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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
Vollständigkeit wegen in Reiseberichten, theils beiläufig neben andern
Sachen in medicinischen Schriften mitgetheilt wurden. Es fand in-
dessen, wie schon früher angedeutet, im vorliegenden Zeitraume eine
Richtung der Zoologie eine besondere Entwicklung, welche ursprünglich
freilich ohne große Ansprüche auf selbständige Förderung der Thier-
kenntniß doch am Schlusse der Periode zu einem der gelehrtesten Werke
führte, welche die historische Zoologie überhaupt aufzuweisen hat. Es
ist dies die biblische Zoologie. Es wurden dabei entweder die
Thiere den Laien direct vorgehalten und an ihrem Beispiel die Lehre
erläutert, daß sich der christliche Leser auch an der unvernünftigen
Creatur ein Beispiel und eine Warnung nehmen könne, oder sie wurden
dem praktischen Geistlichen geschildert, daß er die zahlreichen fruchtbaren
Symbolisirungen besser anknüpfen lernen und mit mehr Nachdruck auf
die wunderbare Weisheit im Bau und Leben der Thiere hinweisen könne.
Allmählich knüpfte sich aber das besondere wissenschaftliche Interesse
an derartige Besprechungen, daß man zu untersuchen begann, welches
denn eigentlich und wirklich die in der Bibel erwähnten, meist nur
durch Uebersetzungen aus dritter Hand dem Namen nach bekannten
Thiere seien. Es berührten sich dabei historische und philologische Un-
tersuchungen mit zoologischen in einer gegenseitigen Durchdringung,
wie sie in gleicher Weise kaum je wieder aufgenommen worden sind.

"Endlich ists auch ein grober Unverstand und Misbrauch, das
Viehe sey nur um des Bauchs willen erschaffen. So doch Gott auch
vieler anderer Ursachen wegen die Thiere uns zu praeceptores und
Lehrmeistern hingestellt hat". So schreibt der Pfarrherr in der H.
Reichsstadt Schweinfurt Hermann Heinrich Frey im Jahre
1595 und fügt hinzu: "Wider diese und vergleichen Irrthumen und
Misbräuche ist dieses Biblische Thierbuch gerichtet. Sonderlich
aber wird darin angezeigt, wie sie uns zu mancherlei Tugenden an-
mahnen und von den Lastern abschrecken." 39). Der so in der Vorrede

39) H. H. Frey, Therobiblion: Biblisch Thierbuch, darinne alle vierfüßige,
zahme, wilde, gifftige und kriechende Thier, Vogel und Fisch (deren in der Bibel
Meldung geschieht) sampt iren Eigenschaften und anhangenden nützlichen Historien
beschrieben sind. u. s. w. Leipzig, J. Beyer, 1595 4°. Die beiden, die Vögel und

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
Vollſtändigkeit wegen in Reiſeberichten, theils beiläufig neben andern
Sachen in mediciniſchen Schriften mitgetheilt wurden. Es fand in-
deſſen, wie ſchon früher angedeutet, im vorliegenden Zeitraume eine
Richtung der Zoologie eine beſondere Entwicklung, welche urſprünglich
freilich ohne große Anſprüche auf ſelbſtändige Förderung der Thier-
kenntniß doch am Schluſſe der Periode zu einem der gelehrteſten Werke
führte, welche die hiſtoriſche Zoologie überhaupt aufzuweiſen hat. Es
iſt dies die bibliſche Zoologie. Es wurden dabei entweder die
Thiere den Laien direct vorgehalten und an ihrem Beiſpiel die Lehre
erläutert, daß ſich der chriſtliche Leſer auch an der unvernünftigen
Creatur ein Beiſpiel und eine Warnung nehmen könne, oder ſie wurden
dem praktiſchen Geiſtlichen geſchildert, daß er die zahlreichen fruchtbaren
Symboliſirungen beſſer anknüpfen lernen und mit mehr Nachdruck auf
die wunderbare Weisheit im Bau und Leben der Thiere hinweiſen könne.
Allmählich knüpfte ſich aber das beſondere wiſſenſchaftliche Intereſſe
an derartige Beſprechungen, daß man zu unterſuchen begann, welches
denn eigentlich und wirklich die in der Bibel erwähnten, meiſt nur
durch Ueberſetzungen aus dritter Hand dem Namen nach bekannten
Thiere ſeien. Es berührten ſich dabei hiſtoriſche und philologiſche Un-
terſuchungen mit zoologiſchen in einer gegenſeitigen Durchdringung,
wie ſie in gleicher Weiſe kaum je wieder aufgenommen worden ſind.

„Endlich iſts auch ein grober Unverſtand und Misbrauch, das
Viehe ſey nur um des Bauchs willen erſchaffen. So doch Gott auch
vieler anderer Urſachen wegen die Thiere uns zu praeceptores und
Lehrmeiſtern hingeſtellt hat“. So ſchreibt der Pfarrherr in der H.
Reichsſtadt Schweinfurt Hermann Heinrich Frey im Jahre
1595 und fügt hinzu: „Wider dieſe und vergleichen Irrthumen und
Misbräuche iſt dieſes Bibliſche Thierbuch gerichtet. Sonderlich
aber wird darin angezeigt, wie ſie uns zu mancherlei Tugenden an-
mahnen und von den Laſtern abſchrecken.“ 39). Der ſo in der Vorrede

39) H. H. Frey, Θηροβιβλιον: Bibliſch Thierbuch, darinne alle vierfüßige,
zahme, wilde, gifftige und kriechende Thier, Vogel und Fiſch (deren in der Bibel
Meldung geſchieht) ſampt iren Eigenſchaften und anhangenden nützlichen Hiſtorien
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[310/0321] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. Vollſtändigkeit wegen in Reiſeberichten, theils beiläufig neben andern Sachen in mediciniſchen Schriften mitgetheilt wurden. Es fand in- deſſen, wie ſchon früher angedeutet, im vorliegenden Zeitraume eine Richtung der Zoologie eine beſondere Entwicklung, welche urſprünglich freilich ohne große Anſprüche auf ſelbſtändige Förderung der Thier- kenntniß doch am Schluſſe der Periode zu einem der gelehrteſten Werke führte, welche die hiſtoriſche Zoologie überhaupt aufzuweiſen hat. Es iſt dies die bibliſche Zoologie. Es wurden dabei entweder die Thiere den Laien direct vorgehalten und an ihrem Beiſpiel die Lehre erläutert, daß ſich der chriſtliche Leſer auch an der unvernünftigen Creatur ein Beiſpiel und eine Warnung nehmen könne, oder ſie wurden dem praktiſchen Geiſtlichen geſchildert, daß er die zahlreichen fruchtbaren Symboliſirungen beſſer anknüpfen lernen und mit mehr Nachdruck auf die wunderbare Weisheit im Bau und Leben der Thiere hinweiſen könne. Allmählich knüpfte ſich aber das beſondere wiſſenſchaftliche Intereſſe an derartige Beſprechungen, daß man zu unterſuchen begann, welches denn eigentlich und wirklich die in der Bibel erwähnten, meiſt nur durch Ueberſetzungen aus dritter Hand dem Namen nach bekannten Thiere ſeien. Es berührten ſich dabei hiſtoriſche und philologiſche Un- terſuchungen mit zoologiſchen in einer gegenſeitigen Durchdringung, wie ſie in gleicher Weiſe kaum je wieder aufgenommen worden ſind. „Endlich iſts auch ein grober Unverſtand und Misbrauch, das Viehe ſey nur um des Bauchs willen erſchaffen. So doch Gott auch vieler anderer Urſachen wegen die Thiere uns zu praeceptores und Lehrmeiſtern hingeſtellt hat“. So ſchreibt der Pfarrherr in der H. Reichsſtadt Schweinfurt Hermann Heinrich Frey im Jahre 1595 und fügt hinzu: „Wider dieſe und vergleichen Irrthumen und Misbräuche iſt dieſes Bibliſche Thierbuch gerichtet. Sonderlich aber wird darin angezeigt, wie ſie uns zu mancherlei Tugenden an- mahnen und von den Laſtern abſchrecken.“ 39). Der ſo in der Vorrede 39) H. H. Frey, Θηροβιβλιον: Bibliſch Thierbuch, darinne alle vierfüßige, zahme, wilde, gifftige und kriechende Thier, Vogel und Fiſch (deren in der Bibel Meldung geſchieht) ſampt iren Eigenſchaften und anhangenden nützlichen Hiſtorien beſchrieben ſind. u. ſ. w. Leipzig, J. Beyer, 1595 4°. Die beiden, die Vögel und

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/321>, abgerufen am 22.11.2024.