Werke einverleibte. Von derartigen Vorarbeiten, welche nachher noch ſpecieller werden erwähnt werden, hat er nur das reiche Detail aufgenommen. Gesner hat auch noch nach der Herausgabe der erſten Bände ſeiner Thiergeſchichte in gleicher Weiſe zu ſammeln fortgefahren; denn ſowohl die während ſeines Lebens erſchienenen als die lange nach ſeinem Tode herausgegebenen Auflagen 19) So erklärt er die Fabel von der Zähmung des Einhorns ähnlich wie Bo- chart (ſ. oben S. 126). In Bezug auf die Baumgans führt er einen Brief Will. Turner's an, welcher einen Geiſtlichen gefragt hatte, ob die von Giral- dus erzählte Geſchichte wahr ſei. Dieſer „per ipsum jurans, quod profitebatur evangelium, respondit verissimum esse, quod de generatione hujus avis Gy- raldus tradidit. Gegenüber einem ſolchen Zeugniß ſchweigt nun Gesner. Die Zweiköpfigkeit der Amphisbaena erklärt er für eine Fabel. Dagegen führt er wun- derbare Fiſche an, die er an der Mittelmeerküſte geſehen haben will.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/295>, abgerufen am 22.11.2024.