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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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ihren Eigenschaften in Gruppen ordneten, diese wieder einander über-
oder unterordneten, ohne sich durch vorgefaßte Ansichten über die Na-
tur einzelner derselben von vorn herein in Bezug auf deren Stellung
bestimmen zu lassen. Und doch hat kaum eine andere Hypothese so viel
wie diese dazu beigetragen, die Kenntniß der einzelnen Formen zu för-
dern, die über solche gemachten Mittheilungen zu sichern und die ein-
mal beschriebenen wiedererkennbar zu machen. So lange der Kreis der
bekannten Formen noch klein war, so lange man noch mit allgemein
bekannten oder, was die ausländischen betrifft, mit solchen Formen zu
thun hatte, welche hinsichtlich ihrer Benennung keine besonderen
Schwierigkeiten darboten, reichte die frühere Bezeichnungs- und An-
schauungsweise hin. Man sehe sich aber nur in irgend einem Werke
der damaligen Zeit um, welches von fremden Thieren, ja von den in
ihrer Formenmannichfaltigkeit zeitiger bekannten einheimischen Insecten
handelt, und man wird sofort erkennen, daß hier die Einführung eines
neuen methodischen Hülfsmittels dringend Noth that. Freilich fehlte,
wenn man auch die Art erhielt, dann noch immer das nothwendige
Complement einer consequenten Namengebung; hierzu bedurfte es aber
nach Ray's Vorgang nur noch eines kleinen Schrittes. Betrachtet
man das Auftreten dieser beiden wichtigsten Erscheinungen im Gebiete
der beschreibenden Naturwissenschaften näher, so stellt sich ein Ent-
wickelungsgang dar, wie er kaum natürlicher gedacht werden kann.
Ray versuchte zum erstenmale, sämmtliche bekannte Formen in kriti-
scher und systematisch geordneter Uebersicht darzustellen; er bezeichnet
selbst z. B. die von ihm redigirte und mit wichtigen Zusätzen berei-
cherte Ornithologie Willughby's als wesentlich von den "Pandekten"
Gesner's und Aldrovandi's verschieden. Da konnte es nicht ausblei-
ben, daß ihm das Fehlen eines eigentlichen Ausgangspunktes störend
entgegentrat. Sich wohl kaum der Tragweite des von ihm angewen-
deten Mittels bewußt werdend, schuf er sich einen solchen; dabei wurde
er weniger von einem allgemeinen Gesichtspunkte aus als vielmehr
durch das praktische Bedürfniß verständlicher Definitionen darauf ge-
führt, vor Allem auch die kleinsten Gruppen scharf zu begrenzen. Cha-
rakteristisch ist es, daß er nicht bloß zu den Definitionen der einzelnen

V. Carus, Gesch. d. Zool. 28

ihren Eigenſchaften in Gruppen ordneten, dieſe wieder einander über-
oder unterordneten, ohne ſich durch vorgefaßte Anſichten über die Na-
tur einzelner derſelben von vorn herein in Bezug auf deren Stellung
beſtimmen zu laſſen. Und doch hat kaum eine andere Hypotheſe ſo viel
wie dieſe dazu beigetragen, die Kenntniß der einzelnen Formen zu för-
dern, die über ſolche gemachten Mittheilungen zu ſichern und die ein-
mal beſchriebenen wiedererkennbar zu machen. So lange der Kreis der
bekannten Formen noch klein war, ſo lange man noch mit allgemein
bekannten oder, was die ausländiſchen betrifft, mit ſolchen Formen zu
thun hatte, welche hinſichtlich ihrer Benennung keine beſonderen
Schwierigkeiten darboten, reichte die frühere Bezeichnungs- und An-
ſchauungsweiſe hin. Man ſehe ſich aber nur in irgend einem Werke
der damaligen Zeit um, welches von fremden Thieren, ja von den in
ihrer Formenmannichfaltigkeit zeitiger bekannten einheimiſchen Inſecten
handelt, und man wird ſofort erkennen, daß hier die Einführung eines
neuen methodiſchen Hülfsmittels dringend Noth that. Freilich fehlte,
wenn man auch die Art erhielt, dann noch immer das nothwendige
Complement einer conſequenten Namengebung; hierzu bedurfte es aber
nach Ray's Vorgang nur noch eines kleinen Schrittes. Betrachtet
man das Auftreten dieſer beiden wichtigſten Erſcheinungen im Gebiete
der beſchreibenden Naturwiſſenſchaften näher, ſo ſtellt ſich ein Ent-
wickelungsgang dar, wie er kaum natürlicher gedacht werden kann.
Ray verſuchte zum erſtenmale, ſämmtliche bekannte Formen in kriti-
ſcher und ſyſtematiſch geordneter Ueberſicht darzuſtellen; er bezeichnet
ſelbſt z. B. die von ihm redigirte und mit wichtigen Zuſätzen berei-
cherte Ornithologie Willughby's als weſentlich von den „Pandekten“
Gesner's und Aldrovandi's verſchieden. Da konnte es nicht ausblei-
ben, daß ihm das Fehlen eines eigentlichen Ausgangspunktes ſtörend
entgegentrat. Sich wohl kaum der Tragweite des von ihm angewen-
deten Mittels bewußt werdend, ſchuf er ſich einen ſolchen; dabei wurde
er weniger von einem allgemeinen Geſichtspunkte aus als vielmehr
durch das praktiſche Bedürfniß verſtändlicher Definitionen darauf ge-
führt, vor Allem auch die kleinſten Gruppen ſcharf zu begrenzen. Cha-
rakteriſtiſch iſt es, daß er nicht bloß zu den Definitionen der einzelnen

V. Carus, Geſch. d. Zool. 28
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[433/0444] John Ray. ihren Eigenſchaften in Gruppen ordneten, dieſe wieder einander über- oder unterordneten, ohne ſich durch vorgefaßte Anſichten über die Na- tur einzelner derſelben von vorn herein in Bezug auf deren Stellung beſtimmen zu laſſen. Und doch hat kaum eine andere Hypotheſe ſo viel wie dieſe dazu beigetragen, die Kenntniß der einzelnen Formen zu för- dern, die über ſolche gemachten Mittheilungen zu ſichern und die ein- mal beſchriebenen wiedererkennbar zu machen. So lange der Kreis der bekannten Formen noch klein war, ſo lange man noch mit allgemein bekannten oder, was die ausländiſchen betrifft, mit ſolchen Formen zu thun hatte, welche hinſichtlich ihrer Benennung keine beſonderen Schwierigkeiten darboten, reichte die frühere Bezeichnungs- und An- ſchauungsweiſe hin. Man ſehe ſich aber nur in irgend einem Werke der damaligen Zeit um, welches von fremden Thieren, ja von den in ihrer Formenmannichfaltigkeit zeitiger bekannten einheimiſchen Inſecten handelt, und man wird ſofort erkennen, daß hier die Einführung eines neuen methodiſchen Hülfsmittels dringend Noth that. Freilich fehlte, wenn man auch die Art erhielt, dann noch immer das nothwendige Complement einer conſequenten Namengebung; hierzu bedurfte es aber nach Ray's Vorgang nur noch eines kleinen Schrittes. Betrachtet man das Auftreten dieſer beiden wichtigſten Erſcheinungen im Gebiete der beſchreibenden Naturwiſſenſchaften näher, ſo ſtellt ſich ein Ent- wickelungsgang dar, wie er kaum natürlicher gedacht werden kann. Ray verſuchte zum erſtenmale, ſämmtliche bekannte Formen in kriti- ſcher und ſyſtematiſch geordneter Ueberſicht darzuſtellen; er bezeichnet ſelbſt z. B. die von ihm redigirte und mit wichtigen Zuſätzen berei- cherte Ornithologie Willughby's als weſentlich von den „Pandekten“ Gesner's und Aldrovandi's verſchieden. Da konnte es nicht ausblei- ben, daß ihm das Fehlen eines eigentlichen Ausgangspunktes ſtörend entgegentrat. Sich wohl kaum der Tragweite des von ihm angewen- deten Mittels bewußt werdend, ſchuf er ſich einen ſolchen; dabei wurde er weniger von einem allgemeinen Geſichtspunkte aus als vielmehr durch das praktiſche Bedürfniß verſtändlicher Definitionen darauf ge- führt, vor Allem auch die kleinſten Gruppen ſcharf zu begrenzen. Cha- rakteriſtiſch iſt es, daß er nicht bloß zu den Definitionen der einzelnen V. Carus, Geſch. d. Zool. 28

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/444>, abgerufen am 22.11.2024.