Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. gefäße nicht gehörig aufsaugen könnten, worauf sich dann seine plastischeKraft regt (Diss. über die Würmer der Eingeweide, Jena, 1670). Und selbst Redi, welcher doch im Uebrigen die Annahme einer Urzeu- gung bekämpfte, kam in Bezug auf die Eingeweidewürmer zu der, frei- lich später wieder von ihm selbst aufgegebenen Annahme, daß die Wür- mer in den Därmen sich von der sensitiven Seele ihres Wirthes ihr Leben liehen. Man fand sich offenbar in einer nicht geringen Verlegen- heit. Der Bibel gemäß fand ja nach dem Sechstagewerk keine neue Erschaffung statt; folglich mußte Adam schon seine Würmer haben. Vor dem Sündenfalle ist aber eine solche Plage undenkbar; man nahm also an, die Würmer benahmen sich damals wegen der leichteren und nicht beschwerenden Nahrung ruhig und verursachten keine krankhaften Erscheinungen. Auf die Frau können die Würmer durch die Rippe, aus welcher sie erschaffen wurde und in deren Nähe ja der Brust- lymphgang sich findet, leicht vom Manne aus übertragen worden sein. Es waren also die Würmer wie alle übrigen Thierarten von Anfang vorhanden; ihre Keime wurden dann auf räthselhafte, wenigstens kaum direct nachweisbare Weise übertragen. So setzt Vallisnieri die Sache auseinander. Nicolas Andry läßt die Keime überall, in der Luft und dem Wasser, zerstreut sein (1700). Daniel Clericus, der Ansicht Vallisnieri's nicht ganz abgeneigt, ist vorsichtig und erklärt, nicht von dem Geständniß bedrückt zu werden, daß man hier eigentlich noch nichts wisse. In Bezug auf die Kenntniß der einzelnen Formen war man auch nur langsam vorgeschritten. Edward Tyson, wel- cher den Bandwurmkopf mit dem Hakenkranz schildert und abbildet, äußert bereits die Vermuthung, daß die Hydatiden eine Species von Würmern oder unvollkommenen Thieren seien und bildet eine aus- gestülpte Cyste mit dem Thiere ab. Die gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Formen waren aber, trotzdem daß Vallisnieri die Genera- tionsorgane der größeren Rundwürmer beschrieben hatte, nicht klar geworden. Bei Clericus30) werden unterschieden Taenia und Bo- 30) Historia naturalis et medica latorum lumbricorum. Genevae, 1715.
Nic. Andry, De la generation des vers. Paris 1700, neue Aufl. 1714. Edw. Tyson, in: Philos. Transact. Vol. 16. Nr. 193. p.506. Periode der Syſtematik. gefäße nicht gehörig aufſaugen könnten, worauf ſich dann ſeine plaſtiſcheKraft regt (Diſſ. über die Würmer der Eingeweide, Jena, 1670). Und ſelbſt Redi, welcher doch im Uebrigen die Annahme einer Urzeu- gung bekämpfte, kam in Bezug auf die Eingeweidewürmer zu der, frei- lich ſpäter wieder von ihm ſelbſt aufgegebenen Annahme, daß die Wür- mer in den Därmen ſich von der ſenſitiven Seele ihres Wirthes ihr Leben liehen. Man fand ſich offenbar in einer nicht geringen Verlegen- heit. Der Bibel gemäß fand ja nach dem Sechstagewerk keine neue Erſchaffung ſtatt; folglich mußte Adam ſchon ſeine Würmer haben. Vor dem Sündenfalle iſt aber eine ſolche Plage undenkbar; man nahm alſo an, die Würmer benahmen ſich damals wegen der leichteren und nicht beſchwerenden Nahrung ruhig und verurſachten keine krankhaften Erſcheinungen. Auf die Frau können die Würmer durch die Rippe, aus welcher ſie erſchaffen wurde und in deren Nähe ja der Bruſt- lymphgang ſich findet, leicht vom Manne aus übertragen worden ſein. Es waren alſo die Würmer wie alle übrigen Thierarten von Anfang vorhanden; ihre Keime wurden dann auf räthſelhafte, wenigſtens kaum direct nachweisbare Weiſe übertragen. So ſetzt Vallisnieri die Sache auseinander. Nicolas Andry läßt die Keime überall, in der Luft und dem Waſſer, zerſtreut ſein (1700). Daniel Clericus, der Anſicht Vallisnieri's nicht ganz abgeneigt, iſt vorſichtig und erklärt, nicht von dem Geſtändniß bedrückt zu werden, daß man hier eigentlich noch nichts wiſſe. In Bezug auf die Kenntniß der einzelnen Formen war man auch nur langſam vorgeſchritten. Edward Tyſon, wel- cher den Bandwurmkopf mit dem Hakenkranz ſchildert und abbildet, äußert bereits die Vermuthung, daß die Hydatiden eine Species von Würmern oder unvollkommenen Thieren ſeien und bildet eine aus- geſtülpte Cyſte mit dem Thiere ab. Die gegenſeitigen Beziehungen der einzelnen Formen waren aber, trotzdem daß Vallisnieri die Genera- tionsorgane der größeren Rundwürmer beſchrieben hatte, nicht klar geworden. Bei Clericus30) werden unterſchieden Taenia und Bo- 30) Historia naturalis et medica latorum lumbricorum. Genevae, 1715.
Nic. Andry, De la génération des vers. Paris 1700, neue Aufl. 1714. Edw. Tyson, in: Philos. Transact. Vol. 16. Nr. 193. p.506. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0473" n="462"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> gefäße nicht gehörig aufſaugen könnten, worauf ſich dann ſeine plaſtiſche<lb/> Kraft regt (Diſſ. über die Würmer der Eingeweide, Jena, 1670).<lb/> Und ſelbſt <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118939416">Redi</persName></hi>, welcher doch im Uebrigen die Annahme einer Urzeu-<lb/> gung bekämpfte, kam in Bezug auf die Eingeweidewürmer zu der, frei-<lb/> lich ſpäter wieder von ihm ſelbſt aufgegebenen Annahme, daß die Wür-<lb/> mer in den Därmen ſich von der ſenſitiven Seele ihres Wirthes ihr<lb/> Leben liehen. Man fand ſich offenbar in einer nicht geringen Verlegen-<lb/> heit. Der Bibel gemäß fand ja nach dem Sechstagewerk keine neue<lb/> Erſchaffung ſtatt; folglich mußte Adam ſchon ſeine Würmer haben.<lb/> Vor dem Sündenfalle iſt aber eine ſolche Plage undenkbar; man nahm<lb/> alſo an, die Würmer benahmen ſich damals wegen der leichteren und<lb/> nicht beſchwerenden Nahrung ruhig und verurſachten keine krankhaften<lb/> Erſcheinungen. Auf die Frau können die Würmer durch die Rippe,<lb/> aus welcher ſie erſchaffen wurde und in deren Nähe ja der Bruſt-<lb/> lymphgang ſich findet, leicht vom Manne aus übertragen worden ſein.<lb/> Es waren alſo die Würmer wie alle übrigen Thierarten von Anfang<lb/> vorhanden; ihre Keime wurden dann auf räthſelhafte, wenigſtens<lb/> kaum direct nachweisbare Weiſe übertragen. So ſetzt <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118867865">Vallisnieri</persName></hi><lb/> die Sache auseinander. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118645269">Nicolas Andry</persName></hi> läßt die Keime überall, in<lb/> der Luft und dem Waſſer, zerſtreut ſein (1700). <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116850841">Daniel Clericus</persName></hi>,<lb/> der Anſicht <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118867865">Vallisnieri</persName>'s nicht ganz abgeneigt, iſt vorſichtig und erklärt,<lb/> nicht von dem Geſtändniß bedrückt zu werden, daß man hier eigentlich<lb/> noch nichts wiſſe. In Bezug auf die Kenntniß der einzelnen Formen<lb/> war man auch nur langſam vorgeſchritten. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/100478565">Edward Tyſon</persName></hi>, wel-<lb/> cher den Bandwurmkopf mit dem Hakenkranz ſchildert und abbildet,<lb/> äußert bereits die Vermuthung, daß die Hydatiden eine Species von<lb/> Würmern oder unvollkommenen Thieren ſeien und bildet eine aus-<lb/> geſtülpte Cyſte mit dem Thiere ab. Die gegenſeitigen Beziehungen der<lb/> einzelnen Formen waren aber, trotzdem daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118867865">Vallisnieri</persName> die Genera-<lb/> tionsorgane der größeren Rundwürmer beſchrieben hatte, nicht klar<lb/> geworden. Bei <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116850841">Clericus</persName></hi><note place="foot" n="30)"><hi rendition="#aq">Historia naturalis et medica latorum lumbricorum. Genevae, 1715.<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118645269">Nic. Andry</persName></hi>, De la génération des vers. Paris</hi> 1700, neue Aufl. 1714. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Edw.<lb/> Tyson</hi></hi>, in: <hi rendition="#aq">Philos. Transact. Vol. 16. Nr. 193. p.</hi>506.</note> werden unterſchieden <hi rendition="#aq">Taenia</hi> und <hi rendition="#aq">Bo-</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0473]
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Kraft regt (Diſſ. über die Würmer der Eingeweide, Jena, 1670).
Und ſelbſt Redi, welcher doch im Uebrigen die Annahme einer Urzeu-
gung bekämpfte, kam in Bezug auf die Eingeweidewürmer zu der, frei-
lich ſpäter wieder von ihm ſelbſt aufgegebenen Annahme, daß die Wür-
mer in den Därmen ſich von der ſenſitiven Seele ihres Wirthes ihr
Leben liehen. Man fand ſich offenbar in einer nicht geringen Verlegen-
heit. Der Bibel gemäß fand ja nach dem Sechstagewerk keine neue
Erſchaffung ſtatt; folglich mußte Adam ſchon ſeine Würmer haben.
Vor dem Sündenfalle iſt aber eine ſolche Plage undenkbar; man nahm
alſo an, die Würmer benahmen ſich damals wegen der leichteren und
nicht beſchwerenden Nahrung ruhig und verurſachten keine krankhaften
Erſcheinungen. Auf die Frau können die Würmer durch die Rippe,
aus welcher ſie erſchaffen wurde und in deren Nähe ja der Bruſt-
lymphgang ſich findet, leicht vom Manne aus übertragen worden ſein.
Es waren alſo die Würmer wie alle übrigen Thierarten von Anfang
vorhanden; ihre Keime wurden dann auf räthſelhafte, wenigſtens
kaum direct nachweisbare Weiſe übertragen. So ſetzt Vallisnieri
die Sache auseinander. Nicolas Andry läßt die Keime überall, in
der Luft und dem Waſſer, zerſtreut ſein (1700). Daniel Clericus,
der Anſicht Vallisnieri's nicht ganz abgeneigt, iſt vorſichtig und erklärt,
nicht von dem Geſtändniß bedrückt zu werden, daß man hier eigentlich
noch nichts wiſſe. In Bezug auf die Kenntniß der einzelnen Formen
war man auch nur langſam vorgeſchritten. Edward Tyſon, wel-
cher den Bandwurmkopf mit dem Hakenkranz ſchildert und abbildet,
äußert bereits die Vermuthung, daß die Hydatiden eine Species von
Würmern oder unvollkommenen Thieren ſeien und bildet eine aus-
geſtülpte Cyſte mit dem Thiere ab. Die gegenſeitigen Beziehungen der
einzelnen Formen waren aber, trotzdem daß Vallisnieri die Genera-
tionsorgane der größeren Rundwürmer beſchrieben hatte, nicht klar
geworden. Bei Clericus 30) werden unterſchieden Taenia und Bo-
30) Historia naturalis et medica latorum lumbricorum. Genevae, 1715.
Nic. Andry, De la génération des vers. Paris 1700, neue Aufl. 1714. Edw.
Tyson, in: Philos. Transact. Vol. 16. Nr. 193. p.506.
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