Unkenntniß von Mitteln zur zweckmäßigen Aufbewahrung von Natur- gegenständen hängt auch der Mangel an Naturaliensammlungen zusam- men. Gewiß erregten die als Weihgeschenke in Tempel gestifteten Merkwürdigkeiten die Aufmerksamkeit und wurden wohl auch gelegent- lich zur wissenschaftlichen Betrachtung benutzt. Doch hatten derartige Ansammlungen wunderlicher Dinge kaum eine Bedeutung als Hülfs- mittel des Studium. Eben so hülflos waren die Alten kleinen und kleinsten Gegenständen gegenüber. Es fehlten ihnen nicht bloß die feinen Werkzeuge zum Festhalten, Zergliedern u. s. w., sondern besonders kannten sie keine Mittel zur Vergrößerung des zu Untersuchenden. Sie mußten daher über die feinere Zusammensetzung größerer eben so wie über die Form, ja Existenz kleinster Thiere im Dunkel bleiben.
Eng mit diesem Fehlen von Beobachtungsmitteln hängt der Man- gel einer streng durchführbaren Methodik zusammen, welcher die alten Naturforscher nicht über ein gewisses Ziel hinaus gehen ließ. Stellte auch Aristoteles die Erfahrung an die Spitze der Erkenntnißquellen und verschob er dem entsprechend das Urtheil über eine Erscheinung bis dahin, wo die Erfahrungen vollständiger sein würden, so erhob sich doch die in formaler Hinsicht so bewundernswerthe Speculation nicht bis zur völligen Freiheit von den Fesseln der durch die Erfahrung ver- anlaßten Verbalbezüge. Und wo sich die Philosophie über die systema- tisirende Form erhob, wo es sich darum handelte, zusammengesetzte Erscheinungen in ihre einzelnen Momente aufzulösen und zu erklären, trat jener der ganzen Weltanschauung zu Grunde liegende Anthropo- morphismus vor, welcher ja auch der Ausgangspunkt der Teleologie ist. Daß sich den Forschern des Alterthums die Thatsachen nicht in immer reinerer Form und reichlicher darboten, daß die Kunst des Experimen- tirens bei ihnen noch nicht oder kaum existirte, verhinderte die Bildung von Ideen, welche der jedesmal in Betracht kommenden Gruppe von Thatsachen angemessen waren, wie es Whewell richtig bezeichnete. Natürlich traf dies aber alle Naturwissenschaften. Aber gerade die ge- ringere Entwickelung der verwandten Wissenszweige ließ auch die Zoo- logie nicht zur Aufstellung von allgemein bedeutungsvollen Fragen kommen.
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Unkenntniß von Mitteln zur zweckmäßigen Aufbewahrung von Natur- gegenſtänden hängt auch der Mangel an Naturalienſammlungen zuſam- men. Gewiß erregten die als Weihgeſchenke in Tempel geſtifteten Merkwürdigkeiten die Aufmerkſamkeit und wurden wohl auch gelegent- lich zur wiſſenſchaftlichen Betrachtung benutzt. Doch hatten derartige Anſammlungen wunderlicher Dinge kaum eine Bedeutung als Hülfs- mittel des Studium. Eben ſo hülflos waren die Alten kleinen und kleinſten Gegenſtänden gegenüber. Es fehlten ihnen nicht bloß die feinen Werkzeuge zum Feſthalten, Zergliedern u. ſ. w., ſondern beſonders kannten ſie keine Mittel zur Vergrößerung des zu Unterſuchenden. Sie mußten daher über die feinere Zuſammenſetzung größerer eben ſo wie über die Form, ja Exiſtenz kleinſter Thiere im Dunkel bleiben.
Eng mit dieſem Fehlen von Beobachtungsmitteln hängt der Man- gel einer ſtreng durchführbaren Methodik zuſammen, welcher die alten Naturforſcher nicht über ein gewiſſes Ziel hinaus gehen ließ. Stellte auch Ariſtoteles die Erfahrung an die Spitze der Erkenntnißquellen und verſchob er dem entſprechend das Urtheil über eine Erſcheinung bis dahin, wo die Erfahrungen vollſtändiger ſein würden, ſo erhob ſich doch die in formaler Hinſicht ſo bewundernswerthe Speculation nicht bis zur völligen Freiheit von den Feſſeln der durch die Erfahrung ver- anlaßten Verbalbezüge. Und wo ſich die Philoſophie über die ſyſtema- tiſirende Form erhob, wo es ſich darum handelte, zuſammengeſetzte Erſcheinungen in ihre einzelnen Momente aufzulöſen und zu erklären, trat jener der ganzen Weltanſchauung zu Grunde liegende Anthropo- morphismus vor, welcher ja auch der Ausgangspunkt der Teleologie iſt. Daß ſich den Forſchern des Alterthums die Thatſachen nicht in immer reinerer Form und reichlicher darboten, daß die Kunſt des Experimen- tirens bei ihnen noch nicht oder kaum exiſtirte, verhinderte die Bildung von Ideen, welche der jedesmal in Betracht kommenden Gruppe von Thatſachen angemeſſen waren, wie es Whewell richtig bezeichnete. Natürlich traf dies aber alle Naturwiſſenſchaften. Aber gerade die ge- ringere Entwickelung der verwandten Wiſſenszweige ließ auch die Zoo- logie nicht zur Aufſtellung von allgemein bedeutungsvollen Fragen kommen.
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Unkenntniß von Mitteln zur zweckmäßigen Aufbewahrung von Natur-
gegenſtänden hängt auch der Mangel an Naturalienſammlungen zuſam-
men. Gewiß erregten die als Weihgeſchenke in Tempel geſtifteten
Merkwürdigkeiten die Aufmerkſamkeit und wurden wohl auch gelegent-
lich zur wiſſenſchaftlichen Betrachtung benutzt. Doch hatten derartige
Anſammlungen wunderlicher Dinge kaum eine Bedeutung als Hülfs-
mittel des Studium. Eben ſo hülflos waren die Alten kleinen und
kleinſten Gegenſtänden gegenüber. Es fehlten ihnen nicht bloß die feinen
Werkzeuge zum Feſthalten, Zergliedern u. ſ. w., ſondern beſonders
kannten ſie keine Mittel zur Vergrößerung des zu Unterſuchenden. Sie
mußten daher über die feinere Zuſammenſetzung größerer eben ſo wie
über die Form, ja Exiſtenz kleinſter Thiere im Dunkel bleiben.
Eng mit dieſem Fehlen von Beobachtungsmitteln hängt der Man-
gel einer ſtreng durchführbaren Methodik zuſammen, welcher die alten
Naturforſcher nicht über ein gewiſſes Ziel hinaus gehen ließ. Stellte
auch Ariſtoteles die Erfahrung an die Spitze der Erkenntnißquellen und
verſchob er dem entſprechend das Urtheil über eine Erſcheinung bis
dahin, wo die Erfahrungen vollſtändiger ſein würden, ſo erhob ſich
doch die in formaler Hinſicht ſo bewundernswerthe Speculation nicht
bis zur völligen Freiheit von den Feſſeln der durch die Erfahrung ver-
anlaßten Verbalbezüge. Und wo ſich die Philoſophie über die ſyſtema-
tiſirende Form erhob, wo es ſich darum handelte, zuſammengeſetzte
Erſcheinungen in ihre einzelnen Momente aufzulöſen und zu erklären,
trat jener der ganzen Weltanſchauung zu Grunde liegende Anthropo-
morphismus vor, welcher ja auch der Ausgangspunkt der Teleologie iſt.
Daß ſich den Forſchern des Alterthums die Thatſachen nicht in immer
reinerer Form und reichlicher darboten, daß die Kunſt des Experimen-
tirens bei ihnen noch nicht oder kaum exiſtirte, verhinderte die Bildung
von Ideen, welche der jedesmal in Betracht kommenden Gruppe von
Thatſachen angemeſſen waren, wie es Whewell richtig bezeichnete.
Natürlich traf dies aber alle Naturwiſſenſchaften. Aber gerade die ge-
ringere Entwickelung der verwandten Wiſſenszweige ließ auch die Zoo-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/41>, abgerufen am 23.11.2024.
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