Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der encyklopädischen Darstellungen.
finition der "physischen Zoologie" und deren Eintheilung. Die Zoologie
ist danach die Wissenschaft von den Thieren (bruta) sofern sie Natur-
körper sind; sie wird in einen allgemeinen und einen speciellen Theil
geschieden, wovon der erste das Thier als solches (in genere) betrachtet
und dessen Natur erörtert, während der zweite die Thierarten (species)
und deren Naturen darstellt. Daß auch hier noch nicht von Species
und Genus als natürlicher systematischer Gruppen im späteren Sinne
die Rede ist, beweist die nähere Erklärung dessen, was im speciellen
Theile zu behandeln ist. Hier heißt es ausdrücklich: "die Bibel bezeugt,
daß Salomon von den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fischen
gehandelt habe. Dies sind jene "Species", unter welchen zahlreiche an-
dere einbegriffen werden". Nicht ohne Interesse für die Beurtheilung
der damaligen sogenannten wissenschaftlichen Zoologie ist es, daß in
einem der Axiome, welche diesem ersten Kapitel der Einleitung ange-
hängt sind, der Satz erwiesen wird, daß die Zoologie eine sehr schwie-
rige Wissenschaft sei. Dabei wird vorzüglich auf die große Zahl der be-
schriebenen Thierformen, mit ihren Namen, Kräften und Thätigkeits-
äußerungen hingewiesen und namentlich angeführt, es seien allein vier-
zig Gattungen Käfer, fünfzig Gattungen Raupen, siebzig Gattungen
Fliegen und von Schmetterlingen über hundert Gattungen beobachtet
worden37). Nachdem nun festgestellt ist, was Zoologie sei, untersucht
Verfasser im zweiten Kapitel, was das Thier sei. Dabei wird der Be-
griff brutum dem andern, animal, als einem höheren untergeordnet
und durch den Zusatz "unvernünftig" näher bezeichnet. Ein Thier im
Allgemeinen, nämlich animal, ist ein belebter empfindender Körper,
und danach ist der Mensch ebensogut ein animal wie der Löwe. Mensch
und unvernünftiges Thier sind daher keine contradistincten Species;
wohl aber Mensch, unvernünftiges Thier (brutum) und Pflanze. Es
ist dies vielleicht die erste Andeutung einer Auffassung von der Stellung

37) "Nomina brutorum faciesque externas novisse parum est.
Imperi-
torum habitum fuit detineri in minoribus: formas vero earumque virtutes
et operationes tenere, permagni momenti res est..... Per tot animalium
formas et species ire, laboriosissimum est. Observata sunt Scarabaeorum
genera quadraginta etc.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
finition der „phyſiſchen Zoologie“ und deren Eintheilung. Die Zoologie
iſt danach die Wiſſenſchaft von den Thieren (bruta) ſofern ſie Natur-
körper ſind; ſie wird in einen allgemeinen und einen ſpeciellen Theil
geſchieden, wovon der erſte das Thier als ſolches (in genere) betrachtet
und deſſen Natur erörtert, während der zweite die Thierarten (species)
und deren Naturen darſtellt. Daß auch hier noch nicht von Species
und Genus als natürlicher ſyſtematiſcher Gruppen im ſpäteren Sinne
die Rede iſt, beweiſt die nähere Erklärung deſſen, was im ſpeciellen
Theile zu behandeln iſt. Hier heißt es ausdrücklich: „die Bibel bezeugt,
daß Salomon von den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen
gehandelt habe. Dies ſind jene „Species“, unter welchen zahlreiche an-
dere einbegriffen werden“. Nicht ohne Intereſſe für die Beurtheilung
der damaligen ſogenannten wiſſenſchaftlichen Zoologie iſt es, daß in
einem der Axiome, welche dieſem erſten Kapitel der Einleitung ange-
hängt ſind, der Satz erwieſen wird, daß die Zoologie eine ſehr ſchwie-
rige Wiſſenſchaft ſei. Dabei wird vorzüglich auf die große Zahl der be-
ſchriebenen Thierformen, mit ihren Namen, Kräften und Thätigkeits-
äußerungen hingewieſen und namentlich angeführt, es ſeien allein vier-
zig Gattungen Käfer, fünfzig Gattungen Raupen, ſiebzig Gattungen
Fliegen und von Schmetterlingen über hundert Gattungen beobachtet
worden37). Nachdem nun feſtgeſtellt iſt, was Zoologie ſei, unterſucht
Verfaſſer im zweiten Kapitel, was das Thier ſei. Dabei wird der Be-
griff brutum dem andern, animal, als einem höheren untergeordnet
und durch den Zuſatz „unvernünftig“ näher bezeichnet. Ein Thier im
Allgemeinen, nämlich animal, iſt ein belebter empfindender Körper,
und danach iſt der Menſch ebenſogut ein animal wie der Löwe. Menſch
und unvernünftiges Thier ſind daher keine contradiſtincten Species;
wohl aber Menſch, unvernünftiges Thier (brutum) und Pflanze. Es
iſt dies vielleicht die erſte Andeutung einer Auffaſſung von der Stellung

37) »Nomina brutorum faciesque externas novisse parum est.
Imperi-
torum habitum fuit detineri in minoribus: formas vero earumque virtutes
et operationes tenere, permagni momenti res est..... Per tot animalium
formas et species ire, laboriosissimum est. Observata sunt Scarabaeorum
genera quadraginta etc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="306"/><fw place="top" type="header">Periode der encyklopädi&#x017F;chen Dar&#x017F;tellungen.</fw><lb/>
finition der &#x201E;phy&#x017F;i&#x017F;chen Zoologie&#x201C; und deren Eintheilung. Die Zoologie<lb/>
i&#x017F;t danach die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von den Thieren (<hi rendition="#aq">bruta</hi>) &#x017F;ofern &#x017F;ie Natur-<lb/>
körper &#x017F;ind; &#x017F;ie wird in einen allgemeinen und einen &#x017F;peciellen Theil<lb/>
ge&#x017F;chieden, wovon der er&#x017F;te das Thier als &#x017F;olches (<hi rendition="#aq">in genere</hi>) betrachtet<lb/>
und de&#x017F;&#x017F;en Natur erörtert, während der zweite die Thierarten (<hi rendition="#aq">species</hi>)<lb/>
und deren Naturen dar&#x017F;tellt. Daß auch hier noch nicht von Species<lb/>
und Genus als natürlicher &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;cher Gruppen im &#x017F;päteren Sinne<lb/>
die Rede i&#x017F;t, bewei&#x017F;t die nähere Erklärung de&#x017F;&#x017F;en, was im &#x017F;peciellen<lb/>
Theile zu behandeln i&#x017F;t. Hier heißt es ausdrücklich: &#x201E;die Bibel bezeugt,<lb/>
daß Salomon von den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fi&#x017F;chen<lb/>
gehandelt habe. Dies &#x017F;ind jene &#x201E;Species&#x201C;, unter welchen zahlreiche an-<lb/>
dere einbegriffen werden&#x201C;. Nicht ohne Intere&#x017F;&#x017F;e für die Beurtheilung<lb/>
der damaligen &#x017F;ogenannten wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Zoologie i&#x017F;t es, daß in<lb/>
einem der Axiome, welche die&#x017F;em er&#x017F;ten Kapitel der Einleitung ange-<lb/>
hängt &#x017F;ind, der Satz erwie&#x017F;en wird, daß die Zoologie eine &#x017F;ehr &#x017F;chwie-<lb/>
rige Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;ei. Dabei wird vorzüglich auf die große Zahl der be-<lb/>
&#x017F;chriebenen Thierformen, mit ihren Namen, Kräften und Thätigkeits-<lb/>
äußerungen hingewie&#x017F;en und namentlich angeführt, es &#x017F;eien allein vier-<lb/>
zig Gattungen Käfer, fünfzig Gattungen Raupen, &#x017F;iebzig Gattungen<lb/>
Fliegen und von Schmetterlingen über hundert Gattungen beobachtet<lb/>
worden<note place="foot" n="37)">»<hi rendition="#aq">Nomina brutorum faciesque externas novisse parum est.<lb/>
Imperi-<lb/>
torum habitum fuit detineri in minoribus: formas vero earumque virtutes<lb/>
et operationes tenere, permagni momenti res est..... Per tot animalium<lb/>
formas et species ire, laboriosissimum est. Observata sunt Scarabaeorum<lb/>
genera quadraginta etc.</hi></note>. Nachdem nun fe&#x017F;tge&#x017F;tellt i&#x017F;t, was Zoologie &#x017F;ei, unter&#x017F;ucht<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er im zweiten Kapitel, was das Thier &#x017F;ei. Dabei wird der Be-<lb/>
griff <hi rendition="#aq">brutum</hi> dem andern, <hi rendition="#aq">animal,</hi> als einem höheren untergeordnet<lb/>
und durch den Zu&#x017F;atz &#x201E;unvernünftig&#x201C; näher bezeichnet. Ein Thier im<lb/>
Allgemeinen, nämlich <hi rendition="#aq">animal,</hi> i&#x017F;t ein belebter empfindender Körper,<lb/>
und danach i&#x017F;t der Men&#x017F;ch eben&#x017F;ogut ein <hi rendition="#aq">animal</hi> wie der Löwe. Men&#x017F;ch<lb/>
und unvernünftiges Thier &#x017F;ind daher keine contradi&#x017F;tincten Species;<lb/>
wohl aber Men&#x017F;ch, unvernünftiges Thier (<hi rendition="#aq">brutum</hi>) und Pflanze. Es<lb/>
i&#x017F;t dies vielleicht die er&#x017F;te Andeutung einer Auffa&#x017F;&#x017F;ung von der Stellung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0317] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. finition der „phyſiſchen Zoologie“ und deren Eintheilung. Die Zoologie iſt danach die Wiſſenſchaft von den Thieren (bruta) ſofern ſie Natur- körper ſind; ſie wird in einen allgemeinen und einen ſpeciellen Theil geſchieden, wovon der erſte das Thier als ſolches (in genere) betrachtet und deſſen Natur erörtert, während der zweite die Thierarten (species) und deren Naturen darſtellt. Daß auch hier noch nicht von Species und Genus als natürlicher ſyſtematiſcher Gruppen im ſpäteren Sinne die Rede iſt, beweiſt die nähere Erklärung deſſen, was im ſpeciellen Theile zu behandeln iſt. Hier heißt es ausdrücklich: „die Bibel bezeugt, daß Salomon von den Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen gehandelt habe. Dies ſind jene „Species“, unter welchen zahlreiche an- dere einbegriffen werden“. Nicht ohne Intereſſe für die Beurtheilung der damaligen ſogenannten wiſſenſchaftlichen Zoologie iſt es, daß in einem der Axiome, welche dieſem erſten Kapitel der Einleitung ange- hängt ſind, der Satz erwieſen wird, daß die Zoologie eine ſehr ſchwie- rige Wiſſenſchaft ſei. Dabei wird vorzüglich auf die große Zahl der be- ſchriebenen Thierformen, mit ihren Namen, Kräften und Thätigkeits- äußerungen hingewieſen und namentlich angeführt, es ſeien allein vier- zig Gattungen Käfer, fünfzig Gattungen Raupen, ſiebzig Gattungen Fliegen und von Schmetterlingen über hundert Gattungen beobachtet worden 37). Nachdem nun feſtgeſtellt iſt, was Zoologie ſei, unterſucht Verfaſſer im zweiten Kapitel, was das Thier ſei. Dabei wird der Be- griff brutum dem andern, animal, als einem höheren untergeordnet und durch den Zuſatz „unvernünftig“ näher bezeichnet. Ein Thier im Allgemeinen, nämlich animal, iſt ein belebter empfindender Körper, und danach iſt der Menſch ebenſogut ein animal wie der Löwe. Menſch und unvernünftiges Thier ſind daher keine contradiſtincten Species; wohl aber Menſch, unvernünftiges Thier (brutum) und Pflanze. Es iſt dies vielleicht die erſte Andeutung einer Auffaſſung von der Stellung 37) »Nomina brutorum faciesque externas novisse parum est. Imperi- torum habitum fuit detineri in minoribus: formas vero earumque virtutes et operationes tenere, permagni momenti res est..... Per tot animalium formas et species ire, laboriosissimum est. Observata sunt Scarabaeorum genera quadraginta etc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/317
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/317>, abgerufen am 22.11.2024.